Von der Lüneburger Heide reisen wir ins Erzgebirge. Kathleen Stemmler erzählt, wie sie mit ihrer Familie dort Weihnachten feiert.
1. Wo bist du aufgewachsen und wie habt ihr dort Weihnachten gefeiert?
Ich wurde im Weihnachtsland Erzgebirge geboren und habe es seitdem auch nur sporadisch verlassen. Hier spielt Weihnachten und alle damit verbundenen Traditionen eine sehr große Rolle. Das beginnt mit dem „Männle“ aufstellen in der Woche vor dem 1. Advent, geht weiter mit vielen Liedern und Gedichten bis hin zum Stollenanschnitt.
2. Wie muss ich als Norddeutscher mir „Männle aufstellen“ vorstellen, was passiert da?
Als „Männle“ verstehen wir unser großes Feld an Räuchermännchen, Nussknackern und den bekannten Engeln und Bergmännern. Natürlich alles gefertigt im Erzgebirge. Auch die bekannten Schwibbbögen und Pyramiden gehören dazu. Als dies lagert bei uns „traditionell“ auf dem Boden bzw. im Keller und wird dann gemeinsam in die Wohnung getragen. Da meine Eltern und meine Familie in einem Mehr-Generationen-Haus wohnen, ist das natürlich mit Aufwand verbunden, den man zwar lautstark kommentiert, sich aber dennoch jedes Jahr darauf freut. Dann werden die Kartons ausgepackt und die Männle aufgestellt.
Als Extra, ich weiß nur nicht, ob wir es damit dann übertreiben, hier mal der Text von unserem Rachermannl-Lied, was hier echt jeder auswendig kann.
`s Raachermannel ’s Raachermannel. Gahr für Gahr gieht’s zun Advent of’n Buden nauf, werd e Mannel aufgeweckt: „Komm, nu stehste auf!“ Is es unten in dr Stub, rührt …
3. Gab es Rituale für den Heiligabend und den ersten und zweiten Weihnachtstag?
Da mag jetzt mancher denken, dass im Erzgebirge bei allen der Ablauf annähernd gleich ist. Aber weit gefehlt. Tatsächlich ist es im Erzgebirge so, dass hier Unterschiede von Dorf zu Dorf gibt. So wird in eigenen Haushalten der Stollen am 1. Advent angeschnitten, in anderen erst zu Heiligabend. Das gleiche gilt für die Fensterbeleuchtung.
Bei mir zu Hause liefen die drei Tage nahezu gleich ab. An Heiligabend gab es Mittag Linseneintopf (süßsauer angemacht), Nachmittag dann Stollen und zum Abendessen die klassische Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffeln oder Klößen. Hinterher wurde gemeinsam die Küche aufgeräumt. Erst dann, wenn alles sauber war, kam dann der Weihnachtsmann.
Der ersten und der zweite Feiertag waren (und sind es bis heute) Gammeltage, aber im positiven Sinne. Zum Mittag wurde Ente und Hase serviert, schön mit grünen Klößen und Rotkohl, mittlerweile gehen wir am zweiten Feiertag essen.
4. Es fehlt also die Überlegung, welcher Tag für die Eltern, welcher für die Schwiegereltern reserviert ist?
Nein, eigentlich nicht. Wenn wir am zweiten Feiertag essen gehen, dann die gesamte Familie, also Eltern und Schwiegereltern. Wie schon erwähnt, teilen sich meine Eltern und ich ein Haus, da sind wir eh zusammen. Die Schwiegereltern werden mit eingebunden ohne ein festes Ritual. Und wie viele Qindianer ja wissen, wächst meine kleine Familie (der Stichtag ist tatsächlich der 22. Dezember, mal schauen, ob es ein Christkind wird. Dann wird eh jede Planung über den Haufen geworfen.
5. Was habt ihr gegessen? Hast du ein Rezept für uns?
Das Essen habe ich ja schon erwähnt. Da die Speisen ja bei uns allen in Fleisch und Blut übergegangen sind, habe ich jetzt nicht das klassische Rezept, aber ich zähle gern mal auf, wie wir den Linseneintopf zaubern. Dieser ist übrigens sehr wichtig bei uns, damit es im Jahr darauf immer genug einzelnes Geld in der eigenen Brieftasche gibt. Die Klöße am Abend sind für das große Geld zuständig.
Süßsaurer Linseneintopf
Wir benötigen als Grundzutaten Kartoffeln, Knacker, saure Gurken und natürlich Linsen. Über das Mengenverhältnis könnt ihr selbst bestimmen, aber Linsen sollten schon der Hauptanteil sein.
Wir nehmen immer braune Linsen. Je nach Sorte müssen die eingeweicht werden und/oder vorgekocht werden. Auf alle Fälle müssen sie vor der Weiterverarbeitung bereits weich gegart sein.
Die Kartoffeln schälen, in Würfel schneiden und einzeln garen. Die Knacker würfeln und schön anbraten. Die sauren Gurken würfeln. Für den Geschmack nehmen wir immer noch ein Päckchen Suppengrün dazu, welches wir auch putzen und vierteln.
Damit geht es dann auch los. Das gewürfelte Suppengrün in einem großen Topf in Butterschmalz anschwitzen und mit Brühe (Fleischbrühe ist schön intensiv) ablöschen und schön aufkochen. Dann die Kartoffeln (ohne das Kochwasser), die Gurken, die Knacker (ja nach Geschmack mit dem Bratfett) und die Linsen dazu. Mit Brühe auffüllen, sodass es halt ein Eintopf ist. Dann eine Mehlschwitze herstellen aus Mehl und Butter herstellen, das Mehl muss braun werden. Das schön unterrühren. Aber aufpassen, ab jetzt ist die Gefahr sehr hoch, dass der Eintopf anbrennt. Gewürzt wird mit Salz, Pfeffer, Weißweinessig (in Maßen) und Zucker (in Maßen). Da lieber immer mal ein wenig dazu und abschmecken.
Lasst es Euch schmecken.
6. Welche Rolle spielten Geschichten oder die Weihnachtsgeschichte?
In unserer Familie spielt die Weihnachtsgeschichte an sich nur eine sehr untergeordnete Rolle. Wir mögen jedoch sehr die alten TV-Märchen mit ihrem zum Teil sehr trashigen Charme.
7. Welche Rituale hast du in dein Erwachsenenleben übernommen?
All die bisher genannten Rituale habe ich von meinen Eltern gelernt und werde diese auch an meine Kinder weitergeben.
8. Welche Bücher verschenkst du zu Weihnachten?
Das kann ich doch hier nicht verraten.
9. Dann versuche ich es anders. Über welche Bücher würdest du dich freuen?
Ich bin ein bekennender Harry-Potter-Nerd. Daher findet man auf meinen Wunschzettel dieses Jahr die illustrierten Versionen der Bücher und dieses wunderschöne Pop-Up-Buch. Ansonsten neige ich dazu, mir Bücher selbst zu kaufen, wenn ich sie sehe bzw. mein Interesse geweckt haben.
Ich wünsche allen eine schöne Adventszeit und ein besinnliches Weihnachtsfest.
Kathleen Stemmler
Die wünschen wir dir auch.