Von bunten Tellern, Champagner und Mr. Scrooge: Weinachten bei Jana Oltersdorff

Unsere nächste Station ist Frankfurt.  Aber auch die heutige Gastgeberin hat die Weihnachtstage ihrer Kindheit noch in der DDR verbracht. Wie ihre Familie in Wismar an der Ostsee gefeiert und was sie davon mit an den Main mitgenommen hat, davon erzählt uns Jana Oltersdorff:

1. Wo bist du aufgewachsen und wie habt ihr dort Weihnachten gefeiert?
Ich wuchs in der wunderschönen Hansestadt Wismar auf. Weihnachten wurde bei uns stets mit der ganzen Familie gefeiert, die aus meinen Eltern, meiner Schwester und meinen Großeltern bestand.

2. Gab es Rituale für den Heiligabend und den ersten und zweiten Weihnachtstag?
Vermutlich nix Ungewöhnliches. Wir haben Weihnachten vergleichsweise unspektakulär gefeiert. Nachmittags ging es zu den Großeltern zum Kaffee und Kuchen. Abends liefen wir heim, dann gab es Bescherung. Oder die Großeltern kamen zu uns, dann fand die Bescherung meist eher statt. Es wurde immer schön geschmückt, und jedes Familienmitglied bekam seinen eigenen „Bunten Teller“, gefüllt mit Süßigkeiten bis zum Abwinken, das reichte meist locker bis Neujahr.
Ähnlich gemütlich halten wir es heute mit unseren Kindern auch. An Weihnachten sind wir vier unter uns, denn unsere Eltern wohnen dann doch zu weit weg, meine Mutter arbeitet an den Feiertagen oft noch. Aber wir telefonieren viel, machen ganz modern Videocalls, das ist immer schön.
Und mein persönliches Ritual besteht darin, dass ich mich irgendwann während der Feiertage zurückziehe und ganz allein nur für mich „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ angucke. Mein Must-See-Weihnachtsfilm, der muss sein.

3. Ist der Film auch ein Teil deiner Kindheit oder lief er in der DDR gar nicht so sehr?
Den Film habe ich als Kind zum ersten Mal gesehen. Es war Liebe auf den ersten Blick, die bis heute anhält. Wahrscheinlich hängt mein Herz auch deshalb so an diesem Film, eben weil er ein Teil meiner Kindheit ist.

4. Was habt ihr gegessen? Hast du ein Rezept für uns?
Ich kann mich nicht so genau erinnern, ob es an Heiligabend bei uns zu Hause immer Würstchen und Kartoffelsalat gab, aber das stand schon häufig auf dem Tisch. An einem der Weihnachtstage gab es immer Kasslerbraten. Gänsebraten und Ähnliches wurden erst zur Tradition, als ich meine eigene kleine Familie mit meinem Mann gründete. Seitdem gibt es an Heiligabend immer ein kleines feines Gourmetbuffet mit Lachs, Wachteleiern und Champagner und einigen anderen Leckereien und meist am ersten Weihnachtstag Gänsebraten mit allem, was dazugehört. Mit Rezepten kann ich da nicht dienen, denn bei uns ist mein Mann der Chefkoch, so gut wie er könnte ich niemals im Leben kochen!

5. Welche Rolle spielten Geschichten oder die Weihnachtsgeschichte?
Mit der christlichen Weihnachtsgeschichte hab ich es nicht so. Ich liebe die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens über den fiesen, geizigen Ebeneezer Scrooge und den Besuch der drei Geister der Weihnacht. Ich habe es nie gelesen, kenne aber fast alle Verfilmungen. Es ist einfach eine wunderschöne, zeitlose Geschichte.

6. Mein erster küchenpsychologischer Gedanke dazu war, dass Dickens auch viel besser ins Wismar der 70er Jahre passte. Bist du schon eher mit Scrooge und den drei Geistern aufgewachsen, als mit der Geburt in einem Stall?
Ich würde sagen, ja. Natürlich kenne ich die Geschichte von der Geburt Christi, das gehört ja zur Allgemeinbildung dazu. Aber ich wuchs in einer nicht christlichen Familie auf, was in der DDR gar nicht so unüblich war. Ich glaube aber, Scrooge war weniger typisch für Weihnachten in Wismar, sondern eher typisch für meine Familie. Wir lieben die Geschichte alle.

7. Welche Rituale hast du in dein Erwachsenenleben übernommen?
Darüber habe ich ja schon einiges erzählt. Auf jeden Fall legen wir viel Wert auf ein gemütliches Zusammensein unserer Familie. Wir spielen Brettspiele mit den Kids, essen zu viel, unternehmen Spaziergänge und lassen es ruhig angehen. Und natürlich gibt es wieder die „Bunten Teller“!

8. Welche Bücher verschenkst du zu Weihnachten?
Meine Kinder bekommen immer schon zum Nikolaus ein Buch. In den letzten Jahren war das immer das jeweils neuste Buch aus der Reihe „Gregs Tagebuch“. Ihren Onkel habe ich angestiftet, ihnen nach und nach die Harry-Potter-Bücher zu schenken. Da gibt es dieses Jahr dann Teil 3 und 4. Mein Mann hat sich von mir ein Buch gewünscht: ein Kochbuch eines bestimmten Sternekochs. Ich selbst werde wohl keine Bücher geschenkt bekommen, was aber nicht schlimm ist, denn mein Stapel ungelesener Bücher hat jetzt schon schwindelerregende Höhen erreicht.

Wir wünsche dir wunderschöne Weihnachtstage, Jana.

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.