Vom Fließband einer Schuhfabrik zur Fantasie: Erik Kellen im Qinterview

Qinterview 3Unser letztes Qinterview in diesem Jahr gab uns Erik Kellen. Wie viele kreative Menschen hat er eine abwechslungsreiche Biografie, aus der vor allem Notwendigkeit und Suche sprechen. Die Notwendigkeit, das Leben, sei es auch noch so bescheiden, zu finanzieren, und die Suche danach, dies auf eine Weise zu tun, bei der man nicht verkümmert.
Und auch die Antworten auf unsere Fragen sind zum großen Teil von dieser Sehnsucht geprägt.

1.    Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?

– Ich bin Erik Kellen – Seemannsgarnknüpfer. 🙂  Da ich an einem Montag zu nachtschlafender Zeit auf die Welt gekommen bin, kann ich gar nichts anderes als ein Träumer sein. Zudem bin ich Stier, also mit einem enormen Dickschädel ausgestattet, bestens geeignet, um Geschichten zu ersinnen, die kaum ein anderer schreibt. Ich bin ein Magnet für ungewöhnliche Figuren. Liran aus GezeitenZauber, der Krieger, der die Zeit durchquert. Asha Grimmhorn aus Nimmerherz, der alles aufgeben muss, um zu finden. Anevay aus TEOS, die Außenseiterin, mit der Fähigkeit, die ganze Welt aus den Angeln zu heben. Gut möglich, dass man mich zu früh geweckt hat, deshalb schreibe ich Träume nieder.
2.    Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?  

– F R E I H E I T !
3.    Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?

– Es ist natürlich eine unglaubliche Autonomie, die man durch SP ausleben kann. Auf der anderen Seite ist es eine Heidenarbeit. In jeder freien Minute versucht man das Feuer zu schüren, alles in die Waagschale zu werfen, zu dem man fähig und gewillt ist. Es gibt Tage, da verzweifelt man daran, weil es einen erdrückt, aber meistens rennt man schwertschwingend in die feindlichen Linien und die Seele lacht dabei. Die Gegner sind dann Alltag, Marketing und diverse andere Schurken.

Erik Kellen4.    Was findest du beim Self-Publishing problematisch?

– Ich sehe da kaum Hindernisse. Wenn man gute Leute um sich hat, die mithelfen (Cover, Buchsatz usw.), dann ist es eigentlich nur eine Menge Mühe, die man in das Projekt werfen muss. Das Problem, in meinen Augen, sind die extrem niedrigen Preise, mit denen die Bücher verkauft werden. Da ist ´ne Tasse Coffee to go teurer.

5.    Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?

– Wenn die Menschen sehen könnten, mit wie viel Herzblut und Schufterei diese Geschichten entstehen, dann sollte es ihnen mehr wert sein. Nur weil kein Verlag dahinter steht, heißt es schon lange nicht mehr, dass die Bücher „minderwertig“ sind. Das Gegenteil ist oft schon der Fall!

6.    Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)

– Die Möglichkeit tun und lassen zu können was ich will und wie ich es will.

7.    Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?

– Die Erste, die in meine Geschichten eintauchen darf, ist immer meine Freundin. Dann kommen wenige Testleser, dafür aber mit Augen wie Klingen! Wahrheit ist das oberste Gebot. Wenn etwas nicht funktioniert, Figuren nicht glaubhaft rüberkommen, dann wird mir das ohne Umschweife um die Ohren gedonnert. 🙂 Es kann aber auch sein, dass ich für ein bestimmtes Projekt neue Testleser bevorzuge, weil das Genre besser passt. Letztendlich ist es die Aufrichtigkeit, die zählt. egal, in welche Richtung sie zielt.

8.    Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)

– Nein, bisher nicht. Als Autor träumt man zwar davon, dass es so etwas wie eine Muse gibt, aber wer hat schon wirklich solches Glück, dass ein Mensch dich dazu inspiriert, eine Geschichte nur seinetwegen zu weben?

9.    Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)

– Ständig! Figuren leben, sie sind nicht auf ein Reißbrett beschränkt, auf das ich sie geheftet habe. Sie stehen hinter mir, streifen durch die Wohnung, reden, diskutieren oder plappern. Und manchmal tun sie völlig unerwartete Dinge.

10.    Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?Erik Kellen: Nimmerherz - Roter Schnee wird fallen

– Es sind vor allem die Sinne, die völlig anders funktionieren. Töne, Gerüche, eine Wolkenformation am Himmel, alles wird in Romantexte umgewandelt. 🙂 Ich kann nicht mehr durch Hamburg gehen, ohne dabei Lord Humberstone aus TEOS zu begegnen oder Nilah aus GezeitenZauber. Ich sehe einen alten Mann und schwupps ist da eine Figur. Ohne Notizbuch gehe ich nicht mehr vor die Haustür. Zum Leidwesen meiner Freundin, die mich oft aus einer Art Entrückung schubsen muss, damit ich wieder im Hier und Jetzt lande.

11.    Was machst du, wenn du nicht schreibst?

– Lesen. Ich war schon als lütten Erik eine Leseratte, das hat sich bis heute nicht geändert. Ich gehe gern im Stadtpark spazieren, träume oben auf der Plattform des Planetariums herum, wegen der wunderbaren Aussicht auf Hamburg oder ich jogge, paddel mit dem Kanu durch die Kanäle oder über die Alster. Ich sehe mir auch gerne Kunst an, denn die liebe ich. Also lauter Dinge, die wiederum nur zu einem Punkt führen – zu meinem Schreibtisch. 🙂

12.    Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?

– Schon meine Aufsätze in der Schule waren berüchtigt und gefürchtet, denn sie waren schon damals oft düster. Aber der alles verändernde Funke kam, als ich begann, Musik zu machen. Sänger und Texter war ich in einer Band, die damals Indie-Rock gemacht hat. Da fing ich Feuer. Es dauerte zwar noch eine ganze Zeit, bis der Sprung zum Roman kam, aber dort liegt die Glut vergraben, die bis heute durch meine Finger kribbelt.

13.    Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?

– Was ich daran liebe? Alles! Was ich nicht so sehr mag? Fast genauso viel. 🙂 Es ist immer ein Kampf, will ich damit sagen. Manchmal lächelt man dabei, manchmal ist man müde davon.

14.    Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?

– Mittlerweile haben sich alle daran gewöhnt. Meine Mutter zweifelt zuweilen an meinem Gemütszustand, wenn sie mich fragt, wieso meine Figuren nur immer so leiden müssen oder woher der ganze Wust in meinem Kopf nur herkommen mag. Am dichtesten dran ist meine Freundin und die hat mich so kennen und lieben gelernt. Also alles im Lot, würde ich sagen. 🙂

15.    Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)

– In der letzten Zeit lese ich hauptsächlich Fantasy. Aber ich habe auch gern Krimis und Thriller verschlungen. Jugendbücher sind auch dabei und natürlich ist alles spannend, was ich für die Recherche benötige. Es ist immer eine kleine Reise, die man antritt und viel zu schnell (im besten Fall) wieder vorüber ist.

16.    Wenn du ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)

– Die beiden sind nicht mehr trennbar. Das waren sie, glaube ich, noch nie. Ich habe immer schon mit einem Autorenauge gelesen, unwillkürlich zwar, aber es war bestimmt mit an Bord. 🙂 Heute geht es gar nicht mehr ohne. Manchmal ist das hinderlich, aber leider nicht zu ändern.

17.    Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?

– Oh je, da gibt es eine ganze Flotille von Büchern. „Panem“ hätte ich gern verfasst. „20.000 Meilen unter dem Meer“. „Kriegsklingen“ von Joe Abercrombie oder so einen Klassiker wie „Der Medicus“. Es gibt eine ganze Menge Geschichten, wo ich sage: Verdammich, wieso bin ich nicht darauf gekommen! 🙂

18.    Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?

– Ich freu mich immer, wenn ich mit meinen Geschichten Leser verzaubern konnte. Eine Metapher hat mich neulich sehr zum Schmunzeln gebracht. Eine Bloggerin verglich meine Bücher mit süchtig machender Schokolade, das fand ich cool. Kritik hingegen ist jedoch ebenso subjektiv. Geärgert hat es mich bisher nur, wenn es keine Kritik, sondern schlicht Lästern war. Auch das kommt vor.

19.    Was wird dein nächstes Projekt?

– Ich schreibe gerade „Nimmerherz 2 – Das Ende aller Pfade“. Damit wird auch die Legende abgeschlossen. Und ich werde TEOS 3 beenden – „Das Lied von Feuer & Verrat“. Beide Bücher sollten dann im Frühling herauskommen. Zudem habe ich eine Projektidee mit einer geschätzten Kollegin. Mal sehen, was daraus entstehen wird.

20.    Wo findet man dich im Internet?

– Auf Facebook: https://www.facebook.com/erikkellen.de Und auf meiner HP: https://www.erik-kellen.de

Vielen Dank für die spannenden Antworten, Erik.
Dir und allen Lesern wünschen wir ein gesundes erfolgreiches und glückliches neues Jahr.

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.