Das hier ist die Q-Page, die Qindie-Homepage – Qindie = Qualität + Independent. Qualität muss man niemandem erklären. Jedenfalls vom Wort her nicht. Bei „Indie“ liegt die Sache schon etwas anders.
Unter den „normalen“ Lesern gibt es zahlreiche, die mit diesem Begriff nichts anfangen können.
So setze ich mich also hin, versuche mich an einer Begriffsklärung, baue auch einige rhetorische Fragen mit ein … Und stelle am Schluss fest, dass ich das Teil mit Schwung in die Tonne kloppen kann.
Okay, irgendetwas stimmt nicht.
Hier fehlt der glühende Himmel, hier fehlen die weiten Ebenen ringsum, hier fehlen die von Horizont zu Horizont streifenden Litotes-Herden.
Also, weg mit dem Stehkragen, weg mit den Bügelfalten in der Hose und den geflochtenen Hut mit der weiten Krempe aufgesetzt.
Licht bitte! Hintergrund. Windmaschine.
Los geht’s.
Herzlich willkommen, Damen und Herren, Jungs und Mädels, Dudes und Dudesses zu der Frage:
Was ist ein Indie?
Das wird hier keine schlüssige Definition, die man sich hübsch in einem Rahmen aufhängen kann, sondern eine ganz persönliche Betrachtung dazu, wie ich das Indie-Bild verstehe.
Indie, das ist zunächst die Abkürzung von „independent“, was nichts anderes heißt als unabhängig. „Frei“ fällt mir da als nächstes ein.
Ein unabhängiger, freier Schriftsteller also. Worin liegt sie, diese Freiheit und Unabhängigkeit?
Ich entwickle mal vor euren Augen mein Bild.
Ein solcher Schriftsteller sucht sich frei und unabhängig seine Themen, entwickelt in gleicher Weise seine Stoffe, formt sie aus und bringt sie auf den letztgültigen Stand, dabei allein seine Verpflichtung gegenüber dem Leser im Blick. Und diese Verantwortung ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen beim Beruf eines Autors, eines professionellen Lügenspinners, der sich der Wahrheit verpflichtet hat. Er folgt von Buch zu Buch seinen Entwicklungslinien, seiner thematischen Spur, oder macht, wenn es ihm seine schriftstellerische Evolution nahelegt, auch einmal experimentelle Sprünge. Oder er schreibt einfach nach Lust und Laune. Wie auch immer.
Das ist ein Indie.
Wenn an diesem Punkt einige stutzen, so kann ich das gut verstehen. Aber wären dann, so mögen sie einwerfen, nicht auch solche Leute wie Virgina Woolf, Thomas Mann, Doris Lessing, Ernest Hemingway, Alfred Döblin und, und, und … (die Liste kann jeder nach Lesegeschmack und Gutdünken ergänzen) – wären die nicht ebenfalls Indies?
Ja, ich denke, sie waren das, bevor der Begriff Indie überhaupt erfunden werden musste.
Was die meisten wahrscheinlich ebenfalls stutzen lässt, ist, dass solche Schriftsteller früher ganz selbstverständlich auch mit Verlagen gearbeitet haben.
Für diese Autoren war der Verlag in erster Linie einmal ein Dienstleister. Er nahm sich des Textes an und machte für den Autor die Dinge, die dieser, aus welchen Gründen auch immer, nicht selbst tun konnte oder wollte. Mit dem Ziel, dass beide davon profitierten. Auf Augenhöhe.
Der Autor liefert den Text, der Verlag macht den Satz, ein schönes Cover, Layout, Korrektorat, Lektorat, Distribution.
Das ist in unserer Zeit nicht mehr unbedingt der Fall.
Es gibt heute, genauso wie zu jeder anderen Zeit, viele gute Menschen in Verlagen, die Bücher lieben und denen ihr Beruf – oder ihre Berufung – am Herzen liegt. Viele von ihnen stehen leider unter einem sehr hohen Druck. Oft geht es bei der Produktion von Büchern nicht mehr um das, was für sie den Kern des Ganzen ausmacht, was sie ursprünglich zu diesem Beruf gebracht hat.
Den wahren Entscheidungsträgern – zu solchen gemacht durch den Druck, den sie ausüben können – geht es nicht mehr um das Buch an sich. Es geht um Profit – was ja an sich nicht schlecht und für Autor und Verlag von beiderseitigem Interesse ist – oft im Zusammenhang mit der Gesamtpolitik großer Konzerne. Und auf dieser Ebene kommt es vor, dass Chirurgen mit Kreissägen agieren.
Der Autor, der Schriftsteller, hat sein altes Selbstverständnis, seine Rolle und Stellung verloren.
Oft erleben sich Schriftsteller dadurch als notwendige Handwerker, die nur noch Verlags- und Buchkonzepte ausführen. Sie füllen als Schreiber nur die Platzhalter dessen, was sich Verlage für ihr Bild des Publikums als Produkt wünschen.
Es musste erst die Self-Publishing-Revolution geschehen, damit die Frage nach Unabhängigkeit, nach Freiheit des Autors, erneut in einem neuen Licht aufgegriffen wurde. Doch zunächst einmal unter anderen Vorzeichen. Zunächst ging es um die Unabhängigkeit von einem Verlag … was hieß, dass man ohne Verlag agieren musste, um der Definition zu genügen.
Ich bin der Meinung, dass wir nicht bei dieser engen Definition des Begriffes verharren dürfen, wenn wir wirklich etwas für die Stellung des Autors tun wollen, wenn wir ihm wirklich die ihm inhärent eigene Freiheit und Unabhängigkeit zurückgeben wollen.
Für mich ist ein Indie ein Schriftsteller, der, wie anfangs beschrieben, frei und unabhängig seine Themen sucht und seine Stoffe entwickelt, seine Texte seinem schriftstellerischen Gewissen folgend auf den letztgültigen Stand bringt. Mit oder ohne Verlag.
Dazu gehören, wenn der Autor nicht alles für sich alleine machen will, zwei Seiten: der Autor und ein Verlag, der ihn so fair behandelt, dass der Autor das letzte Wort hat, was die Ausgestaltung seines Werkes betrifft. Zwei Seiten, die den alten Vertrag zwischen Autor und Verlag erfüllen – auf Augenhöhe miteinander.
Ein Schriftsteller, der so seinen Weg geht, frei, unabhängig – das ist für mich ein Indie.
Vielleicht, meine Damen und Herren, Jungs und Mädels, Dudes und Dudesses, kann Qindie ja auch hier in einer weiteren Auslegungen des Wortes als „Autorenkorrektiv“ seinen Beitrag leisten.*
Eine Definition mit einer gehörigen Portion Idealismus.
Ein Idealismus, den ich den Verlagen nicht abstreiten würde. Auch heute werden die Verlage weiterhin solchen Büchern Raum geben, werden sie Bücher veröffentlichen, weil es ihnen eine Herzensangelegnheit ist. Sie haben natürlich ihren finanziellen Rahmen, dem sie genügen müssen, der ihre Möglichkeiten begrenzt.
Für den Autor, den Du beschreibst, der wahrhaftig schreibt, der schreibt, weil es gar nicht anders geht, wird es sehr viel schwieriger als früher sein, zu einer Veröffentlichung zu kommen. Einfach weil es so viel mehr ‚Autoren‘ gibt als früher. Die in Wirklichkeit nur zu einem geringen Teil aus Autoren bestehen und zu einem großen Teil aus talentfreien Schreibkursteilnehmern, Therapieschreibern und Menschen, die einfach nur Schreiben, weil man das auch einmal im Leben gemacht haben muss oder es Spass macht (Ich nenne sie gerne in Abgrenzung zu Autoren Schreiber und zähle mich übrigens selbst dazu, nur veröffentliche ich nicht 😉 ).
Ich vermute dennoch, es gibt ihn nach wie vor, den Verlag, der den Autor auf Augenhöhe behandelt. Und nach wie vor, wird es den Menschen in den Verlagen eine Herzensangelegenheit sein, die Bücher zu veröffentlichen, in die sie sich verlieben. Aber ein Verlag wird für den Autor wegen der Masse der Schreiber, die Verlage mit ihren Einsendungen zuschütten, ungleich schwieriger zu finden sein, als früher.
Die Frage, die letztendlich dahintersteckt ist ja: Würde ein Hemingway, ein Thomas Mann durch den heutigen Filter der Verlage durchkommen, würde er erkannt werden? Ich vermute: Ja. Und ich vermute, dass die Qualität nach wie vor auch heute erkannt wird und der Autor entsprechend auf Augenhöhe vom Verlag behandelt wird.
Ich habe einiges an Indies gelesen, seitdem ich einen EBook-Reader habe. Bei den Qindies leider bisher sehr wenig, was ich nachholen werde.
Ich lese gerade zum wiederholten Mal Dein Hyperdrive und ja, das ist aus meiner Sicht definitiv ein Buch mit einer Augenhöhe, die einem Verlag eine Herzensangelegenheit wert sein sollte.
Nur: Es ist ScienceFiction und ScienceFiction scheint mir für Verlage in Deutschland apriori keine Herzensangelegenheit zu sein.
In diesem Sinne sehe ich Dich, Hyperdrive und auch Ninragon eben als Sonderfall. Hohe literarische Qualität in einem (ich entschuldige mich, es auszusprechen, aber in Deutschland ist es leider so) Genre in dem die Verlage Schund wollen und suchen. In einem Genre in dem wahrhaftige Qualität aussortiert wird, eben genau deswegen durch den Qualitätsfilter fallen wird, weil es Qualität hat. Weil der Verlag das Zielpublikum überfordert sieht. Und sieht man die wenigen qualitativ hochwertigen Ausnahmen, die in Deutschland herauskommen, damit (mit der Ausnahm von GoT) auch Recht bekommt.
In diesem Sinne und mit dieser Differenzierung gebe ich Dir Recht. Qualität scheint mir von Verlagen mit bestimmten Genres verbunden, nur in diesen scheint mir literarische, wahrhaftige Qualität tatsächlich erwünscht zu sein. D.h. deine Definition kann ich aus deiner Sicht absolut nachvollziehen. Genau genommen werden aber nur wenige Autoren diese Definition in dieser Wahrhaftigkeit erfüllen. Gerade im Selfpublisher-Bereich.
In diesem Sinne halte ich Qindie für wichtig. Hier sehe ich Bücher, bei denen ich, ohne sie gelesen zu haben, den Eindruck habe, dass sie genau durch diesen Qualitätsfilter gefallen sind, weil sie, wie Hyperdrive und Ninragon zu gut sind für das vom Verlag anvisierte Zielpublikum. Susannes Projekt Armageddon scheint mir ein Beispiel zu sein, genauso wie Simone Keils Corvidae. Beide habe ich noch nicht gelesen, werde ich aber.
Den Begriff »Indie« kennen wir schon ein gutes Jahrzehnt lang aus der Musikszene. Dort kam die technische Revolution früher an als im Verlagswesen. »Indie« bedeutet für Musiker schlicht und einfach, nicht bei den Majors gelabelt zu sein und aus diesem schlichten Grunde eigene Wege gehen zu müssen, um ein Publikum zu finden. So ist es auch in der Buchwelt, wobei ich den Begriff durchaus auch auf die Berufsgruppe der Verleger erweitern würde. Auch dort gibt es viele, die sich als »independent« verstehen und eigene Wege gehen.