Qindie-Challenge: Aufwach-Szenen

Und hier, mit einem Kampfgewicht von 387.511 Anschlägen, der Bezwinger der Synthax, Wordinizer von Klängen und Rhythmen, Behauser der Jugend, Flooooooorian Tietgen!

 

»Was ist los?«, fragte ich.

»Nichts«, antwortete er, und als hätte ich ihn aus einer Absence gerissen, nahm er die Bewegung wieder auf, wurde wieder weich und anschmiegsam, bis ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.

So tief, dass ich es nicht mitbekam, als Darius seinen Rucksack packte, sein Bett abzog und die Wäsche neben der Tür auf den Fußboden warf. So tief, dass ich die Schritte die Holztreppe hinab nicht hörte, die Geräusche, die beim Anfeuern des Ofens durch den Kaminschaft drangen.

In Filmen sieht man oft Szenen, in denen die Frau noch im Halbschlaf mit der Hand nach ihrem Partner langt, ohne hinzusehen. Die Hand wuselt über das Laken, tastet irgendwo im Vertrauten und reicht erst langsam die Information über die Leere ans Gehirn weiter: etwas fehlt.

Damals tastete ich nirgends. Das Sonnenlicht war schon weit ins Zimmer gedrungen, als ich erwachte, ich drehte mich langsam um, spürte die Wärme, die durch den Schornstein kam, und reckte mich in der Gewissheit, Darius wäre schon aufgestanden und hätte uns Feuer, Kaffee und Frühstück gemacht. Ich zog mich an, tappte die Treppe nach unten, ohne den Bettbezug auf dem Fußboden zu sehen.

Auf einem Tisch in der Gaststube standen Brot, Butter und Marmelade, eine Kaffeetasse, Geschirr und Besteck. Die Kaffeekanne fand ich in der Küche auf dem Herd. Von Darius keine Spur. Weder im Keller unter der Küche noch im Bad, weder in den Gästezimmern noch draußen fand ich ihn. Ich lief durchs ganze Haus, zog mir Schuhe an, blinzelte in die Sonne, die an diesem Donnerstag schien, und stapfte orientierungslos über den noch gefrorenen Boden. Wo sollte ich ihn suchen? Er war weg. Zwar hoffte ich, er wäre vielleicht nur in den Ort gelaufen, um etwas einzukaufen, aber ich war sicher, er würde nicht wiederkommen, auch wenn ich nicht wusste, warum.

Florian Tietgen: Haus der Jugend

 

Qindie_Challenge_LogoChallenge-Time bei Qindie! Q-Autoren senden auf Zuruf zu einem Stichwort eine Textstelle ein.
Eine Woche lang. 1 Stichwort – 7 Texte.
Das Stichwort: Aufwach-Szene
Am nächsten Sonntag verschenken wir 3 Buchpakete (wahlweise als Mobi oder ePub), in denen alle Bücher enthalten sind, aus denen die Texte stammen, an diejenigen, die bis dahin die lustigsten/schrägsten/originellsten Kommentare zu den Texten hinterlassen.

Teilnahmebedingungen

 

Alle Aufwach-Texte können noch bis heute Nacht um 23.59 Uhr kommentiert werden.

 

3 Replies to “Qindie-Challenge: Aufwach-Szenen”

  1. Monja Freeman

    Oh keine schöne Situation, so allein und verlassen aufzuwachen! Das hat sich das Mädel bestimmt anders vorgestllt, wie man ja auch lesen kann! Ich würde gerne wissen wollen, warum Darius gegangen ist!
    Was ist hier vorgefallen?

  2. Sabine

    Wieso Mädel? Geht es hier um eine Frau? Ich dachte, es wäre ein Mann, der da aufgewacht ist.
    Insgesamt sehr stimmungsvoll, obwohl beinahe lakonisch erzählt.

  3. Ines

    Das klingt alles so ruhig und entspannt, so vertraut und sicher. Und irgendwie steht die Stimmung im Gegensatz zu seiner/ihrer Erkenntnis am Ende dieser Szene, dass ich mich frage, ob die beiden überhaupt eine richtige Beziehung oder nur ein paar romantische Tage hinter sich haben. Er/Sie scheint ja schon jeden Tag damit gerechnet zu haben.
    Anfangs dachte ich „Ich“ wäre ein Mann, aber jetzt vermute ich doch, „Ich“ soll eine Frau sein, „auch wenn ich nicht weiß, warum“ (vielleicht wegen des Gasthauses?).