Qindie-Buch des Monats Februar 2014
In einem schneelosen Winter, der kein Ende nehmen will, dessen Tage nicht länger und Nächte nicht kürzer werden, sondern zu einem einzigen Grau verschmelzen, verwischen sich manchmal auch andere Grenzen.
Patrik lebt in einer verlassenen Fabrik, zusammen mit 9 Kindern. Sie tauchten eines Tages, als er glaubte im Sterben zu liegen, bei ihm auf und blieben. Woher sie kamen, weiß er nicht, sie beantworten nie Fragen. Die 9 Kinder und eine verrückte Obdachlose versorgen den im Rollstuhl sitzenden Mann, bis das geschieht, was Patrik immer befürchtete: Eines der Kinder verschwindet. Die restlichen Mädchen, sich so ähnlich wie Spiegelbilder, versuchen es zu verheimlichen.
Viktor Winter, ein renommierter Wissenschaftler, findet eines Morgens eine Kinderleiche in seinem Büro. Sie erinnert ihn mit Erschrecken daran, dass es einmal 9 Mädchen gab, die ihm ihre Existenz … und ihren Tod zu verdanken hatten.
Ein Schatten erwacht. Er ist eine Gestalt des kollektiven Unterbewusstseins, er ist der Rattenfänger, der Wanderer, der Schwarze Mann und er ist auf der Suche nach den Kindern.
Wie bei einem fehlerhaftem Programm, das seinen Zweck schon lange verloren hat, „programmiert“ sich die Wirklichkeit in der Nähe des Schattens um. Die Grenzen zwischen „Real“ und „Märchen“ werden neu gezogen.
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Die Autorin über die Entstehung des Romans
Der surreale Roman „Rattenauge“ ist wahrlich kein Schnellschuss. Die erste Fassung entstand bereits 1991 ein Teil meines Diploms in der Studienrichtung „Visuelle Kommunikation“.
Als Diplomthema hatte ich mir „experimentelle Typografie“ ausgesucht. Um die Besonderheiten der zwei Erzählebenen des Romans – die Handlung in der realen Welt und die Sagen- und Märcheneinschübe – zu betonen, erfuhren die Märchenpassagen eine spezielle typografische Behandlung. Sie sollten wie Sätze sein, die man im Halbschlaf ins Ohr geflüstert bekommt, ein An- und Abschwellen von Worten, deren Klang im Schlaf widerhallt, bevor man ihren Sinn erfasst.
Den Umschlag habe ich in der Buchbinderwerkstatt der Universität selbst hergestellt und er war auch ein haptisches Erlebnis. Das Leinen des Einbandes bestrich ich ungleichmäßig mit Klebstoff und streute Sand darauf. Nach dem Trocknen folgte die Lackierung und anschließend wurde im Siebdruckverfahren der Titel aufgedruckt.
Die anderen Arbeiten der Diplomprüfung waren Objekte, in denen ich Gedichte verarbeite, wie „der blaue Mann“, eine grobschlächtige, lebensgroße Figur, aus Maschendraht und Pappmaché, in dessen Inneren das Gedicht „Manchmal glaube ich zu steh’n, auf einem tristen Land. Nur Leere ist zu sehn und alles scheint verbrannt. Es hängt an toten Zweigen, kalt und grau die Zeit, und aus den Nebeln steigen, nur Tod und Schmerz und Leid.“ zu lesen war.
„Rattenauge“ wurde danach etliche Male umgeschrieben, zum einen, weil die Protagonisten Telefonzellen benutzten, was sich mittlerweile selbst überlebt hatte. Es fielen auch etliche sehr surreale und abgedrehte Szenen dem Korrekturstift zum Opfer.
Weitere Infos unter: https://jspieweg.de/rattenauge
Nichts ist wie es scheint. Alles ist Trug außer dem Märchenhaften. Dieses Buch entführt den Leser in eine surreale Welt, die ihre Geheimnisse nur nach und nach preisgibt und selbst das nicht völlig. Sicherlich wird der eine oder andere die Handlung zu verwirrend, zu komplex finden, aber wer die Strugatzkys (Schnecke am Hang, Die gierigen Dinge des Jahrhunderts, Maxim-Kammerer-Trilogie) geliebt hat, wird hier belohnt.
Am Ende scheint es, als sei Irina die Einzige, die durchsieht, die die Welt von Beginn an verstanden hat, obwohl sie doch offensichtlich halluziniert. Oder halluziniert die Welt? Ja, Patrick ist ein Spinner, denn er hält die Fäden in der Hand …
Patrik sitzt im Rollstuhl und lebt in einer verlassenen Fabrik. Bei ihm sind 9 Mädchen, die sich ähneln wie Spiegelbilder und eines Tages einfach auftauchten. Er weiß nicht, woher sie kamen und fürchtet den Tag, an dem sie ihm weggenommen werden. Als eins der Kinder verschwindet, versuchen die restlichen Mädchen, es vor ihm zu verheimlichen.
Der Wissenschaftler Viktor Winter findet in seinem Büro eine Kinderleiche, welche ihn an 9 Mädchen erinnert, die ihm ihre Existenz aber auch ihren Tod zu verdanken hatten.
An dieser Geschichte hat mir als erstes die dichte und wechselhafte Atmosphäre gefallen, die mich auf eine leise Art fasziniert hat. Die Sprache ist manchmal poetisch und transportiert viele Dinge. Bilder, Gefühle, Stimmungen. Auf eine ganz eigene Art und Weise, sehr intensiv.
Es gibt unzählige Realitäten, die sich verändern und überschneiden. In diesem Ausmaß war das eine neue Erfahrung für mich, sowohl von der Anzahl als auch den unterschiedlichsten Sichtweisen her. Eine Erfahrung, die mir sehr gefallen hat, auch weil mein Kopf schön beschäftigt war und ich einfach in ganz unterschiedliche Richtungen denken konnte.
Wo es so viele verschiedene Realitäten gibt, sind natürlich auch einige Figuren zu finden. Anfangs musste ich da schon ein wenig aufpassen, um auch alle zuordnen zu können. Aber da jede ihre ganz eigene Geschichte, individuelle Gedanken und Gefühle hatte, klappte das recht gut. Da gab es zu jeder Figur eine Verbindung, keine war mir gleichgültig.
Später wechselt die Erzählperspektive dann auch öfter mal absatzweise, womit sicher nicht jeder klar kommt. Mir hat gefallen, dass dem Leser dort auch etwas zugetraut wird – und es hat Spaß gemacht, die Perspektiven so „ungeordnet“ zu wechseln und manche Szenen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erleben.
In dem Roman gibt es auch viele Verbindungen und Hinweise auf Märchen. Die eingestreuten Märchen-Aspekte sind ein fester Bestandteil und tragen zum besonderen Charme dieser Geschichte bei. Dabei geht es nicht nur um den Rattenfänger, der auf der Suche nach den Kindern ist. Es geht um viele Märchen und jeder entdeckt da wohl ganz unterschiedliche Hinweise. Auch aus der nordischen Mythologie taucht eine Figur auf, diese war mir zwar etwas zu weit weg, aber ich habe die Andeutungen doch sehr genossen.
Im Verlauf der Geschichte fragt man sich immer öfter, was real und was Einbildung, Wahn oder Märchen ist. Die Grenzen verschwimmen, alles verbindet sich und wird miteinander verwoben, um es später wieder zu trennen. Das Ende kam für mich gefühlt plötzlich, aber nachdem sich mein Kopf eingeschaltet hatte und etwas sortiert hat, wirkt es auf mich dann doch rund. Nur wegen einer Figur grübele ich noch etwas…
„Rattenauge“ ist sicherlich keine Geschichte für jeden, aber alle, die tiefe Geschichten mit verschiedensten Realitäten, Märchenmotiven und einem gewissen Anspruch mögen, sollten es sich auf keinen Fall entgehen lassen! Ein spannender phantastischer Roman, der mich nicht nur fasziniert sondern auch noch länger beschäftigt hat.
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