Sowohl als Rezensentin als auch als Autorin haben wir Kari Lessir schon qinterviewt. Nun gibt es in diesem Jahr gleich zwei Neuerscheinungen von ihr, die ein drittes Qinterview spannend machen. Und da sie QindianerIn der ersten Stunde ist, lässt sich an ihren Büchern und Antworten auch die Entwicklung des Selfpublishing gut beobachten.
Aber lest selbst:
1. Hallo Kari, schön, dich mal wieder zu interviewen, wer du bist, musst du glaube ich nicht mehr erzählen, oder?
Weiß jeder, dass Kari Lessír seit knapp fünfzehn Jahren als überzeugte Selfpublisherin unterwegs ist? Seit fünf Jahren mache ich das sogar hauptberuflich, und es macht genauso viel Spaß wie am ersten Tag. Tendenz steigend.
2. Gleich zwei Bücher erblicken von dir gerade das Licht der Welt, worum geht es darin?
Meine Zwillingsbabys haben genau zwei Monate Abstand: 17. April und 17. Juni. Sie sind also zweieiig, sprich: sie sind komplett unabhängig voneinander.
„Träume, die im Regen splittern“ ist eine Sammlung von Kurzgeschichten und Erzählungen aus den Jahren 2003 bis 2012, in der die Leser*innen meine Entwicklung als Autorin nachverfolgen können. Die Texte sind breit gestreut, ebenso die Textstile. Neben echten Kurzgeschichten gibt es Märchen, Metaphern und Erzählungen.
„Plus Size für die Liebe“, das Buch das am 17. Juni erscheint, ist der dritte Band der spirituellen Seelenreise-Reihe, in der ich das Thema „Liebe“ mit Spiritualität verbinde. Jeder Band ist einer anderen Hauptfigur und damit einem anderen Themenkomplex gewidmet.
3. Fitnessstudio und Gewichtsproblem kommen mir aus dem ersten Teil der Reihe bekannt vor. Möchtest du einen Anknüpfungspunkt für die Leser schaffen?
Genau das ist der Anknüpfungspunkt: Im ersten Band („Wunschträume“) war Mia, die Hauptfigur des dritten Bandes, bereits als Nebenfigur präsent. Ihr ständiges Auf-Diät-Sein kam bereits im Buch vor, allerdings eher als Hintergrundrauschen, ohne dass ich näher darauf eingegangen bin. Schließlich habe ich die Geschichte aus der Perspektive ihrer besten Freundin Christiane erzählt. Und die hatte damals andere Probleme, nämlich ihre verunglückten Männerwünsche ans Universum.
4. Begegnen wir denn auch Patrick und Christiane wieder?
Selbstverständlich. Im zweiten Band („Liebe auf Schamanisch“) habe ich die Beziehung der beiden sowie Patricks Entwicklung weitererzählt. Jetzt im dritten Band sind Patrick und Christiane wirklich zu einem Paar zusammengewachsen, das miteinander seinen Lebensweg gestaltet. Sie haben also eine partnerschaftliche Ebene gefunden, auf deren Basis sie ihren Lebensweg und ihre gemeinsame Lebensaufgabe aufbauen. Etwa ein Viertel des neuen Romans ist Patrick und Christiane gewidmet.
5. Der Titel des dritten Teils erscheint mir für einen spirituellen Roman sprachlich recht hart. Ist das Absicht?
Ja. Wer die Vorgängerbände gelesen hat, weiß, dass Mia, die aktuelle Hauptfigur, nichts mit Engeln, Gott und Spiritualität anfangen kann. Sie toleriert das als Spleen ihrer besten Freundin. Ihr Thema ist ein anderes: nämlich „Ich bin zu dick.“ Diesem Roman liegt also ein ganz anderer Ansatz zugrunde, der letztlich zur Auseinandersetzung mit spirituellen Themen führt. Darauf ist die Sprache des Buches und der Titel ausgerichtet. Außerdem sollen Titel und Cover gleich zeigen, worum es geht.
6. Den Titel der Kurzgeschichtensammlung hingegen finde ich trotz der Splitter sehr zart und zerbrechlich. Sind die Geschichten ähnlich?
Gut beobachtet. Viele der Figuren in den Texten stehen an einem Scheideweg. Es geht um ein inneres Zerbrechen. Schaffen sie den Absprung – oder gehen sie unter? In kurzen Texten lassen sich solche Themen sehr schön durchspielen, dabei mal in die eine, mal in die andere Richtung schwingen. Das hat für mich den Reiz ausgemacht.
7. Erzähle ein bisschen von ihnen, sind es Beobachtungen aus deinem Alltag?
Auch da hast du wieder vollkommen recht. Während meine Romane keine (bewusste) Nähe zu mir und meinem Leben haben, greife ich in der Kurzgeschichten-Sammlung persönliche Themen und Erfahrungen auf. Es sind mitunter Erkenntnisse, die ich durch die psychologische und therapeutische Arbeit an mir selbst gewonnen habe. Dabei wird auch ein ganz entscheidender Punkt deutlich: Das Bearbeiten und Abschließen der Themen lag jeweils vor dem Schreiben der Geschichten. Ich persönlich halte nämlich nichts davon, meine Leser*innen mit meinen Problemen zu traktieren; die vertraue ich höchstens meinem Tagebuch oder meiner Therapeutin an. Wenn ich durch einen Prozess durch bin, dann kann ich darüber schreiben und Emotionen lebendig werden lassen.
Du willst ein Beispiel? Nun, es kommen Verlust eines Kindes, Weiterleben nach dem KZ, Stalking, Burnout und vieles mehr in dem Büchlein vor.
8. Würde sonst nicht auch dem Leser am Ende der Grund fehlen, warum eine Geschichte überhaupt erzählt wird?
Natürlich. Im Idealfall schon. Nur manchmal gerate ich selbst beim Lesen an Bücher, in denen ich zur Therapeutin oder zum „Seelenmülleimer“ des/der Autor/in werde – und das löst bei mir Unmut aus. Meistens gepaart mit vorzeitigem Löschen des Buchs vom eBook-Reader, und das möchte ich als Autorin vermeiden.
9. Hast du daran gedacht, die Bücher oder eines davon einem Verlag anzubieten?
Kurz und knapp: nein. Ich liebe die Vielfalt meiner Arbeit als Selfpublisherin, was vielleicht daher rühren mag, dass ich zwanzig Jahre lang in einem Verlag als Redakteurin, Herstellerin und im Lektorat gearbeitet habe.
10. Was hat sich aus deiner Sicht seit unserem letzten Qinterview für Selfpublisher geändert?
Die Akzeptanz für Selfpublisher ist wesentlich größer geworden. Wir sind nicht mehr die Schmuddelkinder und die nichtveröffentlichten, weil schlechten Autoren, die bei keinem Verlag untergekommen sind. Bullshit. Es gibt großartige Literatur von Selfpublishern. Natürlich auch Schrott, aber den verlegen auch mal Verlage. Lediglich der Weg in den Buchhandel ist uns noch – relativ – versperrt, aber daran wird ja gerade gearbeitet. Stichwort „Deutscher Selfpublishing-Preis“.
11. Was wünscht du dir für die Zukunft des Selfpublishings?
Als nächsten Schritt die Akzeptanz durch den Buchhandel – für gute selbstverlegte Bücher. Wir mit Qindie versuchen ja dafür einen Qualitätsstandard zu setzen. Vielleicht lässt sich das in irgendeiner Form verbinden. Ich träume jetzt mal: Ein Buch mit dem Q auf dem Cover wird ohne Diskussion in jeder Buchhandlung präsentiert und verkauft. Mit einem solchen Buch werde ich als Autorin wahrgenommen und akzeptiert. Und man veranstaltet auch mit mir Lesungen, so wie mit jedem guten Autor, der zufällig einen Verlag im Rücken hat.
12. Du engagierst dich neben deinem Engagement bei Qindie auch im Autorinnenclub und bei ver .di. Was hat dich dazu bewogen?
Gerade als SelfpublisherIn, ohne die Macht und das Geld eines Verlags im Rücken, geht es nur gemeinsam. Deswegen habe ich mich gleich nach der Gründung Qindie angeschlossen und bin ver.di beigetreten, sobald sich die Rheinland-Pfälzer Landesgruppe mit Michael Landgraf für Selfpublisher*innen geöffnet hat. Ich finde es enorm wichtig, dass wir Autoren*innen uns als das betrachten und wertschätzen, was wir sind: Künstler des Wortes, und uns KEINE KNÜPPEL zwischen die Beine werfen. Wir haben alle ein gemeinsames Ziel: unsere Leser*innen zu unterhalten. Und davon gibt es für alle von uns genügend.
Damit ist auch meine Motivation erklärt, den (Ende letzten Jahres neugegründeten) Autorinnenclub im dreiköpfigen Kernteam mitzugestalten. Dort geht es um Frauen, die Bücher schreiben. Gute Bücher, unabhängig vom Genre. Wir unterstützen uns gegenseitig, geben Tipps, helfen mit unserem breiten Wissen und präsentieren auch die anderen auf Messen und bei Lesungen. Bei uns gibt es ebenfalls Verlagsautoren und Selfpublisher. Gemeinsam, statt einsam. Das ist das Zauberwort für mich.
13. Was wird dein nächstes Projekt?
Ich habe auf meinem Herd vier Herdplatten mit vier Töpfen. Manche Speisen sind bereits gar, andere gerade erst aufgekocht, wieder andere noch roh auf dem Schneidbrett. Was das heißt? Ich habe vier Projekte. Eines davon ist fertig in der Schublade, drei andere sind in verschiedenen Bearbeitungsphasen in Kopf und Computer. Das nächste wird definitiv der Abschluss der Seelenreise-Reihe sein, um mich Neuem widmen zu können. Im dritten Band „Plus Size für die Liebe“ wird ein Aspekt angerissen und nicht aufgeklärt; das geschieht in einer abschließenden Novelle mit ca. achtzig Seiten Umfang.
14. Wo findet man dich im Internet?
Vertreten bin ich auf vielen Plattformen, wirklich aktiv bin ich aber eigentlich nur bei Facebook, Instagram und Twitter. Und natürlich auf meinem Blog, der zu allen Social Media-Kanälen verlinkt.
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