Von Bayern, Exzentrikern und Musik: Mathias Petry im Qinterview

Qinterview 3»Ein Exzentriker ist eine Person, die deutlich von der sozialen Norm abweicht«,  lernen wir bei Wikipedia und weiter steht dort: »Die Andersartigkeit von Exzentrikern wurde früher in der europäischen Medizin durch die Humoralpathologie auf eine Fehlfunktion der Milz, griechisch splen, zurückgeführt, daher das Wort Spleen.«
Wenn unser heutiger Qinterviewpartner also bemerkt, dass seine urbayerischen Bücher sich ausgerechnet in good old England gut verkaufen, könnte es damit zu tun haben, dass hier wie dort der Exzentriker die Norm ist, nicht die Abweichung.
Liebevoll karikiert Mathias Petry die Menschen seiner Wahlheimat in ihrem Alltag und den zuweilen kriminellen Auswüchsen. Obgleich er dem Wort »karikieren« sicher widersprechen würde. Aber lest selbst, was er uns bei der Beantwortung der Fragen erzählt:

1.    Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?
Hallo. Ich bin jemand, der unheimlich gern schreibt. Genau genommen kann ich gar nicht anders. Ich schreibe als Journalist von Berufs wegen, und nach Feierabend schreibe ich auch. Und im Urlaub. Eigentlich immer. Ich bin ziemlich sicher, dass mir der Kopf platzen würde, wenn ich mich nicht regelmäßig sich aufstauender Wörter entledigte. Obwohl ich  – hallo, liebe Gender-Experten, bitte wettern sie jetzt  – definitiv ein Mann bin und es ja angeblich die Frauen sein sollen, die abends noch zu viele Wörter übrig haben. Komisch, komisch, das. Ich veröffentliche schon so lang wie ich schreibe, mal in Verlagen, mal so. Aktuell sind zwei Romane self-published, „Hudlhub – ein leicht kriminelles Heimatbuch“ und „Kainegg – ein ziemlich kriminelles Heimatbuch“. Sie heißen so, weil sie eben keine typischen Heimatkrimis sind, sondern kriminelle Heimatbücher.

2.    Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?
Ich wollte nicht warten, bis ein Verlag irgendwann mal zu Potte kommen.

3.    Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?
Macht Spaß, man lernte viele Leute kennen, und es geht ja auch was.

4.    Was findest du beim Self-Publishing problematisch?
Wie sollen die potenziellen Leser auf dein Buch stoßen? Wie können diejenigen, denen dein Buch gefallen könnte, es entdecken? Die Power der Verlage ist da schon enorm.

5.    Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?
Es tut sich ja schon was: Die Wahrnehmung der Self-Publisher ist heute eine andere als noch vor fünf Jahren, und das ist schön. Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass Self-Publisher möglichst professionell beim Satz, beim Lektorat, beim Korrektorat, bei der Grafik sind – damit der Leser, der Geld für ein Buch ausgibt, die Qualität bekommt, die er auch von Verlagen erwartet. Je weniger Ausreißer nach unten es gibt, umso größer ist die Chance, dass Self-Publisher noch mehr auf Augenhöhe mit Verlagsautoren gesehen werden.

6.    Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)
Ach, ich finde es spannend, mein Glück selbst in die Hand zu nehmen. Und die Reaktionen sind vielversprechend. Zum Beispiel habe ich Dutzende Hudlhub-Bücher, die ja in einem bayerischen Umfeld spielen, nach England verkauft. Offenbar leben dort entweder Bayern-Fans oder jede Menge ausgewandeter Bayern. Als Self-Publisher kriegt man solche Entwicklungen unmittelbar mit. Das ist doch witzig! Und spannend war auch, als Selbstverleger bei zwei Buchpreisen in die Endrunden zu kommen, zusammen mit Verlagsautoren: Hudlhub war in der Top 10 beim „The Beauty & the Book“-Award der Frankfurter Buchmesse 2015 und Top 3 beim Amazon-Autorenpreis „entdeckt“ 2015. Das ist doch toll!

7.    Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?
Sie stehen im Impressum und in den Credits. Das sind Leute, die ein Gefühl für Sprache und Dramaturgie haben, und die mir vor allem nicht nach dem Mund reden, sondern mir geradeheraus sagen, was sie in der Erstfassung gelangweilt oder genervt hat. Damit die Leser nach dem Umarbeiten sich hoffentlich eben nicht langweilen, sondern Spaß haben  und unterhalten werden. Beim Schreiben sieht man halt manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht – da ist das richtige Feedback auf dem Weg zu einem (hoffentlich) guten Buch Gold wert!

8.    Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)
Ich glaube, der Fan wird sich wundern, wenn er „Kainegg“ liest. Er ist drin!

9.    Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)
Allerdings. Ein Skandal ist das! Da haben manche die Frechheit, ein Eigenleben zu entwickeln. Heute ist ja wohl gar nichts mehr heilig! Nicht einmal die Figuren, die man selber erfindet. Aber im Ernst: Bei mir ist es eh so, dass ich mir beim Tippen selber zusehe und mitlese, was meine Finger da machen. Octavio Paz hat das mal gesagt, glaube ich:  „Wer ist es, der da schreibt, wenn ich schreibe?“

10.    Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?
Er wurde bereichert.

11.    Was machst du, wenn du nicht schreibst?
Wie. Ich verstehe die Frage nicht. Okay, es gibt natürlich schon Zeiten, in denen ich nicht schreibe. Da bin ich dann mit meiner Familie zusammen – oder ich schreibe Musik. Auch eine große Leidenschaft. Hoppla, schon wieder schreiben. Manchmal spiele ich auch Musik.

12.    Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?
Ich war als Schüler im örtlichen Fotoclub, und eines Tages fragte die örtliche Lokalzeitung an, ob es bei uns nicht Leute gibt, die ab und an mal ein Foto für die Zeitung machen wollen. Ich wollte. Dann fragten sie, ob ich ab und an mal was schreiben würde. Hab ich gemacht. Später ging es darum, was ich beruflich mache. Ich bin dann beim Schreiben geblieben. Und ab und zu habe ich Lust, nicht nur journalistische Texte zu schreiben, sondern auch mal was anderes.

13.    Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?
Es zu tun. Nicht immer genug Zeit zu haben, mag ich nicht so sehr.

14.    Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?
Schreibt zum Glück selbst. Demnächst erscheint ihr erstes (wundervolles) Kinderbuch: „Konrad Kleinmögel und die verlorenen Farben“.

15.    Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)
Kreativ soll es sein, manchmal auch mit einer Portion Irrsinn. Gerne mit einem leicht spöttischen Blick auf die Gesellschaft. Lieblingsautoren? Da fallen mir zunächst alte Meister ein. Die frühen John Irvings. Plenzdorf. Die großen Südamerikaner. Die bitterbösen Dürrenmatt-Schauspiele. Stefan Zweig, „Die Schachnovelle“. Zurzeit lese ich immer wieder politische, zeitgeschichtliche Bücher, aber auch – gut gemachtes – Humoriges, wie zum Beispiel Jörg Maurer.

16.    Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)
Als Berufsschreiber liest der Autor natürlich immer mit. Warum ist dieser Einstieg gewählt worden? Wie funktioniert der Cliffhanger? Warum hier der Rhythmuswechsel? Und so weiter. Das könnte ich nicht abschalten.

17.    Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?
Ich hätte gern alle sieben Bücher, die mir gerade gleichzeitig im Kopf herumschwirren, schon fertig getippt.

18.    Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?
Oh, das ist schon schön, wenn Leute sich mit dem, was man schreibt, auseinandersetzen. Und wenn sie sich ihrerseits die Zeit nehmen, sich hinzuhocken und ihre Gedanken dazu niederschreiben, dann ist das einfach großartig. Ich bin in der glücklichen Lage, sagen zu können, dass es da inzwischen einiges an positivem Feedback gibt. Wenn jemandem das, was ich schreibe, nicht gefällt, ist das völlig okay. Ich mag auch nicht jedes Buch, das ich lese. Manche fesseln mich, andere eben nicht, die aber bestimmt andere fesseln. Dankbar bin ich über Hinweise, die meine Texte voranbringen. Und das ist ja das Schöne am E-Book: Es ist nicht ganz so statisch. Da kann man ja auch nochmal nachbessern…

19.    Was wird dein nächstes Projekt?
Hudlhub, Band 3. Arbeitstitel: „Out of Hudlhub“

20.    Wo findet man dich im Internet?
www.hudlhub.de Oder bei Facebook.

Vielen Dank für die spannenden Antworten, Mathias

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.