Die Wirkung und Bedeutung des Buchcovers

von Hermann MarkauKolumne_allg_02

Ein Cover muss sein. Na klar! Das Buch hat ja einen Buchdeckel. Der kann nicht weiß bleiben. Der potentielle Leser und Käufer würde ja keinen Unterschied erkennen, wenn die Bücher in der Buchhandlung nebeneinander in den Regalen liegen. Man stelle sich das vor: Ein Laden, in dem alle angebotenen geleimten Papierstapel weiße Buchdeckel haben! Nein! Geht nicht. Geht gar nicht.

Aber wie ist es in diesem anderen Marktsegment, an das wir Indies unser Herz verloren haben, dem Bereich der E-Books? Muss das Buch da auch einen Buchdeckel haben?

Klare Antwort: Muss es. Wie langweilig wäre Amazon – wären all die anderen digitalen Buchläden – wenn nur weiße Seiten mit dem Titel des Buches gezeigt würden, höchstens in der Schriftart sich unterscheidend, in der der Titel geschrieben ist. E-Book ohne Cover? Geht nicht. Geht gar nicht.

Also: Klar! Ein Cover muss her. Aber jetzt die nächsten Fragen, die wichtigen Fragen: Welche Wirkung soll es haben? Wie soll es die Konkurrenz ausstechen? Kann der Autor das selbst managen oder machen? Müssen da „Profis“ ran? Wie muss es also aussehen? Welches sind die Kriterien für ein gutes Cover?

Ich glaube Folgendes:

Das Cover soll thematisch auf den Buchinhalt Bezug nehmen. Es gibt allerdings viele Beispiele, die diesen Bezug lediglich zu einem klitzekleinen Aspekt der Handlung herstellen und trotzdem gelungen sind.

Es gibt viele Beispiele, die diesen Bezug überhaupt nicht erkennen lassen und trotzdem gelungen sind.

Die Wirkung eines guten Covers ist im besten Fall die, dass der Käufer (Leser) allein schon seinetwegen das Buch kauft oder – wenn nach dem Lesen des Klappentextes oder der Leseprobe nur noch ein Zünglein an der Waage fehlt – den Ausschlag zum Kauf gibt.

Es versteht sich von selbst, dass eine gewisse Professionalität – was immer dieser Begriff auch beinhaltet – bei der Covererstellung vonnöten ist: Der Bildaufbau sollte ausgewogen sein, womöglich geometrische Gesetze berücksichtigen (Goldener Schnitt), der Titel gut lesbar, die Schrift nicht zu verspielt, die Farben ausgewogen. Klar! Und es schadet nicht, wenn das Motiv einen Hinweis auf das Genre des Buches liefert, also:

Bei Fantasy vorzugsweise blaugrüner Himmel, drohende Berge im Hintergrund, tosende Wolkenwelten, reitende, kämpfende, kraftstrotzende Recken oder überirdisch schöne Jungfrauen, die den Leser mit ihren stechenden Blicken hypnotisieren und zum Kauf animieren …

Bei Science Fiction: der Weltraum – wenn´s geht, auch vorzugsweise in blaugrün – mit Grafiken ferner Planeten und phantastischen Raumschiffen oder Weltraumhelden in ihren Raumanzügen und immer wieder gern auch der hypnotische Blick irgendeiner Figur, die aus dem Cover heraus den Leser anstarrt …

Bei Chick lit hauptsächlich rötlich und rosa gehaltener Hintergrund mit verspielter Schrift und oft scherenschnittartiger Darstellung einer Barbiepuppenfrau. Kommen Männer ins Spiel (Natürlich!), gern auch die fotorealistische Darstellung einer Umarmung und dann wieder mit dem bereits erwähnten Blick raus aus dem Cover hin zum Käufer …

Genug der Beispiele!

Der mit Abstand wichtigste Faktor, der die Wirkung des Buchcovers beeinflusst und damit also die Bedeutung desselben bestimmt, ist die Wahrnehmbarkeit des Buches, die Verfügbarkeit desselben. Indie-Autoren – vielleicht sogar die meisten Verlagsautoren – hängen bei Amazon an der Nadel. Bei jeder Gelegenheit werfen sie einen Blick auf den Bestsellerrang, diese süchtig machende Einrichtung des Buchriesen. Es gibt viele hundert Unterkategorien, die dem Schreiber wegen der Exotik dieser Abteilungen einen wesentlich höheren Rang vorgaukeln und ihn so bei der Stange halten aber keinen der Leser auch nur im Ansatz interessiert.

Die Wahrnehmbarkeit versinkt jenseits des Ranges 100 rasant im Unendlichen. Bevor man sich´s versieht, ist das Buch mit dem professionell und liebevoll gestalteten Cover in den Untiefen des E-Book-Urwalds verschwunden – und da ist es einerlei, ob auf Platz 6.890 oder 498.250. Niemand und nichts hilft dem Buch so ohne Weiteres wieder an die Oberfläche, schon gar nicht das professionell und liebevoll gestaltete Cover. Hier nämlich – und so beantwortet sich die Frage nach den Gestaltungsfaktoren und -kriterien – hat sich bei den Autoren und Covergestaltern der Trend zur Vereinheitlichung – zumindest innerhalb der Genregrenzen – dermaßen stark durchgesetzt, dass es praktisch keine Unterscheidbarkeit mehr gibt.

Mit anderen Worten: Ob das Buch gekauft wird oder nicht, hängt erst zuletzt vom Cover ab, denn es liegt ganz und gar jenseits der Wahrnehmbarkeitsgrenze. Allein die Charts (1 – 100) garantieren einen Verkaufserfolg. Und da ist die Gestaltung des Covers dann auch annähernd egal, weil wieder alle ähnlich aussehen. Was der Autor bestenfalls in die Wege leiten könnte, wäre eine Covergestaltung, die den Versuch unternähme, sich vom Einheitsbrei abzuheben. So könnte er immerhin der Hoffnung nachhängen, die Aufmerksamkeit des Käufers auf diese Weise zu erregen.

Von einigen Millionen E-Books, die bei Amazon gelistet werden, sind nur schätzungsweise 1 Tausendstel Promille auf dem Radar der Gruppe der Käufer. Der Rest käme – überspitzt ausgedrückt – mit einem weißen Buchdeckel aus.