Von Radioproduktionen, Erzählperspektiven und Schreibkursen – Diana Hillebrand im Qinterview

Qinterview 3Bei der Wahl zum ersten Partnerqinterview gab es ja Stimmgleichheit. Und deshalb bekommt ihr eines außer der Reihe.

In Deutschland war man lange der Überzeugung, einzig das Genie brächte den Autor hervor. Heute glaubt das zum Glück keiner mehr und Schreibschulen sind selbstverständlich geworden. Oder?

Diana Hillebrand von SCHREIBundWEISE hat weise Antworten geschrieben

 

 

1.    Wer bist du und was bietest du als Qindie-Partner an?

Mein Name ist Diana Hillebrand, ich bin Autorin und Dozentin für Kreatives Schreiben. Seit 2006 gebe ich Schreibkurse in meiner WortWerkstatt SCHREIBundWEISE in München. Wer möchte, packt sein Projekt einfach in einen Koffer und reist nach München. In meinen Seminaren geht es um das Praktische. Es wird getüftelt, diskutiert, gekürzt, manchmal gelitten, viel gelacht, verworfen und entworfen, vor allem geschrieben. Nebenbei findet man jede Menge toller Mitschreiber, viel Inspiration und an den Wochenenden gibt es ein Mittagsmenü und Getränke.

2.    Kann man Schreiben überhaupt lernen?

Ja, das ist die Frage aller Fragen. : Was ich sagen kann, ist, dass es nicht schadet, sich ein paar Dinge bewusst zu machen. Bewusst Perspektiven zu wählen, bewusst Dialoge zu schreiben, mit Absicht zu streichen, mit voller Wucht den Protagonisten die Klippe hinunter zu schubsen, mit Mühe hinterher zu klettern, um die Reste aufzukratzen. Manche Autoren wissen nicht um die vielen Möglichkeiten, die das Schreibhandwerk bietet. Ich bin selbst Autorin und mir hat es gutgetan, etwas darüber zu erfahren. Manchmal auch, um im Zweifel alle „Regeln“ über Bord zu werfen und es absichtlich und ganz bewusst anders zu machen. Es gibt so viele Spielarten, so viele Überraschungen beim Schreiben. Einiges davon kann man lernen, anderes entwickelt sich aus der Übung. Das Wichtigste ist sicher, dass man schreibt – um Schreiben zu lernen. :

3.    Wie bist du zur Literatur gekommen?

Wenn meine Eltern auf einen Geburtstag oder Ähnliches eingeladen waren, baten sie um ein Gedicht. Ich habe das dann immer geschrieben. Das war wie Zähneputzen ganz selbstverständlich. Das Schreiben begleitet mich schon so lange – aber ich hatte eigentlich nicht vor, Autorin zu werden. Ich wollte Archäologin werden. Doch dann war ich im Hotelfach, und als mir der „Knödelbetrieb“ reichte, wurde ich Rechtsfachwirtin und Seminarleiterin in der Rechtsanwaltskammer. Nebenbei habe ich geschrieben, nicht selten morgens um vier Uhr, vor der Arbeit. Ich habe das gar nicht so richtig gemerkt.
Bücher waren immer an meiner Seite. Ich habe ihre Seiten vollgeweint, wenn mich mein Freund verlassen hatte und sie machten mich zur Heldin, wenn ich das gerade dringend brauchte. Dabei bin ich ein Genre-Junkie! Ich lese fast alles von Thomas Mann bis zur zeitgenössischen Literatur, Kochbücher, Biografien. Horror und harte Thriller spare ich mir. Das wahre Leben kostet mich genug Nerven. Also ich bin nicht zur Literatur gekommen – sie war einfach schon da!

4.    Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor?

Wie gesagt, ich lese querbeet. Ich kann mich für Bernhard Schlink und Uwe Timm genauso begeistern, wie für Carlos Ruiz Zafón, Nina Sahm, Titus Müller oder Friedrich Ani. Einen speziellen Lieblingsautor oder ein Lieblingsgenre habe ich nicht und das will ich auch gar nicht. Ich lese, auf was ich gerade Lust habe. Einmal im Monat moderiere ich einen Literaturtreff in München und ich bin immer wieder neugierig auf Buch und Autor.

5.    Wie sehr beeinflusst Lesen deinen Alltag, wie sehr deine Herangehensweise an eigene Texte?

Lesen gehört ganz selbstverständlich zu meinem Alltag und ganz bestimmt beeinflussen die gelesenen Bücher mich auch beim Schreiben. Ich kann mich wirklich für Bücher begeistern. Aber ich habe nicht den Anspruch, jemandem nachzueifern oder zu kopieren. Beim Schreiben folge ich meinem eigenen Gefühl für Sprache. Ich habe meinen Stil gefunden und hoffe, dass ich mich weiter entwickeln kann.

6.    Was ist dir bei der Arbeit mit „Schreibschülern“ wichtig?

Ich möchte mich nicht als allwissend aufspielen. Das überlasse ich dem auktorialen Erzähler. : Die Literatur zeigt immer wieder, dass sie eigene Wege geht, dass es nicht wirklich allgemeingültige Regeln gibt. Aber durch die Textarbeit in der Gruppe, durch das Vorlesen und Zuhören, bekommt man wertvolles Feedback. Man hört die Stimme künftiger Leser und merkt schnell, wo es noch hakt und wo der Text schon gut funktioniert. Und außerdem macht es einfach Spaß!

7.    Gibt es klassische Fehler, die fast jeder macht?

So individuell wie die Autoren, so sind auch deren „Fehler“, wobei ich von Fehlern gar nicht so gern sprechen will. Jeder hat Stärken und Schwächen und es ist gut, wenn man eine ehrliche Meinung dazu hört. Ich habe früher zum Beispiel immer einen viel zu langen Einstieg in meine Geschichten gebraucht. Heute schmeiße ich die erste Seite weg. Ich habe gelernt, dass das meine „Warmschreibseite“ ist. Danach bin ich drin und es geht richtig los. In den Kursen haben einige mit den Dialogen Probleme, die klingen hölzern, unnatürlich und wollen nicht so richtig zur Rolle des Charakters passen, aber daran kann man arbeiten. Schreiben ist immer auch Entwicklung – man wächst daran.

8.    Schreibschulen nehmen den Büchern die Persönlichkeit und den Autoren die Individualität. Was sagst du dazu?

Dazu sage ich, dass du dazu eigentlich meine Teilnehmer befragen müsstest. : Jedenfalls gebe ich mir die größte Mühe, genau das nicht zu tun. Mir ist Individualität sehr wichtig und ich möchte keinesfalls den Texten meinen Stempel aufdrücken. Meine Einwände sind Vorschläge, die Reaktionen der anderen Teilnehmer Meinungen. Das letzte Wort hat für mich immer der Autor. Wer diesbezüglich einige Stimmen lesen möchte, sollte einen Blick in mein Gästebuch werfen.

9.    Wie finden Autoren ihre eigene Sprache und wie kannst du ihnen dabei helfen?

Zunächst geht es darum, Selbstvertrauen aufzubauen. Anzufangen. Viele Autoren sind extrem selbstkritisch. Ich versuche ihnen zu zeigen, dass Bücher nicht in der ersten Version druckfertig sein müssen. Wir meißeln nichts in Stein. Autoren haben Computer und viel Papier. Man darf und soll(!) an seinen Texten arbeiten, feilen und Neues ausprobieren. Machen.

10.    Gibt es für dich einen Unterschied zwischen Büchern von Self-Publishern und Verlagen?

Wenn Self-Publisher sich vorher ein paar Gedanken beim Schreiben machen, sich einen Lektor suchen (man ist ja selbst betriebsblind), das Cover professionell gestalten (lassen), muss es keinen Unterschied geben. Ich kenne inzwischen eine Vielzahl von Autoren, die auf diese Weise fabelhafte Bücher herausgebracht haben. Aber es gibt ganz offensichtlich auch Self-Publisher, die ein Buch in der Rohfassung hochladen, Rechtschreibfehler ignorieren, möglichst bunte Bilder und viele(!) Schriften auf das Cover quetschen und als E-Book veröffentlichen. Solche Autoren haben bei Verlagen vermutlich keine Chance. Wobei mir bewusst ist, dass auch Verlagsbücher manchmal schlichtweg eine Katastrophe sind. Erst kürzlich habe ich ein Buch eines Verlags in der Hand gehabt, das so schlecht gesetzt war, dass es mir grauste. Ich habe die Autorin darüber informiert und hoffe, dass der Verlag nachbessert.
Ich finde, jeder der veröffentlicht, egal ob im Self-Publishing oder im Verlag, sollte einigermaßen professionell damit umgehen. Das ist man seinen Lesern schuldig.

11.    Wie ist es für dich, wenn einer „deiner“ Autoren es schafft?

Das ist ein paar tatsächlich schon passiert und ich finde das ganz wunderbar. Ich freue mich uneingeschränkt, ohne Neid und Hintergedanken. Meistens bekomme ich dann ein schönes Buch mit Widmung. Toll!

12.    Wie schaffst du es, bei den verschiedenen Welten (deine Bücher, die Bücher deiner Schüler, das reale Leben) nicht durcheinander zu kommen?

Da halte ich es wie die Buddhisten, wenn ich schreibe, schreibe ich, wenn ich einen Kurs gebe, gebe ich einen Kurs, wenn ich meine Tochter küsse, küsse ich meine Tochter. Zum Glück sind wir Menschen fähig, eins nach dem anderen zu erledigen – dafür richtig.

13.    Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem Hang zu Büchern um?

Mein Mann ist ein Vielleser. Ehrlich gesagt war er es, der 2006 sagte: „Jetzt mach halt endlich was aus dem Schreiben!“ Manchmal braucht man so klare Ansagen. Jürgen trägt alles mit, vielmehr noch: Er programmiert die Webseiten und übernimmt die für mich so verhasste Buchhaltung. Und er kritisiert mich, was ich mir manchmal auch gefallen lasse …

14.    Was machst du, wenn du nicht schreibst oder andere Autoren schulst?

Ich bin begeisterte Mama einer 8jährigen Tochter, Ehefrau, fahre manchmal, aber zu selten Fahrrad und spiele nach einer Pause von 10 Jahren wieder Altsaxophon. Dabei kann ich mir den Stress von der Seele pusten. Außerdem treibe ich mich ausgesprochen gern bei den 42er-Autoren im Forum herum und plaudere über dies und das. Meistens hat es etwas mit dem Schreiben zu tun.

15.    Wo findet man dich im Internet?
www.diana-hillebrand.de
www.SCHREIBundWEISE.de
https://www.facebook.com/diana.hillebrand71

 

Vielen Dank Diana für die Beantwortung unserer Fragen. 🙂

Und welcher Partner die nächsten Fragen beantworten soll, darüber könnt ihr hier noch abstimmen:

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.