Von Orchideen, Senegal und beißender Ironie – Qinterview mit Véronique Ahyi-Hoesle

QinterviewNach vier Wiener Damen geht es für dieses Qinterview auf eine weite Reise: In den Senegal. Ihr habt Véronique Ahyi-Hoesle gewählt, deren Buch „Ayélé Tochter im Schatten“ im März auch noch einmal gesondert vorgestellt wird.

Véronique war so nett uns die Fragen zu beantworten.
Und wie es sich für eine Autorin gehört, hat sie das kritisch und direkt getan, sehr ehrlich und ohne Angst, sich auch mal unbeliebt zu machen. Freut euch auf ein tolles Qinterview.

 

1.             Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?

Es ist immer schwierig sich selbst zu präsentieren, und die Autoren, wenn sie nicht gerade einem extremen Narzissmus verfallen sind, schreiben, um diese Frage nicht beantworten zu müssen. Um mich zu entdecken, liest man am besten mein Buch.

Nach einem Reinfall mit einem « Verlag » haben wir das Buch und seine deutsche Übersetzung sowohl als e-Book also auch auf Papier bei BoD selbst veröffentlicht und haben social Marketing begonnen.

2.                  Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?

Zum Self-Publishing kommen die wenigsten aus freien Stücken, weil ja jeder davon träumt seine Bücher super vermarktet und ganz oben in den Bestsellerständern der Buchläden zu sehen, sondern aus Resignation. Wenn man sein erstes Buch schreibt, ist man ungeduldig und tendiert zum einfachsten Weg, weil die Aufgabe, einen Verlag zu finden, aus der Laufbahn eines Vollkontaktkämpfers kommt. Und selbst mit einem gerüttelt Maß an Determination gewinnen die Ablehnungen meist doch die Oberhand über deine Hartnäckigkeit. Und dann kommen die Zweifel, genährt durch deinen Mangel an Erfahrung, die Niedergeschlagenheit und die Angst, nie einen Verlag finden zu können; und sie treiben dich ins Self-Publishing. Es ist eine Art von Selbstschutz, die Hoffnung zu nähren, es könnte sich doch einer der großen Verleger für dich interessieren. In meinem Fall war dieser einfachste Weg bei einem Verlag zu unterschreiben, der sich recht schnell als ein Verlagshaus erwies, das eher einem Haus von Betrügern gleicht.

3.                  Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?

Es ist meine erste Erfahrung und die Kurve meiner Verkäufe hat noch nicht abgehoben. Wenn wir, mein Mann und Übersetzer und ich, voll ins social Marketing einsteigen, bleibt kaum noch Zeit für weitere Schreib-Projekte, denn auch hier gilt es über lange Zeit Qualität zu produzieren und Beziehungen zu pflegen, damit die Community wächst und bleibt, und die fällt nicht vom Himmel – auch nicht für eine Journalistin wie mich. Für mich ist der Traum vom Verlag – zumindest in Frankreich – nicht ausgeträumt.

4.                  Was findest du beim Self-Publishing problematisch?

Das sicherlich Frustrierendste am Self-Publishing ist die Anonymität. Da ist es sehr schwierig von den Medien wahrgenommen zu werden und gute Artikel zu bekommen. Erst wenn man es sowieso schon geschafft hat, berichten sie, und dann nicht über das Werk, sondern über den Erfolg, das Geld. Und dann ist es frustrierend weil heute jeder Autor ist. Alle meinen, sie hätten eine geniale Geschichte zu erzählen und tun es mit einem Stil, mit Wendungen und Wörtern, die nichts mit Literatur zu tun haben.

5.                  Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?

Ich meine, es sollte besser selektiert werden. Die Leute sollten sich professionelle Unterstützung suchen, damit ihre Bücher lesbar werden, sonst wird die Qualität immer weiter absinken. « Ayélé, fille de l’ombre », das französische Original, wurde zweimal professionell lektoriert und überarbeitet, die deutsche Übersetzung wurde von einer Germanistin gegengelesen und ging durch mehrere Überarbeitungen.

Qindie ist ein sehr guter Ansatz. Was ich daran besonders gut finde, ist die Kollegialität und die Zurückhaltung, was den Inhalt angeht. Seine Reichweite und die Bekanntheit muss aber noch wachsen. Ich meine aber, dass die Self-Publishing Platformen selbst einen minimalen Selektionsdienst einrichten und ihre Schwelle definieren müssen, unter der sie die Veröffentlichung und den Vertrieb ablehnen, aber sie schieben alle Verantwortung von sich weg, um Kosten zu sparen. Sie haben keinerlei Berufsethos. Ein solcher Service könnte sogar eine neue Herausforderung für die Verleger sein, aber sie haben alles verschlafen.

6.                  Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)

Ich glaube die Frage ist schon beantwortet. Ich tue sie mir nicht freiwillig an, aber ich will, dass mein Buch gelesen wird, und dazu muss es verfügbar sein.

7.                  Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?

Mein Mann, Freunde und Lektoren / Übersetzer. Mein Mann schaut mit deutscher Logik auf meine französischen Texte, Freunde haben oft befruchtende Ansichten und können vieles was ich schreibe hinterfragen, weil sie mich kennen. Und Lektoren sind Lektoren.

8.                  Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)

Meine Fans sind dafür weniger geeignet als meine Gegner, denn selbst wenn ich mit dem, was sie mir sagen, nicht einverstanden bin, bleibt doch etwas zurück. Einen dieser Gegner habe ich sogar große Lust in einem Roman als Figur aufnehmen. Es sind manchmal interessante Persönlichkeiten mit ihren Widersprüchen und seltsamen Ansichten; und wenn man etwas dahinter schaut, entdeckt man wahrhaftige Romanfiguren.

9.                  Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)

Aber sicher! Sie können sogar so blockieren, dass sie dich zu langen Schreibpausen zwingen. Manchmal faszinieren sie mich mit ihrer Schlagfertigkeit und manchmal hasse ich sie.

10.              Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?

Ich kann nicht sagen, das sich mein Alltag verändert hat. Ich bin vielleicht aufmerksamer geworden für alles, was um mich her geschieht, weil ich gemerkt habe, dass ich praktisch alles in meinen Texten brauchen kann. Mein Gedächtnis hat eine phantastische Fähigkeit, alle Informationen aufzunehmen und zu sortieren. Ich bin immer wieder erstaunt, was da alles aus meinem Gedächtnis wieder auftaucht. Absolut faszinierend.

11.              Was machst du, wenn du nicht schreibst?

Für mich besteht das Leben nicht nur aus Schreiben, ich gehe ins Theater, in Konzerte, treffe mich mit Freunden, verbringe Zeit mit den Menschen, die ich liebe, gehe spazieren, reise und spiele Golf.

12.              Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?

Das Schreiben ist eine lang gehegte Leidenschaft, der ich schon sehr früh in meinem Leben nachgegangen bin – siehe die Dinosaurier und Juri Gagarin – dann aber sozusagen stillgelegt habe. Für eine Journalistin ist es aber immer sehr leicht die Grenze wieder zu überschreiten. Mein Chefredakteur hatte schon gemeint ich solle schreiben, aber ich wollte nicht. Wer es dann schließlich geschafft hat mich wieder zum Schreiben zu bringen, ist mein Mann, der mir das Selbstvertrauen gegeben hat einen Roman zu schreiben. Als mich einmal die Ausdauer verließ, schilderte er mir die Stelle mit Beppo Straßenkehrer aus Momo: Nie auf das ferne Ende der Straße schauen, immer nur auf den nächsten Besenstrich!

13.              Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?

Die Freiheit – weniger die Disziplin, ohne die es leider nicht geht :-). Ein Buch zu schreiben ist viel Arbeit, braucht viel Zeit, ist stressig und oft demoralisierend. Es gibt Momente der Verzweiflung, weil es nicht weiter geht oder weil plötzlich der Stil weg ist. Die Sätze sind plötzlich zum Heulen, und Selbstzweifel verfolgen dich noch lange – wochenlang. Diese Anfälligkeit finde ich erschreckend. Alles hängt an einem seidenen Fädchen, das jederzeit reißen kann. Scheiben macht verletzlich. Nach der Schaffung des Werks kommt die Überarbeitung und dann die Kommentare und die Kritiken, die nicht selten wie Fausthiebe ins Ego treffen.

14.              Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?

Ich habe keinen „Schreibwahn“. Mein Mann unterstützt mich. Manchmal eher zuviel und unsere erwachsenen Kinder finden meine Texte manchmal zu hart.

15.              Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)

Ich mag Krimis wenn ich müde bin. Sonst die Romane von Toni Morrison, Ken Folliett, Paulo Coelho, Mariama Bâ, Tahar ben Jelloum, Metin Arditi, Philip Roth, … und Seneca wenn ich etwas brauche, an das ich glaube, oder wenn mich die Moral verlässt.

16.              Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)

Ich lese ein Buch wie irgendein anderer Leser auch, weil es mir zunächst einfach um den Genuss geht. Aber manchmal überrasche ich mich selbst, wenn ich mir Notizen mache (ich habe immer einen Notizblock zur Hand), weil mich bestimmte Passagen begeistern. Es kommt aber auch vor, dass ich meine Zeit verliere, ein Buch völlig uninteressant (die Geschichten sind manchmal von seltener Belanglosigkeit), redundant, oder wenn der Stil geschraubt ist. Dann lege ich das Buch weg, weil es noch so viele andere gute Bücher gibt, die keine Zeitverschwendung an Mittelmaß darstellen.

17.              Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?

Schwierig zu sagen. Es gibt viele Autoren, die ich mag und die ich ob ihres Stils und ihrer Phantasie bewundere. Ich glaube ich hätte gerne Gedichte wie Rimbaud, Eluard oder Verlaine geschrieben. Für mich ist das eine der schwierigsten Übungen und ein schönes Gedicht ist Balsam für die Seele.

18.              Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?

Am liebsten höre ich, dass ein Buch zu kurz sei und dass die letzten Kapitel zu schnell vorbei gehen und die Leser frustriert sind, wenn das Buch schon zu Ende ist. Was nervt sind Kritiken, die nicht begründet sind, die von Leuten kommen, die nie selbst etwas geschrieben haben, die zu allem eine Meinung haben, die dein Buch meinen besser als du selbst erklären zu können; Leute mit einem erstaunlichen Mangel an Sensibilität.

19.              Was wird dein nächstes Projekt?

Ein weiterer Roman ist fast fertig und ich arbeite gerade an einem Buch, das von Menschen erzählt, die heute im Süd-Kivu, im Kongo leben. Die Region war lange im Kriegszustand, aber die Leute sind da mit ihren Geschichten, ihrem Lächeln und mit ihren Tränen.

20.              Wo findet man dich im Internet?

Der Suchbegriff „Ahyi-Hoesle“ bei Google bringt etwa 1500 Einträge, fast alles ist aber französisch.

Es gibt ein sehr schön gelungenes Interview bei rfi (Radio France Internationale) in der Sendung « En sol majeur » von Yasmine Chouaki zum Download: https://www.rfi.fr/emission/20101214-1-veronique-ahyi-hoesle/ 1 und 2.

Ein Interview in Englisch: https://www.newtimes.co.rw/news/index.php?i=14974&a=52894

https://www.facebook.com/pages/V%C3%A9ronique-Ahyi-Hoesle/576675549072165 (französisch)

https://ahyi-hoesle.blogspot.com – dort gibt es auch eine Seite für die deutsche Qindie-Übersetzung:  https://ahyi-hoesle.blogspot.com/p/ayele-tochter-im-schatten.html

Mein Mann übernimmt einige meiner Facebook Posts auf https://plus.google.com/+UlrichHoesle , wenn sie übersetzbar und auch für ein deutsches Publikum verständlich und interessant sind.

Vielen Dank für dieses Interview und viel Erfolg für deine Bücher, Véronique.

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.