Qindie-Challenge: Aufwach-Szenen

Und jetzt den Ring frei, und schlagt die Glocke für die Herrin der schwarzgefiederten Schicksalsboten. Bisher ungeschlagen im Infight mit wechselnden Realitäten und Zeitachsen. Hier kommt Simoooooone Keil!

 

„Wir müssen durch den Aquaeductus cochleae. Falls wir eine Genehmigung bekommen.“

„Zwölfundsechzig.“

„Intelligent wie eh und je.“

„Was?“ Ich stützte mich auf meine Unterarme und stöhnte. Er deutete auf den Gehörschutz, den er um den Hals hängen hatte, dann auf meinen Kopf. Ich nahm den Gehörschutz ebenfalls ab und die dumpfe Stille wurde von einem ohrenbetäubenden Rattern abgelöst. „Was machst du denn hier?“, schrie ich gegen das Rattern an.

„Einer muss dir doch den Weg zeigen, Orientierungsloseste.“

„Den Weg? Aber ich …“ Kaltes Wasser tropfte auf mein Gesicht. Stalaktiten über mir. „Das ist eine Höhle“, sagte ich und Vorak verdrehte die Augen. „Wie bin ich hierhergekommen?“ Meine Zunge fühlte sich pelzig an. Es war düster und heiß und grässlich laut. Vorak trug einen feuerroten Overall und einen Bergarbeiterhelm mit Lampe auf dem Kopf. „Warum hast du so merkwürdige Sachen an?“, fragte ich.

Er sah an sich hinunter und zuckte mit den Schultern. „Dienstkleidung. Nicht unbedingt meine Farbe, aber sehr praktisch.“

Ich wischte mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und stellte fest, dass ich in einem ebenso feuerroten Overall steckte wie der Baumgeist, der gerade eine Landkarte studierte.

„Also“, sagte er, „ist die Kleiderfrage nun zur Genüge besprochen und können wir weiter?“ Er faltete die Karte zusammen und verstaute sie in seiner Bauchtasche.

„Nein!“ Ich sprang auf die Füße und hielt mich an der Felswand fest, bis ich meinen Gleichgewichtssinn wieder gefunden hatte. Das Rattern wurde noch lauter. „Was ist denn passiert?“, rief ich. „Ist die Welt untergegangen? Sind wir tot?“

„Unwissendste, wenn wir tot wären, würden wir wohl kaum hier stehen und uns anbrüllen. Oder hast du etwa die Steinerne Brücke überquert? Ich jedenfalls nicht.“ Er schulterte einen Rucksack, schüttelte den Kopf und murmelte unverständlich vor sich hin. Dann piekte er mich mit dem Zeigefinger in den Bauch. „Und jetzt hör auf, die Mission zu verzögern und beweg dich!“

Simone KeilCorvidæ

 

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Das Stichwort: Aufwach-Szene
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5 Replies to “Qindie-Challenge: Aufwach-Szenen”

  1. Maarten

    Ich wundere mich zwar über die ersten 3 Sätze, wer sagt jetzt was, aber geschenkt. Gefällt mir sehr gut wie hier in wenigen Sätzen die gesamte Situation lebhaft eingefangen wird.

    1. Maarten

      Nee, lieber Maarten: Die Perspektive ist bei der Ich-Erzählerin. Das ist nicht geschenkt, sondern völlig ok mit den ersten 3 Sätzen. Was Dich stört ist was anderes: ‚Aquaeductus cochleae‘. Das würde man beim Aufwachen wohl kaum verstehen. Aber Du hast Recht, sehr schöne Szene.

      1. Maarten

        Ja, stimmt. Mist, warum gibt es hier keinen Bearbeiten-Button, dann könnte ich das still und heimlich ändern…

  2. Monja Freeman

    Was für eine seltsame Art aufzuwachen. Nicht zu wissen wer man ist oder wie man dort hingekommen ist. Ob sie immer noch in einem Traum feststeckt? Oder weiß sie es wirklich nicht? Und was soll der Lärm in einer Höhle? Eigenartig, aber es wäre wirklich wirklich interessant dies herauszufinden!

  3. Ines

    Zwölfundsechzig? Baumgeister? Klingt geheimnisvoll.
    Aber das Aufwachen muss echt krass sein, wenn man plötzlich an einem unbekannten Ort ist und nicht weiß, wie man dorthin gekommen ist.
    Erinnert mich an einen Hobbit, oder an Yoda, so wie Vorak spricht und sich verhält.