Wie bekloppt darf man sein?

Von Florian Tietgen

Endlich wird der Buchmarkt fast anarchistisch, endlich zählt nur noch die Freiheit der Kunst, die Torwächter der Verlage haben ausgedient, es zählt nur noch die Inspiration, der Durchhaltewille, ein längeres Werk zu Ende zu bringen. Niemand entscheidet mehr, welche Bücher veröffentlichungswürdig sind und welche nicht, außer die Leser.

Endlich hat jeder ohne sich in den finanziellen Ruin zu stürzen die Möglichkeit, diesen Leser auch über seine Geschichten, seine Bücher entscheiden zu lassen.

Eine Freiheit, die einige schlicht nicht auszuhalten scheinen. Sie gründen, organisieren, bilden: Qindie. Sie schreien nach den alten Normen wie Qualität, Sprachmelodie, Coverlayout, Formatierung, Rechtschreibung und Lektorat. Ist das nicht Geschmacksache? Und was ist so toll daran, wenn außer denen, die einen Verlag finden, nur Reiche ihr Buch veröffentlichen können, die sich Qualität leisten können. Lektorate kosten Geld, viel Geld, das ich als freier Autor doch nur zum Fenster hinausschmeiße, damit mir wieder jemand die Freiheit meiner Kunst einschränkt und mir erzählt, wie man Bücher schreibt. Und wovon soll ich teure Grafiker bezahlen und warum, wenn meine Tochter doch so schön zeichnen kann? Und wer Rechtschreibfehler in meinen Büchern findet, darf sie eben behalten. Hat er ja auch bezahlt.

Wer so denkt, hat recht. Davon bin ich überzeugt. Vielen Menschen gibt diese Freiheit vor allem Hoffnung. Hoffnung, das, was sie zu erzählen haben, auch erzählen zu können. Ich bin der Letzte, der das verhindern möchte. Ich halte diese Freiheit aus. Ich will sie sogar. Aber ich finde Qualität in der Tat wichtig. Ich liebe Bücher, ich liebe Geschichten. Und selbst zu einem eBook gehört für mich genau wie zum gedruckten Buch die Atmosphäre, die auch von der Mühe bestimmt wird, von der Professionalität bei der Erstellung, von der Liebe zum Detail bis hin zur Rechtschreibung. Das fehlerfreie Buch gibt es auch von Verlagen nicht. Aber jedes Buch kann so wenig Fehler wie möglich haben. Als Leser möchte ich mich nicht über fehlerhafte Bücher ärgern, als Autor möchte ich nicht, dass Leser sich über meine Bücher ärgern. Als Leser wünsche ich mir – gerade, weil mir die Freiheit der Kunst wichtig ist – ein zuverlässiges Signet für Bücher, bei denen ich mich höchstens am Inhalt reibe, nicht aber an deren Zustand. Als Autor wünsche ich mir ein Signet, mit dem ich den Lesern mitteilen kann: In die Qualität meines Buches wurde investiert.

Das heißt natürlich nicht, alle Bücher, denen dieses Zeichen fehlt, wären schlecht. Und inhaltlich ist sicher sogar manches Buch wichtig, das vor Fehlern nur so strotzt. Es ist großartig, wenn all diese Bücher eine Chance haben. Diese gefühlte Befreiung aller Autoren ist toll und bietet hoffentlich auch den Lesern viele viele neue An- und Einsichten in und aus Büchern. Und Qindie ist eine Möglichkeit, in dieser Befreiung Orientierung zu geben und zu finden.

Und gar nicht bekloppt.

Florian Tietgen