Von Tilly Jones
Letztens traf ich eine alte Bekannte wieder. Wir hatten uns lange nicht gesehen und tauschten erst mal die üblichen Floskeln aus:
Wie geht’s? Was haste gemacht? Haus? Kinder? Der wievielte Ehemann?
Nach dem üblichen Smalltalk und gegenseitigem Übertreffen des Erreichten im Leben landen wir in einem Lesecafé. Wie nett. Mit Büchern und so. Ich scheuche kleine Rumpelwichte vom Stuhl und finde ihn wirklich bequem. Im Hintergrund sitzt Gandalf auf Fuchur und zieht an seiner Pfeife. Sollte ihm mal einer sagen, dass Rauchen bei Büchern nicht so gut kommt.
Ohne es zu wollen, steuern wir recht schnell auf die Frage der Fragen zu.
Und? Was treibste jetzt so?
Mit stolzgeschwellter Brust, wie Ron bei seinem ersten gehaltenen Quaffel, erzähle ich:
Ich rezensiere Bücher, unter anderem von Indie-Autoren!
Meine Bekannte wirft mir einen Blick zu, als würde ich mich in einen Werwolf verwandeln. Unauffällig fühle ich nach meinen Ohren. Glück gehabt, ist alles wie immer.
Bücher? Was bringt das?
Wie? Was das bringt? Genug Material, das ich dem nächsten Autor an den Kopf werfen kann, der einen richtig fiesen Cliffhanger an das Ende seines Buches setzt?
Spaß! Ich lese gerne und teile meine Meinung dann anderen mit.
Wie der arme Herr Tumnus fühle ich mich, verhaftet wegen Verrats und eingefroren unter dem eisigen Blick der Königin. Ich setze mein traumhaftestes Lächeln auf, vielleicht bringt es ja was, wenn ich glitzere wie ein Vampir. Aber nein, es hilft nix. Meine Bekannte wirft einen Blick über ihre McGonagall-Brille und spricht unbeirrt weiter:
Aber was bringt es dir?
In diesem Moment frage ich mich, ob sie jemals ein Buch in den Händen gehalten hat. Vielleicht ein Bilderbuch? Die Tageszeitung? Hat sie jemals mit Atreju Abenteuer erlebt? Ist sie mit Robinson fast verzweifelt? Oder hat ihre Liebe gefunden, trotz zu viel Stolz und falschen Vorurteilen?
Ich straffe die Schultern, setze mich gerade hin und fühle mich dennoch wie ein Zombie, dem man eine Waffe aufs Gehirn richtet.
Jede Menge Spaß bringt das! Ich hab die Chance, in wundervolle Welten abzutauchen, die sonst vielleicht niemand entdeckt hätte. Und ich kann es der ganzen Welt mitteilen. Damit andere auch die Möglichkeit haben, ein neues Abenteuer zu erleben.
Laut ihrem Gesichtsausdruck sucht sie die Schlüssel zur Kammer des Schreckens. Vielleicht hab ich Glück und Ginny ist noch drin, die könnte mir sicher helfen.
Die Rezensionsexemplare sind umsonst …
Füge ich noch kleinlaut hinzu und schrumpfe auf die Größe des Maulwurfs, damit ich mit dem Wind in den Weiden untertauchen kann.
Aha. Und irgendwann bekommst du dann Geld dafür? Die Autoren schreiben dich an, damit du ihre Bücher liest?
Hm, keine schlechte Idee. Vielleicht sollte ich den Herrn King oder Frau Funke mal fragen, ob sie mir Hunderte von Euros für meine Meinung bezahlen. Ach was sag ich, Tausende. Dann kauf ich mir eine Burg, lade den schwarzen Prinzen ein und fliege auf Drachen durch die Gegend.
An dieser Stelle verneine ich, bleibe freundlich. Schließlich mag ich sie ja. Wie nett, meine Nase behält ihre normale Größe. Bücher zum Werfen hab ich leider nicht dabei. Gandalf hockt zwischen Lyra und R, zeigt mir einen Vogel und ist auch keine große Hilfe. Ich strecke ihm die Zunge raus und verabschiede mich von meiner Bekannten. Sie will sich noch mal treffen.
Ja klar, müssen wir unbedingt wieder machen. Muss ich nur mal Aschenputtel fragen, ob sie mir ihre Kutsche leihen kann, mein fliegendes Motorrad ist in Reparatur. Außer sie macht Kürbissuppe, dann geht’s nicht.
Ich drehe mich um und sehe wie Gandalf vor Lachen beinahe in den Wirbelsturm nach Oz fällt. Ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen.
Nun gehe ich in die Buchhandlung und kaufe mir ein Buch. Es finden keine Überlegungen statt, welches es sein könnte, nur ab welcher Menge Bücher in meiner Tasche ich mir einen Bruch heben werde. Oder ich schau mal bei Qindie rein. Dann werde ich eins rezensieren, nachdem ich mich zwischen den Zeilen verloren habe.
Ich bin Rezensentin mit Herz und nicht mit meinem Geldbeutel und das einfach, weil es Spaß macht. Kaum zu glauben, oder?
Liebe, spaßige Grüße