Von Geschichtswissenschaften, Feuerpferden und Psychologie: Wir bitten Annemarie Nikolaus zum Qinterview.

Qinterview

Diesmal habt ihr euch für die Autorin Annemarie Nikolaus entschieden: Von Geschichtswissenschaften, Feuerpferden und Psychologie. Annemarie war so nett und hat unsere Qinterview-Fragen beantwortet.

Sie selbst beschreibt sich auf ihrer Autorenseite bei Qindie mit den folgenden Worten:

Annemarie Nikolaus hat Psychologie, Publizistik, Politik und Geschichte studiert und lange als Sozialwissenschaftlerin und Journalistin gearbeitet. Nach fast 20 Jahren in Norditalien lebt sie jetzt mit ihrer Tochter in der Mitte Frankreichs.
Um die Jahrtausendwende begann sie mit dem Schreiben von belletristischen Texten. Nach der Veröffentlichung erster Kurzgeschichten hat sie sich historischen und Fantasy-Romanen zugewandt, mit gelegentlichen Ausflügen in andere Genres. Als leidenschaftliche Geschichtswissenschaftlerin ist es ihr ein großes Vergnügen, vergangene Epochen zum Leben zu erwecken.

Liebe Annemarie, nun ist es soweit, dein erstes Qinterview steht dir bevor. Wir freuen uns auf deine kreativen und spannenden Antworten. Lass’ dir ruhig etwas einfallen, um die Leser zu unterhalten. Vielleicht magst du z.B. die Fragen im Stile deiner Geschichten, Romane oder Gedichte beantworten? Und hier sind die Fragen:

Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?  

Ich bin eine vagabundierende Europäerin, die alle 20 Jahre auswandert: von Deutschland nach Italien und zuletzt nach Frankreich. Als studierte Sozialwissenschaftlerin habe ich schon in sehr unterschiedlichen Berufen gearbeitet, von Psychotherapie bis zur Politikberatung für öffentliche Verwaltungen in Italien. Und parallel dazu die meiste Zeit auch als Journalistin.

Nachdem ich mir bei meinen amerikanischen Kolleginnen  ungefähr ein Jahr lang die Entwicklung des E-Book-Markts angeschaut hatte, fand ich, dass das Modell eine Zukunft hat. In der AutorInnengruppe „Schreibwerk“ haben wir dann gemeinsam die Möglichkeiten für deutschsprachige AutorInnen zusammengetragen. Das  war einige Monate, bevor Amazon die deutsche Kindle-Plattform installiert hat: Darum hatte ich zu dem Zeitpunkt schon die ersten Bücher auch auf anderen Plattformen wie iTunes, Kobo oder das deutsche Beam ebooks. Und es würde mir nie einfallen, davon zurückzugehen und mich auf Amazon zu beschränken, wie es so viele andere Indie-AutorInnen tun. Im Gegenteil suche ich immer weiter nach zusätzlichen Verkaufsplätzen. Beispielsweise habe ich seit zwei Monaten auch einen Distributor extra für den italienischen Markt.

Inzwischen gibt es die meisten meiner Bücher auch als verlagsunabhängig veröffentlichte Taschenbücher.


Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?

In erster Linie die Macht, die ich damit über meine Texte behalte. Vom Journalismus bin ich es gewohnt, einerseits zwar nach Vorgaben zu schreiben, andererseits aber frei über die Umsetzung des Themas zu bestimmen.

Bei Verlagen mit ihren Programmrichtlinien hatte ich immer schon den Verdacht, dass allenfalls BestsellerautorInnen diese Freiheit haben … und was man so hört, selbst die oft nicht. Mein Verdacht hat mittlerweile Bestätigung gefunden, weil ich experimenthalber das Angebot eines großen Verlags angenommen habe, der Anfang des Jahres auf mich zukam. Ich gehöre halt zu den Menschen, die immer bereit sind, etwas auszuprobieren und gehe auch mal ein Risiko ein. (Sonst würde ich sicher immer noch in Deutschland leben.) Jetzt kann ich jedenfalls sagen „ist kein Vorurteil“.


Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?

Ich finde es hochspannend. Ein bisschen Wildwest; aber mehr noch ähnelt es einem Gold Rush.

Ein Goldrausch ist anfangs gekennzeichnet dadurch, dass der Erfolg fast keiner Investitionen bedarf. Eine einfache Pfanne oder Ausrüstung, die man sich selber basteln kann; einfachste Organisation und dann das Glück, an der richtigen Stelle zu sein: Das ist genug, um reich zu werden.

Aber nur für die kurze Zeit, in der das Gold oberflächlich im Kiesbett der Flüsse lagert.. Bald bedarf es größerer Anstrengungen, mehr Kapital; man muss in die Tiefe gehen und auf die Dauer bewältigt man den Aufwand nicht mehr als Einzelne. Wer sich damit nicht anfreunden kann, findet bald kein Gold mehr.


Was findest du beim Self-Publishing problematisch?

Die Versuchung, sich im „Marketing“ zu verlieren, weil man ja irgendwie für alles selber verantwortlich ist.

Der Sozialwissenschaftler Paul Watzlawik hat es in seiner „Anleitung zum Unglücklichsein“ als Prinzip des „Mehr-desselben“ beschrieben: Man tut etwas – am besten etwas, das andere schon erfolgreich ausprobiert haben. Es bringt aber nicht den gewünschten Erfolg. Daraus schließen laut Watzlawik die Menschen gewöhnlich, sie hätten es noch nicht genug oder noch nicht gut gemacht: Folglich machen sie „mehr desselben“ statt sich zu überlegen, ob es nicht besser wäre, die Strategie zu wechseln.

Die  – richtige – Feststellung, man könne kein Buch verkaufen, wenn die Welt nicht wüsste, dass es existiert, ist eine hervorragende Ausgangsbedingung, um auf das Prinzip des Mehr-desselben fürs Marketing hereinzufallen.

Auch ich muss mich da immer mal zur Ordnung rufen; die Versuchung ist doch sehr groß.


Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?

Das ist wie mit Schokolade: Am besten, ich fang erst gar nicht damit an.

Wenn ich den Tag mit echter Textarbeit beginne –auch nicht zu Recherchen ins Internet gehe  – und mir ein bestimmtes Ziel setze, habe ich automatisch nicht mehr genug Zeit, um mich unziemlich auf FB und Co. zu vertrödeln.


Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)

Meinen Freundinnen und Kolleginnen zuzuschauen, wie sie versuchten, einen Verlag für ihre Bücher zu finden, das fand ich immer hart. Ich war nie bereit, mir dieses Klinkenputzen anzutun. Schließlich, mein Klempner geht auch nicht von Haustür und Haustür und fragt, ob ….

Was ich an Verlagsveröffentlichungen habe – aus der Zeit um 2005 und jetzt – ist ohne Suche zustande gekommen.

Und es ist keineswegs so, dass Verlage ihren AutorInnen alles abnehmen, was sie vom Schreiben abhält und dann alles einfacher wäre. Oder dass sie es besser könnten als die AutorInnen selber – wo doch die Autorin die einzige Person ist, die das Buch genau kennt und der es am Herzen liegt.

Klar ist es anstrengend, für alles selbst verantwortlich zu sein. Aber das bin ich gewohnt, weil ich immer Freiberuflerin war. Die damit verbundene Freiheit ist mir die Mühe jedenfalls wert. Außerdem konnte ich mich noch nie unterordnen.


Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?

Die ersten Testleser sind Kolleginnen, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite. Zwar haben wir uns mittlerweile auseinander entwickelt; aber ich kann ihnen immer noch vertrauen.


Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)

Ich schreibe auf deutsch, aber wo ich lebe, kann eigentlich kein Mensch deutsch. Hier in Frankreich noch seltener und weniger als früher in Italien. Darum treffe ich selten Fans persönlich. Insofern: Ich glaub nicht, dass mich schon mal ein Fan zu einem Buch inspiriert hat.


Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)

Das ist der Normalfall. Erstens taucht immer jemand auf, mit dem ich nicht gerechnet habe. Und zweitens sind meine Figuren in der Regel klüger als ich. Inzwischen bin ich dazu übergegangen, mir ihre Geschichten erzählen zu lassen und am Ende – nach der Rohfassung – entscheide ich, wessen Geschichte ich (zuerst) aufschreiben will. Einen großen Teil meiner Vorarbeit stecke ich deshalb in Recherche, nicht in Planung; auch dann, wenn ich Fantasy schreibe.


Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?

Die Frage kann ich eigentlich gar nicht beantworten, weil es erstens ein langsamer Prozess war und zweitens andere Ereignisse mein Leben tiefgreifender als das belletristische Schreiben umgestaltet haben.

In der Rückschau vielleicht, dass ich weniger „nach draußen“ gehe. Früher bin ich deutlich mehr gereist. Auf die Arbeit bezogen muss ich das Haus allenfalls zur Recherche verlassen; und die brauche ich für Romane nur phasenweise. Weder im Journalismus noch bei meinen anderen Tätigkeiten ging das so.


Was machst du, wenn du nicht schreibst?

Home Schooling – hier in Frankreich gibt es keine Schulpflicht und die Unterschiede zwischen dem italienischen und französischen Schulsystem sind einfach enorm groß. Zudem hat meine Tochter auf diese Weise mehr Zeit für ihre Flöte.

Ich/wir gehen in jedes einigermaßen erreichbare Konzert.

Ich habe früher gerne gekocht. Als Caterina klein war, war das recht sinnlos. Jetzt geht das wieder und zwar gemeinsam.

Dass ich viel lese, versteht sich vermutlich von selbst.


Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?

Letztlich durch die Politik. Nach dem Abitur stand ich vor der Entscheidung Zeitungsvolontariat oder Psychologie-Studium – was als Paarung übrigens merkwürdig oft vorkam in meinem späteren Bekanntenkreis.

Ich habe mich dann fürs Studium entschieden – und Jahre später noch ein weiteres Studium. Aber mein politisches Engagement hat mich ganz schnell zum Schreiben gebracht; und mich auch eine Menge darüber gelehrt. Es waren nicht nur journalistische Texte (oder so etwas Ähnliches); ich habe auch Straßentheater geschrieben. Und Jahre später in der Erwachsenenbildung „Planspiele“: Die hatten schon eine Menge mit Plots und Figurenentwicklung zu tun.


Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?

Am liebsten mag dich die Überarbeitungsphasen – wenn ich nach und nach entdecke, welche Geschichte in einem Text steckt, und die Figuren Gestalt annehmen.

Beenden fällt mir schwer. Ich habe ein Problem mit Trennungen und das macht sich auch beim Schreiben bemerkbar. Wenn es zum Abschluss kommt, schreibe ich langsamer und langsamer und lungere herum statt auf den Punkt zu kommen.


Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?

Caterina hat auch angefangen zu schreiben: Seit sie 13 war, nimmt sie jeden November am Young Writers’ Programm des  NaNoWriMo teil.


Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)

Genau genommen lese ich am liebsten Geschichtsbücher. Aber da die Frage sich auf „Genres“ bezieht: Ich habe eine Vorliebe für Historisches und Kriminelles: Da gucke ich zuerst, wenn ich Lesestoff brauche. Eigentlich lese ich auch sehr gerne Fantasy. Nur finde ich da wenig, was mich fesseln kann.

Ein spezieller Autor? Ken Follett. Ich finde seine Bücher spannend und kenntnisreich.

Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)

Ich lese sehr schnell und ich lese als „Privatperson“, wenn ich zu meiner Unterhaltung lese. Aber natürlich ist die Autorin in mir im Unterbewusstsein aktiv; kann ja gar nicht anders sein. Doch sie darf allenfalls zu Wort kommen, wenn ich mit einem Buch fertig bin.


Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?

Vom Winde verweht. Ich habe das als Kind zum ersten Mal gelesen. Heimlich unter der Bettdecke, damit meine Mutter nicht merkte, dass ich nicht schlief.


Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?

Am meisten gefreut hat mich die Kritik einer Bloggerin zu „Die Enkelin“, die zuerst angekündigt hatte, sie käme nicht so bald dazu, das Buch zu lesen. In ihrer Kritik am übernächsten Tag schrieb sie dann, sie hätte nur mal kurz reinschauen wollen, als sie das Buch bekam. Und dann konnte sie nicht mehr aufhören zu lesen.


Was wird dein nächstes Projekt?

Das nächste Projekt, das ich für diesen November (NaNoWriMo) vorgesehen habe, ist ein historischer Roman über die protestantischen Salzburger, die 1732 nach Ostpreußen auswandern, um gemeinsam mit Litauern und französischen Refugiés das von der Pest entvölkerte und verödete Land wieder urbar zu machen.

Die nächste Veröffentlichung soll aber die Geschichte von Alexandre de Montmorency sein, dem Helden aus der „Königlichen Republik“. Sie spielt fünf Jahre vorher, 1642/43 in Frankreich während der Revolten gegen die Kriegspolitik Richelieus. Alexandre will die Hinrichtung seines Vaters rächen und seine Mutter fordert, dass er dafür ein unschuldiges Mädchen ruinieren soll, das obendrein jenen Aufständischen hilft, die im Geist seines Vaters handeln …


Wo findet man dich im Internet?

Ich habe eine Homepage und mehrere Blogs; der zentrale ist der „Werkstatt“-Blog.

Und wer mehr über mich als Person wissen möchte, kann im Wikipedia nachlesen.


Wir danken dir, liebe Annemarie, herzlich für die Beantwortung unserer Fragen.