Von Regina Mengel
Ich hatte mal vor Jahren einen Professor an der Uni, der sagte zu mir: „Wenn Sie eine Hausarbeit über Elefanten schreiben wollen, passen Sie auf, dass sie am Ende nicht über moderne Hölzer schreiben.“
Was wollte er mir damit sagen? Der asiatische Elefant lebt … na wo schon? In Asien, genau. Und in Asien wächst der Teakbaum. Frei nach dem Motto:
Steht ein Elefant neben einem Teakbaum.
Sagt der Teakbaum: „Hallo Elefant.“
Sagt der Elefant: „Hallo Teakbaum. Aus dir könnte man auch einen schönen Schreibtisch machen.“
Und Schwupp sind wir bei modernen Hölzern. Wobei sich mir die Frage aufdrängt: Ist Teakholz noch modern? Wer kauft sich denn heute noch Teakmöbel? Ist das nicht inzwischen verpönt? Meine Güte, die Uni ist ja auch schon ein paar Jahre her. Wie schnell die Zeit vergeht. Da denkst du dir nichts und plötzlich sind mal eben so zehn Jahre vergangen. Und dann wieder zehn und wieder und auf einmal fühlst du dich uralt und hast graue Haare.
Ups, ich schweife ab. Wahrscheinlich wusste besagter Professor ganz genau, warum er gerade mir diesen Ratschlag gab. Da der gute Mann mit belletristischer Literatur nicht viel am Hut hatte – zumindest in der Vorlesung, er trichterte uns Volkswirtschafslehre ein -, stellte sich mir irgendwann die Frage: Kann man denn diesen Elefanten/Hölzer-Kram auch einfach so auf einen belletristischen Text anwenden? Wie gut (oder schlecht) machen sich in einem Plot eigentlich solche Ab- und Ausschweifungen?
Einerseits gibt es ja ganze Bücher, die von solchen Stilmitteln leben – wer Walter Moers kennt, kennt vielleicht auch die Mythenmetzsche Abschweifung, eine sehr unterhaltsame Art der Abschweifung, die aber auch manchem Leser Zahnschmerzen verursacht haben mag. Mir übrigens nicht, ich liebe den gepflegten Schwachsinn und hoffe, dass mir Walter Moers diese Klassifizierung seiner Bücher nicht übel nimmt. Andererseits ist ein Zuviel des Guten nun mal immer ein Zuviel des Guten.
Ich selbst habe mich kürzlich an meinen ersten Roman in der Ich-Perspektive gewagt. Und da schweife ich ab, was das Zeug hält, bzw. ich lasse meine Erzählerin in ihren Gedanken abschweifen. Das hat mir ungeheuer viel Spaß gemacht. Ich glaube, die Art der Erzählerin passt zum Plot und macht einen Teil der Komik der Geschichte aus. Noch ist es der Glaube, der mich trägt, denn meinem Lektor habe ich den Text noch nicht präsentiert. Vor seiner Wertung fürchte ich mich ein wenig. (Ausgerechnet ein Mann bei einem Chick-Lit-Roman, was habe ich mir nur dabei gedacht. Aber einen guten Lektor kann ja bekanntlich nichts erschüttern.)
Und schon wieder bin ich abgeschweift. Oder heißt es abgeschwiffen? Klingt beides ziemlich blöde. Also zurück zu der Frage: Wie wichtig ist es, am Thema zu bleiben? Und warum streicht mir mein Lektor gnadenlos alles raus, was er für unnötig oder zu lang oder als unwichtig empfindet? Klar, die letzte Entscheidung liegt bei mir, aber meist liegt der Mann einfach richtig. Wenn ich den gekürzten Text lese, klingt er viel spannender.
Vielleicht wird der eine oder andere jetzt einwerfen: So ein Lektor ist auch nur ein Mensch und er richtet sich doch auch nur nach seinem Geschmack. Das ist doch alles subjektiv und ein anderer Lektor wird das ganz anders sehen.
Das bestreite ich. Ein guter Lektor beherrscht die Kunst, seinen Geschmack außen vor zu lassen. Ein guter Lektor hilft einem Buch aufs Pferd, auf dass es in die Herzen der Leser galoppieren möge. Dazu gehört auch das Thema Abschweifung. Unnötige Längen vermeiden, am roten Faden bleiben, immer an der Prämisse schreiben, nennt man das. Ja, es ist schwer – besonders am Anfang – und besonders für die, die intuitiv schreiben. Diejenigen Autoren, die zuvor einen Plot entwickeln, haben es vielleicht eine Spur leichter. Aber das liegt nun mal nicht jedem. Schreiben ist ein individueller Prozess, den jeder für sich interpretiert und umsetzt. Ich entwickele immer zuerst einen Plot. Wenn ich einfach drauflos schreibe, endet das Buch in der Mitte und ich kriege die Kurve nicht mehr – selbst bei einer Kurzgeschichte stand ich schon mal kurz vor dem Scheitern. Gut ist es da, auf Autorenfreunde zurückgreifen zu können, die Rat und Tat anbieten.
Ha! Erwischt! Schon wieder schweife ich ab.
Zurück zum Lektorat. Unlängst las ich irgendwo sinngemäß folgende Zeile: „Ich bin Realist und keine Esoteriker, deshalb möchte ich von der Korrektur eines Lektors absehen.“ Ich gebe zu, verstanden habe ich nicht, warum man an Esoterik interessiert sein muss, um sein Werk einem Lektorat zu unterziehen. Jedoch hat der Satz mich zu dieser Kolumne inspiriert.
Ich stehe häufiger staunend vor Missverständnissen zum Thema Lektorat. Bilde ich mir das ein? Oder wissen tatsächlich viele Autoren nicht, wozu so ein Lektorat gut ist? Dass es sich nicht um ein Korrektorat handelt, auch wenn viele Lektoren das Korrektorat mitanbieten. Dann ist es aber eben nur ein Teil der Leistung – viel wichtiger sind die inhaltlichen und stilistischen Punkte, mit denen sich Lektoren beschäftigen.
Auf der Suche nach einer eindeutigen Definition habe ich Wikipedia bemüht und mich durch die Seite des Verbands der freien Lektoren gelesen. Tatsächlich finde ich nirgends eine einfache Erklärung, was ein Lektorat für einen unabhängigen Autor genau bedeutet. Ich lese, dass Verlagslektoren am Marketing mitarbeiten, dass sie das Programm bestimmen und Bücher, gemeinsam mit dem Redakteur, redigieren. Aber was heißt das genau? Nach dieser Lektüre ist der Ratsuchende keinen Deut schlauer. Im Gegenteil. Verwirrung macht sich breit. In dem Fall würde ich auch dazu neigen, mir zu sagen: „Ne, dann lass ich doch den Scheiß lieber. Wozu Geld ausgeben, wenn ich nicht mal weiß, was ich dafür bekomme?“ Hinzu kommt, dass viele Lektoren bessere Korrektoren sind und inhaltlich und stilistisch dem Text kaum zu Leibe rücken.
Verdammt noch mal, kann das mal jemand vernünftig ausformulieren? Liebe Lektoren, die ihr da draußen für uns Indie-Autoren arbeitet oder arbeiten wollt. Ich bin froh und glücklich, meinen Lektor gefunden zu haben. Aber viele andere suchen noch nach ihrem Herzenslektor oder sie wissen gar nicht, wie sehr sie euch brauchen und wofür sie euch brauchen. Bitte gebt doch all diesen Autoren eine vernünftige Erklärung an die Hand, was ihr für sie und ihr Buch tun könnt. Vielen Dank.
Übrigens, liebe Indie-Kolleginnen und -kollegen, ich habe sehr gute Erfahrungen mit Probelektoraten gemacht. Die meisten Lektoren bieten an, ein paar Seiten kostenlos zu lektorieren, damit man sich ein Bild ihrer Arbeit machen kann.
So. Genug für heute. Jetzt schreibe ich weiter am neuen Buch. Und vielleicht erlaube ich mir, ein kleines bisschen abzuschweifen, in der Hoffnung, dass der Herr Lektor, es mir am Ende nicht wieder streicht. 😉