Von Matthias Matting
Warum finden sich bei Amazon so viele eBooks, deren Cover den Leser eher abschrecken? Warum laden Autoren Werke hoch, die durch lauter Rechtschreibfehler unlesbar sind? Die Umfrage der Selfpublisherbibel unter deutschen Indie-Autoren fördert einige interessante Antworten zutage.
Die großen Qualitätsunterschiede scheinen demnach vor allem auf zwei Faktoren zu basieren. Ich will die beiden Ursachen gar nicht „Probleme“ nennen, handelt es sich doch eher um Symptome.
Faktor 1 wird auch nicht zu ändern sein. Selbst in fünf Jahren werden sich Self-Publisher mit professionellem Anspruch, wie Qindie sie zusammenbringt, noch mit der Tatsache anfreunden müssen, dass sie ihre Maßstäbe nicht mit jedem anderen Autor teilen. Ein Drittel der Antworten sagte nämlich: Ich veröffentliche als Hobby. Und ein Hobby muss dem Betreiber, dem Autor, Spaß machen, nicht dem, der dabei zusieht (also dem Leser). Ein Hobby darf auch nicht zu viel kosten. KDP & Co. eröffnen dem Hobbyschreiber dieselben Möglichkeiten wie dem Profi-Autor, und das ist gut so.
Faktor Nummer 2 jedoch ist veränderbar. Man könnte ihn schlicht Unkenntnis nennen, es steckt aber auch eine Spur Romantik darin, die Idee nämlich, dass das wichtigste Erfolgsgeheimnis eines Buches der Inhalt ist. Die Mehrheit der Antwortenden ist dieser Meinung. Tatsächlich kann der potenzielle Käufer den Inhalt aber gar nicht einschätzen. Ja, es gibt Rezensionen anderer, aber wir wissen ja selbst, wie anfällig das System ist. Was der Käufer aber auf den ersten Blick beurteilen kann, sind Äußerlichkeiten. Wie professionell wirkt das Cover? Wie überzeugend ist der Klappentext? Erschlägt mich schon die Leseprobe mit Rechtschreibfehlern und wirren Satzkonstruktionen? Self-Publisher mit professionellem Anspruch investieren in all diese Faktoren – diese Erkenntnis, denke ich, wird sich in den kommenden Jahren unweigerlich durchsetzen.
Dass der Inhalt nicht den Erfolg eines Buches ausmacht, liegt auf der Hand. Denn was das angeht, ist – jedenfalls in groben Zügen – alles gesagt bzw. geschrieben, was geschrieben werden kann. Nach meinem Dafürhalten ist es immer die Form, die dem Inhalt übergeordnet ist. Und da wäre man ohne Umwege bei dem Kriterium, das für mich ein gutes Buch ausmacht: dem Stil, was immer auch unter diesem nebulösen, umfassenden, letztlich wohl auch subjektiven Begriff zu verstehen ist.
Der Stil vermittelt sich mir – jedenfalls andeutungsweise – schon nach wenigen Sätzen einer Leseprobe.
Und ich jedenfalls lese lieber die stilvolle Beschreibung eines ansonsten langweiligen Vorgangs als die blutrünstige, adjektiv-triefende, kitschig-grauenvolle Schilderung eines bereits 1000 Mal beschriebenen Mordes.
@Herrmann Markau
Zitat: Und da wäre man ohne Umwege bei dem Kriterium, das für mich ein gutes Buch ausmacht: dem Stil, was immer auch unter diesem nebulösen, umfassenden, letztlich wohl auch subjektiven Begriff zu verstehen ist.
Ich bin fest davon überzeugt, das jeder Leser da seinen persönlichen Geschmack hat. Bin sowohl Leserin als auch Autorin und habe einen Schreibstil, der früher meine Leser sehr polarisiert hat.
Jetzt habe ich mir zur Aufgabe gemacht, in jedem Buch verschiedene Erzählweisen anzubieten und versuche herauszufinden, was am besten gefällt. Bisher mit wenig Erfolg.
Mein größtes Problem sind nach wie vor die „technischen Aspekte“, die leider nicht nur ein E-book sondern auch ein Printbuch in seiner Qualität stark beeinträchtigen können. Am schlimmsten ist, dies wird dem Autor angekreidet.
Es gibt sicher Sonderfaktoren: ein bekannter Autor, der ein schlechtes Buch trotzdem verkauft, ein ordentliches Buch, das irgendwie in den Aufwärtstrudel gerät …
Aber mein Eindruck ist, dass doch vor allem die weit gefasste Kategorie „Inhalt“ zählt (also inkl. Stil). Insbesondere weil das auf Dauer die Zahl der Rezis und Sterne beeinflusst, von der viel abzuhängen scheint.
Das heisst nicht, dass gute Bücher erfolgreich sind, sondern solche, deren Inhalt ein hinreichend großes Segment von Lesern anspricht – also u.U. auch: einfache Sätze, kitschig, steretyp …
Es gibt so viele Bücher mit uninteressanten Covern und chaotischen Klappentexten – die trotzdem ganz oben stehen. Daran kann es auf Dauer nicht liegen.
Sehe ich auch so.
Die Form über den Inhalt zu stellen entspricht wohl der Mode, das leichtverständliche über das Mysteriöse zu stellen. Form ist leicht begreifbar und leicht kritisierbar. Dabei wird aber völlig ausgeblendet, was Mario Vargas llosa schon vor zig Jahren sagte: Das Was ist mit dem Wie untrennbar miteinander verbunden. Eine wirklich gute Geschichte ist dann überwältigend, wenn die Sprache, in der sie erzählt wird, vollkommen mit dem Inhalt verflochten ist.
Der Schlamassel mit den „schlechten“ E-Books ist also nicht nur das Offensichtliche, der Mangel bei Rechtschreibung, Stil und Logik, sondern dass Autoren, die ohne Rückmeldung und fachkundiger Kritik schreiben und veröffentlichen, den Bogen zwischen Was und Wie nicht schließen können.
Selbst wenn einer die Form beherrscht, was hilft es ihm oder mir als Leser, wenn die Form leer und leblos bleibt, weil der Autor schlicht & ergreifend nichts zu erzählen hat außer Blabla?
Das Blabla ist das Problem. Form und Stil kann man sich antrainieren; gute Geschichten aus dem steinigen Acker zu holen, erfordert Talend in Wünschelrutengehen und Schweiß. Viel Schweiß.