Von Regina Mengel
Endlich Sonnenschein, warme Temperaturen. Endlich kann ich mich mit dem Laptop in den Garten setzen und draußen schreiben. Raus aus dem muffigen Arbeitszimmer, weg vom Schreibtisch. Stattdessen im Schatten eines Baumes dem Vogelgesang lauschen, den Blick über blühende Blumen schweifen lassen und inspiriert von soviel Schönheit einen wunderbaren Roman schreiben.
Aber halt. Der Kirschbaum, der mir Schatten spenden soll, hat noch keine Blätter. Mit zusammengekniffenen Augen sitze ich da, rutsche von rechts nach links, von vorn nach hinten und wieder zurück, um auf dem Bildschirm irgendetwas erkennen zu können. Vergebens. Ich tippe trotzdem ein paar Zeilen, kann aber meine Fehler nicht erkennen, weil ich absolut nichts lesen kann. Die Sonnenbrille hilft auch nicht, im Gegenteil, der Effekt wird nur noch verstärkt. Jetzt kann ich nicht mal mehr ahnen, was auf dem Bildschirm zu sehen ist. Selbst Solitär spielen ist nicht drin.
Okay, ein anderer Plan muss her. Ich könnte mich nach oben setzen – auf den Balkon. Aber der liegt noch völlig im Schatten und da ist es vielleicht doch noch ein wenig kühl. Ich versuche es trotzdem und mummele mich in eine dicke Strickjacke. Für eine halbe Stunde funktioniert das ganz gut, dann allerdings sind meine Finger so durchgefroren, dass ich wieder zurück in den warmen Sonnenschein muss. Mit dem Manuskript bin ich auch noch nicht weitergekommen, in der halben Stunde, in der ich auf dem Bildschirm etwas sehen konnte, musste ich selbstverständlich erst mal meine Mails checken, gucken, was bei Facebook so los war, die Verkaufsränge meiner Bücher kontrollieren und eine Runde Solitär spielen, um so richtig schreibwach zu werden.
Soll ich also doch wieder zurück an den Schreibtisch? Nein, das ist keine Option. Den ganzen Winter habe ich mich darauf gefreut, endlich im Freien arbeiten zu können. Alle, die in ihren Büros sitzen müssen, sollen mich ruhig von ganzem Herzen beneiden. Schließlich arbeite ich nicht umsonst für einen Hungerlohn. Etwas Gutes muss das Ganze doch haben, und wenn es nur die Chance ist, bei schönem Wetter im eigenen Garten schreiben zu können. Davon lasse ich mich nicht abbringen.
Mir kommt ein Gedanke. Ich nehme die Abdeckhaube vom Strandkorb. Dann ziehe ich die Beinstützen raus, befestige die Kissen und lasse mich gemütlich nieder. Beine hoch, Laptop auf die Knie, ach wie gemütlich. Allerdings nicht lange. Der Laptop wird von unten reichlich warm – gekochte Oberschenkel. Außerdem kriege ich von dieser vorgebeugten Haltung mit der Zeit Rückenschmerzen. Aber ich weiß Abhilfe. Von oben hole ich mir das Laptop-Kissen. Ein sehr nützlicher Gegenstand: von unten Kissen und von oben Tischchen für das Notebook. So sitze ich schon besser. Und tatsächlich kann ich sogar einigermaßen sehen, was sich auf dem Bildschirm abspielt, die Sonne scheint mir direkt entgegen und der aufgeklappte Bildschirm beschattet sich quasi selbst.
Zehn Minuten später rinnt mir der Schweiß in Strömen von der Stirn. Verdammt, wie viel Kraft die Sonne um diese Jahreszeit schon hat. So geht das nicht. Die Hosenbeine habe ich längst bis an die Knie aufgekrempelt, ich sitze im ärmellosen Top da, aber es ist trotzdem noch zu warm. Es geht nicht anders, ich muss den Strandkorb umdrehen, weg von der Sonne, ich brauche Schatten. Supersache so ein Strandkorb, aber nur, bis man das Ding alleine umdrehen will. Ich wette, der Korb wiegt 2 Zentner. Wenn wir wenigstens einen ebenen Boden hätten, dann könnte ich es ja mit Schieben versuchen. Aber die Steine sind längst nicht mehr plan verlegt, hier sitzt einer ein Stückchen höher, da einer ein Stückchen tiefer. Ich schiebe und bleibe prompt an der nächsten Kante hängen. Also in Etappen drehen. Rechts mit einem kräftigen Ruck anheben und ein winziges Stück drehen, dann links, wieder rechts, wieder links und so weiter. Nach 10 Minuten bin ich außer Puste, aber der Korb ist zumindest soweit gedreht, dass ich für die nächste Stunde halbwegs im Schatten sitzen dürfte. Nur meine Beine werden weiter von der Sonne geröstet, aber das sollte auszuhalten sein.
Also zurück in den Korb, Laptop wieder aufgeklappt. Ah, wie schön, Schatten, ab und zu ein kühlender Windhauch. Ja, so lässt sich arbeiten. Ich schreibe ein paar Absätze, dann lasse ich den Blick schweifen. Da, zwischen den Osterglocken breitet sich ungehemmt Löwenzahn aus. Und irgendein Frechling hat meine Tulpen angefressen. Egal, ich bin hier, um zu schreiben, der Löwenzahn läuft nicht weg. Ich habe auch gar kein passendes Schuhwerk an, um in den Beeten herumzuklettern.
Einen halben Absatz später stehe ich auf. Während ich mir den nächsten Satz überlege, kann ich schließlich auch kurz das Unkraut jäten. Die verblühten Krokusse könnte ich doch bei der Gelegenheit auch zurückschneiden. Und ich muss unbedingt an die Primeln ran, die haben nicht genug Wasser abbekommen und lassen alles hängen. Außerdem sind sie gespickt mit Blüten, die es hinter sich haben, die muss ich entfernen und ein paar der Blätter, die den Blüten den Platz rauben, könnte ich auch mal wegzupfen. Eine Stunde später sehen die Primeln aus wie neu, sogar das Grün lässt sich nach einer ordentlichen Wassergabe nicht mehr hängen.
Als ich zurückkehre in den Strandkorb und zu meinem Notebook, kommt gerade die Sonne um die Ecke und gibt mir die volle Breitseite. Ich versuche den Korb noch weiter zu drehen, aber diesmal hängt er hartnäckig an einer Stelle fest und ich kriege ihn nicht mehr bewegt. Ohne Hilfe wird das nichts, das muss bis zum Abend warten, wenn der Göttergatte aus dem Büro zurückkehrt. Naja, vielleicht geht es ja noch ein Weilchen. Ich klappe den Laptop auf und schreibe noch ganze drei Absätze. Damit beläuft sich meine Tagesausbeute auf 1,5 Seiten. Naja, richtig viel ist es nicht, aber für heute muss es reichen. Morgen ist auch noch ein Tag.
Ich schnappe mir meinen E-Book-Reader, auf dem Gerät lässt sich wenigstens problemlos in der Sonne lesen. Ich seufze und lehne mich zurück. Es ist so toll im Garten zu schreiben, so ganz ohne Ablenkung und die Luft voller Inspiration.
Morgen soll es wieder schön werden, da kann ich noch mal an der frischen Luft am Manuskript arbeiten. Und wenn ich mal eine Pause brauche? Ich will noch Sonnenblumen säen, die Kräutertöpfe aus dem Winterquartier befreien und ins Beet setzen und wer weiß, vielleicht sind bald auch die Tomatenpflanzen so weit, dass ich sie nach draußen umpflanzen kann. Und irgendwann trägt der Kirschbaum genug Blätter, um mir Schatten zu spenden, der Strandkorb ist umgedreht, in den Beeten wächst keinerlei Unkraut, alle Blumen sind gewässert und von alten Blüten befreit, die Bäume beschnitten, die Hecke in Form, der Rasen gemäht, die … und der …
Spätestens dann komme ich in aller Ruhe zum Schreiben. Notfalls schreibe ich halt ein Gartenbuch.