Spannung ohne Stolpersteine

Spannung ist das wichtigste Element eines gut geschriebenen Buches. Ob es sich um innere Konflikte der Figuren handelt oder um Kämpfe zwischen Elternd und Kindern, Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder Robotern und Magiern, ohne Spannung verlieren LeserInnen schnell das Interesse. Mit ihr ist man eher geneigt, über Rechtschreibfehler, falsche Bezüge oder schiefe Metaphern hinwegzusehen.

the-stones-263661_1280Vor einem halben Jahr „stolperte“ ich über die Seite „Immerse or Die“ des Amerikaners Jefferson Smith, auf der er Bücher von Indie-Autoren und Kleinstverlagen auf Spannung abklopft. Mir gefiel die Idee so gut, dass ich ihn um Erlaubnis gefragt habe, sein Konzept hier in Deutschland umsetzen zu dürfen. Und so geht’s:

Mutige Indie-AutorInnen reichen ihre Bücher ein.

Ich stelle mich auf meinen Stepper, starte die Uhr und beginne zu lesen.

Jedes Mal, wenn mich etwas aus dem Lesefluss reißt, gibt es einen Stolperstein.

Beim dritten Stolpern ist Schluss.

Alle Stolperer und sonstige Anmerkungen werden auf meinem Blog „Spannung ohne Stolpersteine“ mit der erreichten Zeit und einem Teaser festgehalten.

Bücher, die 40 Minuten durchhalten, ohne dass ich mehr als zweimal stolpere, bekommen eine Plakette zum Angeben.

Was? Das ist eine viel zu subjektive Art, an Rezensionen heranzugehen? Aber selbstverständlich. Ich behaupte ja nicht, dass dies ein wissenschaftliches Experiment ist. Ich denke nur, dass LeserInnen das Recht haben, für ihr Geld spannende Bücher zu bekommen. Im besten Fall erkennen ich, ähnlich wie auf der amerikanischen Seite, Trends aus denen wir alle lernen können. Im schlechtesten Fall ist dies eine neue Art, Bücher zu bewerten, die allen, die sich darauf einlassen, Freude machen wird (hoffe ich).

Schaut mal vorbei: https://sos.katharinagerlach.com

 

Über mich:

Ich, Katharina Gerlach, bin begeisterte Leserin, und seit ich einen eReader habe, verschlinge ich fast nur noch Bücher von Indie AutorInnen. Da ich selbst Autorin bin (mehrfach mit dem Qindie-Siegel ausgezeichnet) und ständig danach strebe, mich zu verbessern, entschloss ich mich, das Angenehme (Lesen) mit dem Nützlichen (Sport) zu verbinden. Das Beispiel des Amerikaners Jefferson Smith hat mich beflügelt. Mit seiner Erlaubnis setze ich ab dem 1. Mai 2015 sein Konzept hier in Deutschland um.

 

2 Replies to “Spannung ohne Stolpersteine”

  1. Florian Tietgen

    Nichts gegen diese Idee, wenn jemand nach diesen Kriterien liest, ist es für ihn ganz sicher hilfreich.
    Ich aber liebe „Stolpersteine“. Ich liebe Stellen zum Innehalten, an denen ich das Buch zur Seite lege und eigenen Gedanken folge, an denen ich eine Pause für meinen Kopf brauche, wie ich sie auch zwischen zwei Gedichten mache. Die lese ich auch nicht in einem Rutsch.
    Ich liebe langsame Entwicklungen, die Zeit, die eine Geschichte braucht, um in Fahrt zu kommen. Spannung ist für mich eher zweitrangig. Es können schöne Sätze sein, die mich fesseln, Gedanken, die gewohntes infrage stellen, Inhalt, der nicht am actionreichen Geschehen gemessen wird, sondern daran, was er in meinem Kopf bewirkt, nicht daran, dass er mir zur Flucht aus der Gegenwart verhilft (was durchaus auch toll ist), sondern daran, wie gut er mich zur Auseinandersetzung zwingt, zum Denken.
    Bücher, die ich großartig finde, hätten nach diesen Attributen keine Chance. Die habe ich nämlich während der ersten 40 Seiten bestimmt schon 10 mal aus der Hand gelegt, weil ich über etwas gestolpert bin. 😉

  2. Manuel

    Ganz ehrlich: Ich halte das Konzept für interessant (lies: Ich finde, daraus könnte man viel machen); die hier präsentierte Umsetzung allerdings überzeugt mich nicht.

    Warum nicht?

    > Spannung ist das wichtigste Element eines gut geschriebenen Buches.

    Eine pauschale Behauptung, der ich nicht zustimmen muss und kann.

    > [O]hne Spannung verlieren LeserInnen schnell das Interesse. Mit ihr ist man eher geneigt, über Rechtschreibfehler, falsche Bezüge oder schiefe Metaphern hinwegzusehen.

    Und doch sind es praktisch ausnahmslos letztere Schnitzer, die in den drei bislang getesteten Titeln auf der Projekt-Website als »Stolpersteine« vorgeführt werden. Stellt sich die Frage, worum es bei diesem Projekt denn nun wirklich geht: um Spannung oder um Feinheiten des Schreibhandwerks (lies: um Fehler, die jede/r Grundschüler/in heutzutage zu vermeiden lernt)?

    Nur um nicht falsch verstanden zu werden: Das Low-Level-Handwerk (Rechtschreibung, Interpunktion, Stil) muss sowieso stimmen. Dieses Projekt bezieht sich aber namentlich nicht auf Fragen des Low-Level-Handwerks, sondern auf *Spannung*. Umso irritierender, dass nicht etwa Probleme des Spannungsbogens, also Schwächen in der Dramaturgie eines Testobjekts, als »Stolpersteine« identifiziert werden, sondern bloß simple, allzu offensichtliche Flüchtigkeitsfehler wie ein fehlendes »zu« (Testobjekt Nr. 3) oder – noch irritierender – ein korrekt (!) gesetzter Apostroph (Testobjekt Nr. 1).

    > Im Deutschen bleibt es bei Katies Hund, Boris Arm und Mamas Haus.

    Autsch.

    Zum nächsten Punkt, der mich zweifeln lässt: die fixe Idee von Spannung als »das wichtigste Element eines gut geschriebenen Buches«. Nicht nur, dass mir die eingekastelte Stilblüte auf der Startseite des Projekts ohne Übertreibung kalte Schauer über den Rücken jagt – und wer bitteschön ist überhaupt Hans-Peter Röntgen?¹ –, sondern ich frage mich auch (nicht ohne Selbstzweifel), wieso jemand sein oder ihr rezeptives Verständnis von Literatur auf die Kategorie »Spannung« reduzieren sollte? Geschweige denn, dies überhaupt zu wollen?

    Nichts für ungut – ich habe mir bloß erlaubt, meine zwei Cent zum Thema zu äußern.

    Lieben Gruß,
    Manuel

    ¹ Bitte nicht erklären – das war eine rhetorische Frage à la »Wer ist eigentlich Paul?«. Ich weiß durchaus so ungefähr, wer Herr R. ist. Nur halte ich persönlich seine An- und Einsichten für völlig ohne Belang, und in diesem Fall noch dazu für peinlich schlecht formuliert.