Von Nikola Hahn
Eine der häufigsten Fragen, die ich als Schriftstellerin gestellt bekomme, ist die nach dem Ursprung meiner Ideen. Dabei ist die Antwort denkbar einfach: Sie liegen herum. Ich brauche nur hin und wieder jemanden, der mir hilft, darüber zu stolpern. Wie das? Nun ja, die Idee zu meinem ersten veröffentlichten Roman war der sprichwörtliche Baum mitten im Wald. Ich hatte ein anderes Manuskript unzähligen Verlagen geschickt und unzählige Absagen kassiert. Mein Wohnzimmer hätte ich damit tapezieren können. Entnervt versuchte ich es über Literaturagenturen, und neue Absagen flatterten ins Haus. Doch dann meldete sich einer, der Interesse zeigte! Leider nicht an dem Manuskript, das ich vorgelegt hatte. Die Geschichte gefalle ihm, aber im Moment sehe er leider keinen Verlag, der das veröffentlichen würde. Es war die hohe Zeit der Superweiber und Zauberfrauen, da passte eine Protagonistin, die sich über eben dieses Genre echauffierte, nicht so recht in die (Verlags-)Landschaft.
„Vergessen Sie´s“, riet mir der Agent. „Schreiben Sie lieber einen Krimi mit einer interessanten Heldin, das geht dann in Serie, das ist gefragt. Da könnten Sie jedes halbe Jahr ein neues Manuskript abliefern.“
Alle Freude war dahin. Mein Gegenüber merkte das offenbar, fragte nach dem Warum. Was sollte ich sagen? Dass ich zwar nichts gegen interessante Heldinnen, aber keine Lust hatte, Bücher nach Schema F zu schreiben, in denen das immer gleiche Erfolgsmuster kopiert wird? Am Ende sollte ich gar eine toughe Kommissarin kreieren, die superduper, jeden Fall löst? Ich versuchte es mit Humor. „Die interessante Heldin habe ich doch jeden Tag im Dienst.“ Stille am anderen Ende. Ich dachte, das war´s. Aber es kam die Frage: „Was lesen Sie eigentlich gerade?“ Ich musste nicht lange überlegen: „Der Medicus von Noah Gordon. Ein wunderbares Buch!“ Schweigen. Und dann: „Sie sind Polizeibeamtin. Sie mögen historische Romane. Haben Sie mal daran gedacht, beides zu verbinden?“
Die Idee war geboren, und sie faszinierte mich. Ich besorgte mir Literatur, überlegte, in welcher Zeit ich den Roman ansiedeln könnte, stieß beim Lesen auf Figuren, historische Schauplätze, Anekdoten – Material in Hülle und Fülle, aus dem sich immer neue Ideen entwickelten; ich schrieb ein Exposé, Kurzbiographien zu meinen Figuren – und plötzlich war das Problem nicht mehr, eine Idee, sondern viel zu viele Ideen zu haben!
Was das mit der Muse im Garten zu tun hat? Stellen Sie sich vor, Sie gehen eine Straße entlang, eine hohe Mauer vor Ihnen, ein rostiges Tor, dahinter ein altes, verlassenes Haus. Efeu und wilder Wein wuchern über zerbröselndes Gestein, wilde Blumen nicken im Wind, ein Duft nach überreifen Äpfeln liegt in der Luft. Wer hier wohl gewohnt haben mag? Die Antwort könnte die Idee zu einem Roman sein …