von David Pawn
Über Magier und Hexen zu schreiben ist leicht, schließlich können die zaubern. Ein Schwenk mit dem Zauberstab und jedes Problem ist gelöst. Äh … Ja, genau! Kein Leser mag Lösungen, die plötzlich und aus heiterem Himmel daherkommen, und den Helden wieder und wieder in letzter Sekunde retten, ohne dass es zuvor ersichtlich wurde, dass eine Problemlösung sich anbahnt. Zauberei aber birgt den Deus ex machina per Definition in sich. Wie sagt eine meiner Romanfiguren so treffend: „Ich bin Zauberer. Ich kann alles.“ Ein guter Held darf aber nicht alles können, er muss Schwächen haben, wo der Antagonist angreifen kann. Er muss sich mit Problemen herumschlagen, die nicht durch einen Holzstock und einen Schwenk des Handgelenks lösbar sind. So wünscht sich das der Leser. Selbst wenn die Zauber schwierig sind, wird es mit der Zeit öde. Ah, denkt sich der Leser nur, wieder mal Zeit für einen tollen Spruch.
Frau Rowling hat für dieses Problem eine geniale Lösung gefunden, die der Grundidee ihrer Bücher bereits innewohnt. Ihre Zauberer sind Kinder, Schüler, die Magie erst erlernen müssen. Sie schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie kann während der Schulstunden den Leser parallel zu den Protagonisten mit der Magie vertraut machen, um die frisch erlernten Zauber bei der nächsten Konfrontation anzuwenden. Und sie macht dies ausgiebig. Und sie wendet gleich noch einen zweiten Trick an. Ihr Held wurde über zehn Jahre von seinen Verwandten dumm gehalten. Er muss sich, wie der Leser, erst in die Welt der Magie und Magier hineinfinden, Dinge erst lernen, die für seine Mitschüler Alltag sind. Damit lernt auch der Leser immer Neues in dieser fremden Welt, ohne dass die Autorin seitenweise Erklärungen nach Art eines Lexikons verfassen musste.
Ich habe in meinen magischen Büchern ein ganz anderes Kaliber von Zauberern und Hexen. Das sind Heiler, ausgebildete Fachleute, die ihre Magie aus dem Effeff kennen. Mir bleibt nur die Option, Magie nicht immer die Lösung aller Probleme sein zu lassen. Natürlich ist es da ganz gut, dass einige der „Antagonisten“ meiner Helden Krankheiten sind. Da darf Zauberei auch mal machtlos sein.
Aber prompt erwächst ein neues Problem. Meine Geschichten haben ein wenig etwas von Detektivromanen, und da gilt, dass man nicht mit einer Auflösung um die Ecke kommen darf, für die der Leser keine Hinweise erhalten hat. Schön, mache ich gern … äh … meine Krankheiten sind ausgedacht, existieren nicht wirklich, finden sich auch bei intensiver Recherche nicht im Netz. Heißt also, ich muss nicht nur die Puzzleteile für den Leser bereitlegen, sondern irgendwo auch noch das gesamte Bild verstecken, das sie ergeben sollen.
Ich meine, wenn ich einen Arztroman (keinen dieser romantischen Schinken, sondern einen mit einem richtig schwierigen Krankheitsfall) schriebe, mein Patient käme z. B. von einer Forschungsreise aus Afrika wieder, wo er Flughunde beobachtet hätte. Er kommt sechs Wochen später mit grippeähnlichen Anfangssymptomen ins Krankenhaus. Er wird behandelt, das Fieber geht zurück. Er scheint geheilt. Kurz bevor er entlassen werden soll, steigt das Fieber plötzlich wieder an, es treten Blutungen im Mund und blutiger Stuhl auf. Spätestens jetzt sollten die Ärzte mal auf Ebola testen. Und das kann auch der belesene Konsument meines Buches ahnen.
Aber wie sieht es mit Grünstreifigkeit aus? Da muss ich erklären, worum es sich handelt, wie sie sich auf den Patienten auswirkt. Da ich es meinen Heilern nicht leicht mache, ist sie nicht das Bild, sondern nur ein Puzzle-Teil. Ich muss also sozusagen die Ränder beschreiben, wo dieses Teil mit anderen zusammenpassen könnte.
Nun ist es aber so, dass endlose Beschreibungen in Büchern nicht nur für den Leser langweilig sind, sondern auch noch blödsinnig wirken. Stellen Sie sich zwei Ärzte vor, die sich die Symptomatik von Windpocken erläutern. Funktioniert nicht? Gut, denn das würden die in Wirklichkeit niemals tun. Fachleute erklären sich keine Trivialitäten. Da habe ich Glück, denn mein Held ist ein Exot an dieser Heilerstation. Handwerker, keine medimagische Vorbildung – der darf also hin und wieder mal dumme Fragen stellen. Insofern gleicht er Harry also ein wenig. Er ist ein Außenseiter. Aber ich darf den Bogen auch nicht überspannen, damit er nicht wie ein Volltrottel rüberkommt, den der Leser nicht mag.
Was so einfach scheint, über Leute zu schreiben, die zaubern können, die alles können, erweist sich also als ziemlich schwierig, wenn es gleichzeitig spannend, überraschend und auch nachvollziehbar für den Leser bleiben soll. Ich bemühe mich.