Hope For The Broken Hearted – Von den Männern

von René GrandjeanKolumne_allg_02

Was bisher geschah: Ich verlor den Glauben an die Liebe und meinen Regenschirm, entwickelte ein Konzept für eine Sitcom und verwarf es, schaute Serien auf Netflix und tröstete meine Freundin Libelle in einem schlimmen Fall von Liebeskummer wegen eines Typen Namens Dick. Wenige Woche später …

Teil 2

„Pimmelbilder!“, ereifert sich Libelle. „Du hast ja keine Ahnung, wie unterschiedlich Schwänze aussehen können. Es gibt sie in allen Größen, Formen, Farbschattierungen …“

„Pst! Sprich doch bitte etwas leiser, ja?“ Ich bemühe mich, Libelles Enthusiasmus ein wenig zu bremsen. Das Café, in dem sie mir gegenübersitzt, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Leute gucken schon.

„… krumme Pimmel, beschnittene Pimmel, Pimmel mit krausem Gebüsch drum herum, Irokesenfrisur, dicke Pimmel, die aussehen wie Leberwürste, dünne Pimmel, die an Lakritzstangen erinnern …“ Libelle unterstreicht, was sie sagt, mit ausladenden Gesten. Mir bricht der Schweiß aus. Ich lächle gequält, führe meine leere Tasse zum Mund, täusche vor, ich tränke einen Schluck. Ein Psychologe spräche von Übersprungshandlung.

„… Pimmel mit Schmuck, tätowierte Pimmel, abgeschnürte Pimmel, Pimmel im Kostüm …“ Libelle steht regelrecht in Flammen. Ihre Augen leuchten vor schierem Übermut. Ich muss dem Einhalt gebieten oder den Tod durch Genieren sterben.

„… Mords Prügel, so dick wie mein Unterarm! Mal ehrlich, wo soll so ein Teil denn …“

In meiner Verzweiflung versetzte ich ihr unter dem Tisch einen Tritt vors Schienbein. Sofort reißt ihr Wortschwall ab. Sie bedenkt mich mit diesem Blick, den ich schon öfter an ihr sah. Ich deute ihn als visuelle Übersetzung des Satzes „würde ich dich bloß ein ganz kleines bisschen weniger mögen, ich würde dir auf der Stelle die Fresse polieren!“

„Sorry, Du schienst in einer Schwanz-Endlosschleife gefangen“, rechtfertige ich mein rüdes Verhalten. Ich sage das so leise, wie es mir möglich ist. Weil sie darauf nichts erwidert, nur beleidigt dreinschaut, fahre ich fort. „Und dafür gibt es eine App, die du auf deinem Smartphone installiert hast?“ Ich bin ehrlich verwundert. Libelle beugt sich vor, stützt die Ellbogen auf den Tisch, bringt ihr Gesicht näher an das meine, bevor sie antwortet. Sie schaut schon wieder viel freundlicher drein. „Es ist eine Kontaktbörse im Netz.“

„Wo Bilder von Genitalien getauscht werden?“ Meine Begriffsstutzigkeit ist in diesem Fall ehrlich nicht gespielt.

„Wo man den richtigen Partner sucht!“, sagt sie. Das bringt mich zum Lachen, wenn auch nur kurz, weil sie mir den Tritt vors Schienbein mit gleicher Münze heimzahlt. Libelle scheint bei diesem Thema echt nicht zum Scherzen aufgelegt. Ich entschuldige mich und gelobe mehr Ernsthaftigkeit. Zwar gelingt es mir nicht gänzlich, meinen Hohn zu verbergen, aber im Folgenden überhört sie ihn großzügig. „Was geht denn sonst so in Deiner Kontaktbörse?“, frage ich.

„Man schreibt sich Nachrichten“, erklärt sie knapp. Mit einer kreisenden Handbewegung fordere ich sie auf, fortzufahren.

„Gut, meistens lautet die Nachricht: Was suchst du?“

„Weiter.“

„Und völlig egal, wie meine Antwort lautet …“

„Ja?“

Unvermittelt knallt Libelle ihre Stirn auf den Tisch und wimmert: „Pimmelbilder.“

Die Gespräche an den Nebentischen verstummen, Köpfe werden verrenkt.

„Vielleicht“, gebe ich zu bedenken, „bist du da nicht am richtigen virtuellen Ort.“

„Darum tinder ich jetzt“, nuschelt Libelle in das Holz der Tischplatte.

Ja, so sagt man das. Ich tinder. Nicht etwa ich tindere, was in meinen Ohren besser klänge. Oder zumindest weniger falsch. Ich tinder. Wo gehst du? Ich geh’ Bahnhof! Ja, ja. Ich tinder, du tinderst, er/sie/es tindert, wir tindern, ihr tindert, sie tindern. Vom Eigennamen zur Tätigkeit, das schaffen die wenigstens. Google fällt mir da ein. Tinder ist, für die wenigen Unwissenden, im Groben schnell erklärt. Es handelt sich dabei um eine App. Du lädst ein Bild von dir hoch, das anderen Nutzern gezeigt wird, im Gegenzug bekommst du deren Bilder zu Gesicht. Gefällt dir, was du siehst, wische über den Touchscreen nach rechts. Gefällt es Dir nicht, ab damit nach links ins digitale Nirwana. Finden zwei Nutzer sich gut, das nennt man ein Match, können sie chatten (Was suchst du? Sie wissen schon). So einfach, so genial. Der Rest ist, was du daraus machst.

Um auf Libelles Eingangsfrage zurückzukommen – nein, ich weiß nicht, wie unterschiedlich Schwänze aussehen können. Meine Zeit in Sammelumkleiden liegt lange zurück und war kurz. Schon damals missfiel es mir, wenn in einem Raum mehr als nur mein nackter Penis herumbaumelte.

„Libelle, wie alt bist du?“, frage ich.

„So eine Frage stellt man einer Dame nicht, du Bauer!“

„Entschuldige bitte. Worauf ich hinaus will …“ Ich lege mir die folgenden Worte sorgfältig zurecht, bevor ich sie ausspreche: „Was soll der ganze Stress? Du bist okay.“

„Ich bin okay?“ Oh, oh, das ging nach hinten los. Libelle ist pissed.

„Du bist ein Arsch!“, blafft sie mich an. „Ich erzähle Dir jetzt mal etwas von okay.“ Blitzschnell streckt sie einen Arm über den Tisch, lässt ihn vorschnellen wie eine angreifende Cobra und stupst mit dem Zeigefinger meine Nasenspitze an. „Ihr Männer seid allesamt Vollidioten.“ Ich sauge hörbar die Luft ein, setzte zu einer schlagfertigen Erwiderung an, aber nichts will mir einfallen. Verflucht. „Und ich erkläre dir jetzt, warum“, verkündet Libelle triumphierend. „Höre ausnahmsweise einfach zu, vielleicht lernst du noch etwas über dich.“ Ich nicke, lehne mich zurück und lausche.

„Im Groben kann man euch Männer in vier Gruppen einteilen. Beginnen wir mit …“

1. Der Nacktmull

Die mit Abstand schlimmste Ansammlung von Männern bildet die Gruppe Nacktmull. Nicht mehr ganz jung, noch nicht wirklich alt, ist ein Nacktmull auf dem besten Weg, seine optischen männlichen Attribute einzubüßen. So hat ein typischer Nacktmull bereits keinen Hintern mehr in der Hose. Seine Gesichtszüge sind auf eine unattraktive Art feminin, seine Wangen ergeben sich zusehends der Schwerkraft, hängen im schlimmsten Fall lefzenartig herab. Sein Haupthaar ist schütter oder, was häufiger vorkommt, gänzlich verschwunden. Die Augenbrauen des Nacktmulls sind schmal und von heller Farbe, was dem Blick der trüben Augen jeglichen Ausdruck nimmt. Der Nacktmull rasiert sich täglich das Gesicht und cremt sich die grobporige Haut ein, in der Hoffnung, weitere Faltenbildung zu verhindern. Das misslingt selbstverständlich. Im Ergebnis glänzt ein Nacktmull wie ein in Vaseline getunktes Wattestäbchen. Seine Kleidung ist praktisch. Knallbunte Multifunktionsjacken, Wanderschuhe, Hosen aus Kunststoffen, die die NASA entwickelt hat. Über die modischen Eskapaden jüngerer Geschlechtsgenossen kann ein Nacktmull nur lachen, weil Eitelkeit etwas für unwissende Dumpfbacken ist. Ein Nacktmull ist darüber längst hinaus, hat er doch in seinem Leben bereits alles gesehen, alles gegessen und alles getrunken. Als gestandener Bescheidwisser beeindruckt der Nacktmull jüngere Damen oder sogar Mädchen mit seiner Lässigkeit und seinem allumfassenden Wissen zu restlos jedem Thema. Ein Nacktmull weiß nämlich alles. So auch, dass Männer wie Weine mit den Jahren der Reife immer besser werden.

„Jedoch, an dieser Stelle“, raunt Libelle mir verschwörerisch zu, „irrt er.“

„Tatsächlich?“, sage ich, um ihrem stechenden Blick irgendetwas entgegenzusetzen. Sie nickt und fährt fort.

Der Männer-Wein-Vergleich ist mit Sicherheit das größte Unglück für die gesamte westliche Gesellschaft. Du fragst warum? Weil er Männer wie den Nacktmull in der trügerischen Sicherheit wiegt, es wäre ein Automatismus, als Mann mit zunehmendem Alter für das andere Geschlecht attraktiv zu bleiben. Aber mitnichten. Welche Frau mit klarem Verstand möchte an ihrer Seite einen kahlen glänzenden Klugscheißer ohne Arsch in der Hose, der zu viel trinkt und das Sex-Appeal einer alten Frau versprüht? Der nach schwerem Rasierwasser riecht und davon lebt, seinen Mitmenschen Gespräche über uninteressante Themen aufzuzwängen, während derer er sich an seiner Rechthaberei labt? Und das väterliche Gehabe gegenüber jüngeren Frauen dient nur einem einzigen Zweck. Pause. Pause. Pause.

„Ficken!“, artikuliert Libelle überdeutlich, als sie merkt, dass ich auf der Leitung stehe. „Was immer geschehen mag“, beschwört sie mich, „Du musst um jeden Preis verhindern, dass du ein Nacktmull wirst, ja? Versprich es mir!“

Die Dringlichkeit ihrer Bitte überrascht mich. „Okay, sicher, klar doch. Wieso denn überhaupt Nacktmull?“, möchte ich wissen.

„Weil Nacktmulle wie Pimmel aussehen.“

„Oh“, mache ich und frage nicht weiter. Ganz schön gemein, was Libelle da sagt. Aber das denke ich nur.

2. Das Mannkind

Die mit Abstand schlimmste Ansammlung von Männern bildet die Gruppe Mannkind. Oder auch Kind-Mann, das ist beliebig. Das Mannkind ist ein massiger Kerl, muskulös oder fett, mit einem breiten Stiernacken und Oberarmen dick wie Torpfosten. Sein Haar trägt es stets akkurat kurz geschorenen, so wie die Soldaten des United States Marine Corps es tragen. Auch das Mannkind ist nämlich ein Kämpfer, ein Haudrauf, ein verwegener Hund, welches sich über seine körperliche Kraft definiert. Ihm bleibt auch kaum etwas anderes übrig, besitzt es doch den Intellekt und damit einhergehend die Frustrationstoleranz eines Zehnjährigen. Sind die Sneaker seiner Wahl im Schuhgeschäft nicht vorrätig, schmollt es, schiebt beleidigt die Unterlippe vor oder stampft wütend mit dem Fuß auf, bis seine Frau/Freundin/Ersatzmutter es zur Räson bringt. In Gruppen sind Mannkinder gefährlich, weil gewaltbereit, was der Unfähigkeit geschuldet ist, Gefühle verbal zum Ausdruck zu bringen. Das Mannkind ist gerade eben intelligent genug, um zu erkennen, dass es nicht intelligent ist. Dieses zu kompensieren ist Antrieb all seines Handelns und Tuns. Es motzt sein Auto auf, stählt seinen Körper, dominiert körperlich Unterlegene und benutzt Fremdworte, die es nicht begreift und falsch ausspricht.

„Es raubt mir des Nachts den Schlaf“, knirscht Libelle, „wenn ich daran denke, dass Schwachköpfe wie er Kinder in die Welt setzen und sie mit einem Weltbild aus der Steinzeit prägen!“

„Schwachköpfe wie er?“ Langsam glaube ich zu verstehen, woher der Wind weht. „Sag mal, hattest du in letzter Zeit irgendwelche Dates?“

„Du wolltest doch nur zuhören!“

3. Mister Lover Lover

Die mit Abstand schlimmste Ansammlung von Männern bildet die Gruppe Mister Lover Lover. Ein solcher Mann sieht gut aus, ist gebildet und stammt aus gutem Hause. Von Beruf Mediziner, Pilot, Rechtsanwalt, irgendetwas Beeindruckendes mit viel Verantwortung für das Wohlergehen anderer Menschen. Ein gehobenes Einkommen, eine überdimensionierte Wohnung, ein bis zum Bersten aufgeblasenes Ego. Er fragt nicht, er fordert. Er hilft nicht, er delegiert. Er lädt nicht ein, er bestellt dich zu sich. Seine Mutter trägt die Schuld, dass er so ist, sie hat ihm als Kind zu viel durchgehen lassen. Jetzt tollt er durchs Leben wie ein schlecht erzogener Hund, der beim Essen den Kopf auf den Tisch legt. Er will keine Partnerin, sondern eine Trophäe. Im Idealfall zwanzig Jahre jünger als er selbst. Etwas Vorzeigbares, das seine Kumpels vor Neid erblassen lässt. Etwas, das ihnen unmissverständlich aufzeigt, wer den Längsten hat. Nichts auf intellektueller Augenhöhe, es macht doch nur Arbeit, haben beide eine Meinung. Er nennt sie Baby oder Kleines und genießt, dass andere Männern seine Beute mit begehrlichen Blicken abtasten wie mit gierigen Händen.

„Ein Freund von mir ist Mediziner“, unterbreche ich sie, „und er ist ein feiner Kerl.“

„Wie alt ist seine Freundin?“

„Äh, okay, mach weiter.“

4. Der romantische Spinner

Die mit Abstand schlimmste Ansammlung von Männern bildet die Gruppe der romantischen Spinner. Dem Mann dieser Gattung wurde schmerzlich das Herz gebrochen, dennoch glaubt er mit all der ihm verbliebenen Kraft an die eine große Liebe. Er leidet, gibt sich tiefsinnig, eigenbrötlerisch, ist den schönsten Künsten zugewandt. Mit seiner zurückhaltenden Art wirkt er distanziert, verschüchtert, wodurch er mit jeder Zelle seines Körpers „Rette mich“ schreit, kommt eine für ihn interessante Frau in seine Nähe. Beruflicher Erfolg ist ihm unwichtig, er möchte sich selbst verwirklichen, nachdem er sich gefunden hat. Letzteres wird aber niemals geschehen, weil der romantische Spinner in einem so hohen Maß von äußeren Einflüssen abhängig ist, das er niemals zur Ruhe kommt. Ein Film, ein Song oder ein Gespräch, schon steht sein Weltbild mir nichts dir nichts auf dem Kopf. Dann sagt er Sätze wie „das letzte Prince Album hat mein Leben verändert“ oder „Filme von David Lynch zeigen durch ihre Surrealität die Unsinnigkeit des menschlichen Seins“ und schon geht die Suche von vorne los. Als Partnerin bleibt dir nichts übrig, außer hinterher zu stolpern.

Mir reicht es. „Und in welche Gruppe gehört Dick?“, frage ich angriffslustig, im völligen Bewusstsein, das die Erwähnung des Ex ein unfairer Zug ist.

„In keine. Er hat von allen etwas.“

„Ach so läuft der Hase! Wenn es Mischformen gibt, sind es ja nicht nur vier Gruppen, sondern … äh.“ Ich nehme die Finger zur Hilfe, um diese komplizierte Rechenaufgabe zu lösen, doch es gelingt mir nicht. „Libelle“, sage ich stattdessen, „bitte verrate mir, was hier los ist. Was quält dich so?“

Libelle starrt leeren Blickes auf die Tischplatte, schweigt für Sekunden, wie um ihre Kräfte zu bündeln, bevor sie antwortet. „Ich habe Dick gesehen. Er sah schlecht aus. Unglücklich und irgendwie … verloren.“

Ich lege meine Hand auf die ihre. „Ehrlich, das sollte dich nicht kümmern. Er wollte dich nicht an seiner Seite. Lass ihn gehen.“

Erst jetzt hebt sie den Blick. „Ich soll ihn gehen lassen?“ Sie lacht gequält. „Der Idiot weiß doch gar nicht, wo er hingehen soll!“

„Er liebt dich nicht, Libelle. Er warf dich in die tiefe finstere Schlangengrube, die sein Herz ist, um seine eigene innere Leere zu füllen. Benutzt hat er dich.“ Die Vehemenz, mit der ich diese Worte spreche, überrascht mich selbst.

Libelle zieht eine Grimasse. „Ist das aus einem deiner bekackten Romane oder was?“

„Nein.“ (Notiz an mich: In einem meiner bekackten Romane benutzen!)

„Die Schlangengrube“, hält sie dagegen, „war noch bewohnt, als er und ich uns trafen.“

Ich ziehe meine Hand zurück. „Aber so funktioniert das nicht! Eine Liebe um die andere zu verdrängen. Ich bitte dich. “

„Du bittest mich? Du bist doch der größte Blödmann von allen! Hör zu, ich erkläre es dir! Kürzlich war ich wegen Regen in der Einkaufspassage nahe beim Bahnhof gestrandet. Jene, wo dieses dämliche Bio-Öko-Restaurant seine Tische drin platziert hat.“

„Ich esse dort gerne.“

„Fresse halten! Ich stand in der Nähe der Tische und drehte mir eine Zigarette für den Heimweg, weil das im strömenden Regen ja nur schwer möglich ist. Kommt ein Kellner auf mich zu, so ein glatt rasierter gescheitelter Lutscher, und tippt mir auf die Schulter. Mich ungefragt berühren, das grenzt schon an eine Tätlichkeit, finde ich. Aber dann kam es erst richtig dicke: Deutet der Kerl doch wortlos und mit einem überheblichen Siegerlächeln auf eines der zahlreichen Rauchen verboten Schilder. Gut, wie du willst, dachte ich mir, marschierte schnurstracks zum nächststehenden Tisch, wo ein Ehepaar im mittleren Alter Dinkelfrikadellen aß und sagte: „Essen geht in Ordnung, aber scheißen dürfen Sie hier nicht, ist das klar!“ Dann ging ich meiner Wege.

„Ach, Libelle.“

„Und genauso bist du!“

„Ich wollte noch nie in ein Restaurant …?“

„Stell Dich nicht blöd! Was ich meine, du machst den zweiten Schritt vor dem Ersten. Wer nicht spielt, hat schon verloren.“

„Ist das aus irgendeinem Film? Aus Die Farbe des Geldes vielleicht?

„Du nimmst dich aus der Gleichung, du Feigling.“

„Ich bin zufrieden mit meinem Leben“, entgegne ich kleinlaut, um keinen Anlass für weiteren Ärger zu liefern. Ach, drauf geschissen! „Okay, ich will dir sagen, wie es mit euch Frauen läuft. Grundsätzlich sollte jedes Handy einen Selbstzerstörungsmechanismus besitzen, ausgelöst durch das Tippen der Wortkombination „Warum meldest du dich so selten?“ Ihr wedelt eure überdimensionalen Handtaschen durch volle Zugabteile wie Barbarenkrieger ihre Äxte auf dem Schlachtfeld. Kinderwagen haben selbstverständlich immer Vorfahrt, bitte sehr! Natürlich musst du nie beiseite gehen, wenn du eine Frau bist, besonders dann nicht, wenn dein Arsch so breit ist wie eine Regentonne. Ihr seid alle Elfen. Treffe ich eine, der mein Äußeres gefällt, wird sie mir in Kürze Eitelkeit vorwerfen, weil ich einen Föhn besitze. Sie findet es toll, das ich schreibe. Es dauert zwei, maximal drei Wochen, bis sie sich über zu wenig Aufmerksamkeit beklagt. Toll, ‚du gehst gerne aus‘ verwandelt sich in ‚du trinkst zu viel‘ und ‚wir machen so wenig gemeinsam, geh doch mit zum Zumba‘. Ich würde lieber sterben, als zu Latin herumzuhüpfen wie ein Geisteskranker. Warum begleitest du mich so selten zu meinen Eltern? Weil deine Eltern Idioten sind! Du machst so wenig im Haushalt, alles bleibt an mir hängen. Ich will auch nicht vom Boden essen. Du sagst mir gar nicht mehr, dass du mich liebst? Weil ich dich nie geliebt habe!“

Mucksmäuschenstille im Café. Alle starren mich an. Ich ziehe meinen Stuhl heran und setze mich eilig wieder hin. Mein Atem geht schwer und ich schwitze.

„Du hast gebrüllt“, kichert Libelle. Da ist auch Anerkennung in ihren Augen. Ich zögere kurz, dann springe ich auf.

„Wo willst du hin?“, ruft sie mir nach.

„Zur Toilette, Fotos schießen. Wie hieß noch gleich diese App?“