Von Kettensägen und schlechtem Blut: Martina Bauer im Qinterview

Qinterview 3Ihre Titel lesen sich ein bisschen nach Splatter, obwohl „Kettensägenmassaker“ ja auch schon in der intellektuellen Filmwelt Schlingensiefs vorkamen.
Vielleicht muss Martina Bauer einfach die Idylle der südlichen Weinstraße mit ihren Geschichten etwas brechen?
Wir sind jedenfalls gespannt auf ihre Antworten auf unsere Fragen:

1.    Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?
Ich heiße – nicht wirklich eine Überraschung – Martina Bauer und wurde 1968 in Baden-Württemberg geboren, habe längere Zeit im schönen Heidelberg gelebt und dort als Krankenschwester gearbeitet. Mein Herz habe ich aber anderswo verloren. Vor zehn Jahren zog ich der Liebe wegen an die Südliche Weinstraße. Hier lebe ich mit meinem Mann und meinem Sohn.
In puncto Self-Publishing kann ich drei Veröffentlichungen vorweisen:
„Schlechtes Blut“, ein unheimlicher Thriller
„Route 666“ – Höllische Geschichten. Es geht um besessene Laptops, menschliche Maulwürfe, Götter mit Verdauungsproblemen …
„Das Pfälzer Kettensägen-Massaker“: Eine Horror-Geschichte aus der deutschen Provinz. Hier schreibe ich unter dem Namen Lucy Ferra.
2.    Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?
Nun, zunächst war das eine Notlösung. In meiner Schublade lagen drei Geschichten, die im Rahmen verschiedener Ausschreibungen und Wettbewerbe entstanden waren, aber nicht angenommen wurden. Die Verlage sind nicht wirklich scharf auf Kurzgeschichten im Genremix, deswegen habe ich gar nicht erst versucht, einen zu finden. Also packte ich die Geschichten zu einer Sammlung, der „Route 666“, zusammen und lud sie bei Neobooks hoch.
Als die ersten Absagen für  mein Manuskript „Schlechtes Blut“ eintrudelten, pfiff ich auf das monatelange Warten auf eine weitere Standard-Absage und machte ein kurzerhand ein Indie daraus.
Dazu kommt, dass ich eine Lektorin für meine selbst publizierten Werke gefunden habe, der ich sehr vertraue.
3.    Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?
Gut : Wobei meine E-Books nicht gerade zu den ganz großen Kassenschlagern gehören. Aber das liegt wohl nicht daran, dass ich sie selbst veröffentlicht habe.
4.    Was findest du beim Self-Publishing problematisch?
Die Vermarktung des eigenen Buches ist eine zeitaufwändige Angelegenheit. Zumal man stets auf dem Laufenden bleiben muss: Welcher Distributor ist für mich geeignet? Welcher Coverdesigner? Wie finde ich einen geeigneten Lektor, und ist er sein Geld wert? Kriege ich die Ausgaben wieder rein, und was kann oder muss ich dafür tun? Man muss eine gewisse Präsenz bei den Lesern zeigen, in sozialen Netzwerken agieren, oder, noch besser, einen eigenen Blog erstellen. Und, und, und …
Warten wir ab, was die Zukunft bringt. Ich denke, da wird sich noch einiges tun. Genaugenommen steckt das Selfpublishing ja noch in den Kinderschuhen. So richtig brummt das erst seit wenigen Jahren. Wohin sich das weiter entwickelt, weiß keiner. Ich denke, da wird sich noch viel tun; die Verlage und Agenturen werden reagieren, vielleicht verstärkt von sich aus auf erfolgreiche Publisher zukommen, und so weiter.
5.    Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?
Qindie ist ja z.B. eine gute Möglichkeit. Hier finde ich einige Antworten auf meine Fragen und kann mich im Forum austauschen.
6.    Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)
Um alleine über mein Werk bestimmen zu können. Ich kann das Cover und den Titel selbst aussuchen, habe definitiv das letzte Wort in Sachen Lektorat, und der Verkaufspreis bzw. eine Werbe- und Rabattaktion liegt komplett in meinen Händen. Ich bin auch privat ein Mensch, der häufig vor sich  hin murmelt: „Wenn man nicht alles selbst macht …“ Wenn es nicht klappt, habe ich es selbst verbockt und muss mich nicht über jemanden ärgern.
7.    Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?
Ich habe nur zwei feste Testleserinnen. Aber die sind richtig gut, sie durchwühlen und hinterfragen die Story bis zum Abwinken. Sie  haben kein Problem damit, mich zusammenzustauchen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Die anderen Testleser wechseln; da frage ich bei Bedarf einfach auf Facebook, ob jemand Zeit und Lust hat, und bis jetzt hatte ich immer Glück, jemanden zu finden. Und es gibt es ja auch den Qindie-Testleserpool!
8.    Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)
Das kann ich jetzt gar nicht so aus dem Stegreif beantworten. Um mich herum passieren den ganzen Tag lang irgendwelche Dinge, die mich inspirieren. Natürlich stellen mir die Leute immer wieder ihre Ideen vor, über die ich ihrer Meinung nach unbedingt einmal schreiben müsste. Da blocke ich ganz schnell ab.
Übrigens nenne ich meine Leser einfach nur „Leser“. Mit dem Wort „Fans“ komme ich nicht so gut klar. So berühmt bin ich noch nicht …
9.    Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)
Nein. Ich höre das sehr oft von anderen Autoren. Mir ist das noch nie passiert. Meine Protagonisten tun immer schön brav, was ich von ihnen verlange. Klingt langweilig, aber mir ist das ganz recht so.
10.    Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?
Wenn ich mit Hochdruck an einem Manuskript arbeite, stehe ich morgens sehr früh auf und nutze die Zeit zum Schreiben, bis die Welt um mich herum erwacht. Ansonsten nutze ich jede freie Minute, um an den PC zu kommen. Andere Hobbys müssen hinten anstehen. Aber als Selfpublisher kann ich es mir ja einteilen. Das ist ein weiterer Vorteil: Man muss keine Deadline einhalten.
11.    Was machst du, wenn du nicht schreibst?
Ich lebe den üblichen Alltag wie die meisten Menschen. Familie, Brotjob in Teilzeit (ich arbeite mittlerweile in der ambulanten Intensivpflege), Haushalt. Ich verreise sehr gerne, könnte ständig in der Welt herumstreunen. Wie fast jeder Autor lese ich natürlich viel. Und ich liebe das Kino! Ich habe ein Faible für Horrorfilme.
Auch die Gesundheit kommt nicht zu kurz: Fitnessstudio, Saunabesuche … leider nicht mit der Regelmäßigkeit, die ich mir wünschen würde.
Das Liebste auf der Welt ist natürlich mein Sohn. Er wird dieses Jahr eingeschult. Die Familie kommt an erster Stelle.
12.    Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?
Ich konnte kaum schreiben, ging es schon los. Als Teenager habe ich Liebesgeschichten und Gedichte geschrieben, kannst du dir das vorstellen? Auch für eine grauenhaft schlechte Gruselserie in unserer Schülerzeitung bin ich verantwortlich. Das meiste war mir aber peinlich, und ich habe es gleich nach dem Aufschreiben wieder weggeworfen. Dann folgte eine jahrelange Phase, in der ich dachte: Eines Tages schreibst du einen Roman! Heute kann ich nicht mehr nachvollziehen, warum ich das nicht viel früher gemacht habe.
Am Ende bin ich durch meine Schwangerschaft zum professionellen Schreiben gekommen. Plötzlich saß ich einige Wochen vor dem Entbindungstermin mit dickem Bauch zu Hause und langweilte mich. Und dann dachte ich, dass mein Kind auf seine Mama stolz sein soll. Dass er, wenn er in zwanzig Jahren mit seinen Kumpels durch die Straßen zieht, an einer Buchhandlung vorbeikommt und sagt: He, seht mal her, das da hat meine Mutter geschrieben.
13.    Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?
Beim Schreiben tauche ich in eine andere Welt ein und kann die Realität ausklammern. Das ist für mich die ideale Erholung, obwohl es in meinen Romanen  nicht immer gemütlich zugeht. Schreiben ist für mich eine Art gedankliches Austoben.
Was ich nicht so sehr mag, ist die Mühsal der ersten fünfzig Seiten eines Romans. Obwohl mir diese am leichtesten von der Hand gehen, habe ich stets das Gefühl, es liegt noch ein Riesen-Berg Arbeit vor mir. Dann suche ich immer wieder Ausreden, um nicht schreiben zu müssen. Manchmal, wenn es ganz schlimm ist, fange ich sogar an zu putzen.
14.    Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?
Die Familie soll nicht vernachlässigt werden. Es ist eine schwierige Gratwanderung. Mein Mann findet im Prinzip sehr gut, dass ich schreibe, und ist stolz auf mich. Aber er kann nicht nachvollziehen, dass ich ein Manuskript, das in seinen Augen „fertig“ ist, mehrmals überarbeite. Das hält er für vertane Zeit. Vermutlich verstehen diesen Überarbeitungswahn nur Autoren.
15.    Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)
Ich war noch ein Teenager, als ich Carrie, mein erstes Buch von Stephen King, verschlang. Seine Bücher haben mich derart gefesselt, dass ich dachte: So etwas Spannendes will ich auch mal schreiben. Kings neuere Werke gehen nicht mehr so gut zu mir. Meistens lese ich Krimis und Thriller, z.B. von Mo Hayder, Tana French, Jean-Christophe Grangé. Hin und wieder einen Abenteuerroman oder Tatsachenberichte.
16.    Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)
Der Autor liest immer mit. Das kann ich nicht vermeiden. Rechtschreibfehler und Logiklöcher springen mir viel schneller ins Auge als früher. Gleichzeitig versuche ich zu lernen: Wie beschreibt dieser Autor eine Szene? Hätte ich das genauso gut gekonnt? Aber das geschieht nebenher und stört den Lesefluss nicht wirklich.
17.    Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?
Ich  habe gerade „Unbroken“ von Laura Hillenbrand gelesen, die Lebensgeschichte eines Olympialäufers, der im Zweiten Weltkrieg in Gefangenschaft geriet. Das Buch ist alles andere als schlecht. Aber mir fehlte die Atmosphäre: Viel Tell, wenig Show. Plötzlich war das Buch mit einem Schlag fertig, und ich dachte: Da fehlt doch was? Wenn ich das Buch geschrieben hätte, wäre das Ende besser geworden! Zumindest habe ich mir das eingebildet.
18.    Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?
Am meisten freut mich, wenn ein Leser nach dem Beenden eines Buches gleich ein zweites von mir kauft. Dann weiß ich, dass ich ihn überzeugen konnte.
Kritik ärgert mich, wenn sie persönlich wird. Ein Rezensent hat mal geschrieben, er könne sich nicht vorstellen, dass ich mir das alles selbst ausdenke; das meiste müsste ich irgendwo abgeschrieben haben! Darüber habe ich mich sehr geärgert, weil es total aus der Luft gegriffen war.
19.    Was wird dein nächstes Projekt?
Ich habe im Januar mit einem neuen Roman begonnen. Er spielt im Drogenmilieu, ist also mal ein bisschen was anderes. Seit einigen Wochen pausiere ich allerdings mit dem Schreiben, weil ich so viel anderes um die Ohren habe. Ich habe mir eine Auszeit bis Mai verordnet. Nach dem Familienurlaub geht es wieder mit voller Kraft voran.
20.    Wo findet man dich im Internet?
Zu meiner Schande muss ich gestehen: Ich habe immer noch keinen eigenen Blog und auch keine Homepage. Meine Leser müssen sich mit meiner Facebook-Autorenseite zufrieden geben.
https://www.facebook.com/hoellischeschreibstube
Oder direkt bei Amazon

Wir danken dir für die Antworten und wünschen dir und allen LeserInnen ein frohes Osterfest.

About Florian Tietgen

... trat 1959 als jüngerer Zwilling seinen Bruder auf die Welt, bevor der Arzt entsetzt rief: "Huch da kommt ja noch einer." Seitdem verstecke ich mich erfolgreich in unterschiedlichen Berufen und habe seit 2003 verschiedene Geschichten und Bücher veröffentlicht. Vorwiegend schreibe ich für Jugendliche und Gesellschaftsromane.