Bewertungen unter Rezensionen: Nervig oder angebracht?

Kolumne In FlagrantiWas? Rezensenten? Bloggeralltag #6

Von Jack T.R. und Tilly Jones

Jeder mag sie, jeder hat sie. Es gibt sie in den seltsamsten Erscheinungen und Formen, und stellenweise sind sie kaum als solche zu erkennen: Die Bewertungen unter den Rezensionen auf Blogs.

„Ich vergebe 3 Schweinchennasen…“

„Ich vergebe hier 4 Katzen, die sich gegenseitig den …“ 😉

„Und hier nun 7 verdiente *Ausscheidungen aus dem Anus* für…“

Sterne, Marken^^, simple Punkte, Kreise, Zombieköpfe (!), Katzen, Federn, Bücher, Eulen, Kuchen, Wolken, Gesichter (samt Mimik (geile Idee!)), halbe Bewertungsergebnisse, Frösche und weiß der Geier was noch.

Die Auswahl ist so vielfältig, wie es (Rezensions-)Blogs gibt, denn jeder will natürlich sein eigenes Flair einbringen. Wiedererkennung in der Bewertung. Das ist nachvollziehbar und sei allen gegönnt, die sich eine krude Mischung aus Pferd, Schwein und Glitzerbombe basteln wollen. Jedem das Seine, wie man so schön sagt.

Aber mal ehrlich… sind diese Bildchen unter den Rezensionen notwendig? Mal davon abgesehen, dass einige davon wirklich nachhaltige Augenschäden hervorrufen können – ist es nicht die Rezension als solche, die meine Meinung rüberbringt (oder rüberbringen sollte…)?

Innerhalb von, sagen wir mal, um die 1000 Wörter, kann ein Rezensent doch eigentlich ganz gut seine Meinung ausdrücken. Was gefiel, was nicht. Waren die Protagonisten lebensecht oder flach? Hatte die Handlung Spannung oder eher Kaffee nötig? Hat Nebenrolle X zu große Füße? Und was das mitteilungsbedürftige Rezensentenherz sonst noch so begehrt. Nachdem das also alles seinen Weg aufs Papier gefunden hat, ist der geneigte Rezensionsleser sicherlich dazu in der Lage, aus dem Meinungsfundus herauszulesen, ob das Buch nun toppt … oder eben floppt.

ABER eine einfache, gut ausgedrückte Meinung reicht nicht! OH NEIN! Da kommt das große A, das rote W, Gesichtsbuch und selbst die Oma von nebenan „Wie viele Sterne *durch eigene Interpretationen zu ersetzen* würden sie Buch XYZ geben?“ Da fragt man sich doch, warum sich die Mühe machen, eine Meinung zu formulieren, wenn es am Ende nur darauf ankommt, dass da 9, 3, 4, 5 oder gar nur 1 Stern/Rose/Biolatschen stehen. Wird denn die Rezension überhaupt gelesen, oder scrollt der geneigte Leser einfach ganz runter, findet die glitzernden, hübschen, nicht länger als 2 Sekunden anzusehenden Bildchen und denkt „Ah, drei *was auch immer es darstellen soll*! Das Buch ist nix für mich!“ und klickt sich weiter durch die Welt des bunten Wahnsinns und der geschriebenen Buchmeinung.

ABER #2 genau da liegt doch das Problem! Blog A gibt 3 Marken, begründet, lobt, sagt, dass es diesem und jenem vielleicht doch gefallen könnte wegen dem und dem, nur dass es den persönlichen Geschmack nicht so getroffen hat. Blog B gibt 3 Marken und sagt, dass dieses Buch so schlecht war und nur wegen dem heißen Badboy von nebenan lesbar. Blog C gibt 3 Marken, weil die zarte Liebesgeschichte zwischen einem grauen Mauerblümchen und der verletzten Seele eines jungen Mannes … blablabla … ihr wisst, worauf ich hinaus will.

Was also nützen die ganzen Giraffen, Kuhschwänze und Entenfedern eigentlich? Sie fügen der Meinungsäußerung nichts hinzu, sie untermauern keine Aussage und meistens spiegeln sie nicht mal die Rezension wieder. Wenn in einer Rezension nur gelobt wird und untendrunter dann plötzlich 3 verkorkste Origamiblüten auftauchen, was sagt mir das? Nichts! Rein gar nichts! Und deswegen würden wir persönlich nur allzu gerne unsere Marken weglassen. Eigentlich. Theoretisch. Praktisch einfach nicht machbar, leider. Denn *siehe oben* jeder will, dass man seine lang überdachte Meinung in ein System presst, dass aber nun mal für jeden eine andere Bedeutung hat.

Lange Rede, kurze Aussage: Nehmt die Erbsen, Knetvögel, Radioantennen, vertrockneten Blumen, bewegliche Glitzerelfen, Engel, Ostereier mit Schlafanzug …, wie sie sind, aber lest das, was oben drüber steht! Die Bewertungen sind einfach nur ein nerviges Anhängsel, das man einfach nicht loswird. Wie nasse Haare im Regen. Der letzte Tropfen Kaffee, der auf die weiße Bluse tropft. Der Cliffhanger, den so mancher Autor seinem Leser antut. Man will es nicht, kommt aber nicht drum herum. 😉

Liebe Grüße

Tilly und Jack

(die sich mainstreamhaft diesen Bewertungen unterwerfen)

9 Replies to “Bewertungen unter Rezensionen: Nervig oder angebracht?”

  1. Ira Krissel

    Genau so ist es. Und genau deswegen gibt es bei meinen Rezensionen keine blinkenden Hüte, Marken oder Entenfedern, sondern nur Worte. Genau wie in dem besprochenen Buch. Der geneigte Leser muss also lesen, um zu wissen, was ich von dem Buch halte.
    Meine Methode, aber sicher nicht die allgemeingültig richtige 😉
    Lieben Gruß, Ira

  2. Susanne

    Habt ihr mal den Testlauf gemacht, ohne die Marken auszukommen? Ich fände das großartig. Eine ausführliche und gut durchdachte Rezension braucht sowas ungefähr so dringend wie eine Kuh Schlittschuhe.

  3. Key

    Jop.
    Das ist für mich auch immer sehr schwer, meine herausgestellten Plus und Minus in das System einzubetten. Sei es nun mit 5 Punkten oder mit halben Punkten.
    Es geht ja dabei um den Vergleich zu anderen. Gerade in Buchserien ist es eindeutig: Das zweite konnte nich mit dem ersten mithalten. Ein Wimpel Abzug und jeder weiß Bescheid. Aber wann, kommt unter’m Strich so eine klare Aussage schon mal zu Stande?
    Sagen wir, ich lese 3verschiedene Bücher ein und desselben Autors. Auch hier vergleiche ich: Hat er seinen Stil mittlerweile verbessert (für meinen Geschmack)? Oder liegt ihm das eine Genre mehr? Und dann was? Dann geb ich allen drei Büchern dieselbe ‚Note‘ und doch aus ganz unterschiedlichen Gründen! Ein Kreuz is das…
    Auf seinem eigenen Blog kann man das ja gerne weg lassen! Aber will man auch andere Platformen bedienen, dann ist es ja meist gar nicht möglich ohne die Wertung abzuschicken.
    Ich bin dazu übergegangen die Sterne als Bonus zur Rezi bzw als Vote zu betrachten. Unabhängig von meinen Worten. Eben weil ich mich oft sehr schwer damit tue, diese Punkte zu vergeben.
    Punkte sammeln gehört in unsere ach so zivilisierte Gesellschaft… sei es beim Deoroller kaufen oder nen Schächtelchen Nägel im Baumarkt und der Milchtüte im Supermarkt. Genauso sammeln die Bücher auch Punkte um sie dann auszugeben für… Prestige/Ruf/Ansehen/Ranglistenplatzierungen.
    Wir gehören übrigens zur Kategorie Katzen *lach* und die lecken sich nirgendwo! Unsere Punkte’Katzen lesen! Ha! Was für eine Überraschung.
    Danke für den Beitrag ihr Zwei!

  4. Sonne

    Bravo!

    Ich gebe diesem Artikel fünf von fünf hochgesteckten Daumen 😉
    Würde man die Sterner (was auch immer) weglassen, dann müssten sich die Trolle ebenfalls Mühe geben, ihre schlechten Bewertungen glaubhaft zu untermauern. Was ja durchaus ein weiterer Aspekt dieser Punktekiste ist.

    Und Leute, die ein Buch von vorne bis hinten loben, würden nicht mehr in die Zwickmühle kommen, am Ende doch nur drei Punkte zu vergeben, weil ihnen der Verlagsname, die Coverfarbe oder der Anblick von 5 Sternen nicht gefällt.

  5. Robert Odei

    Ihr sprecht mir aus der Seele. Ich bekam nicht nur einmal Feedback in der Form von: „Die Geschichte hat mich super unterhalten. Sie war witzig und originell. Ich gebe zwei von fünf Sternen.“ Danach wußte ich selbst nicht mehr, ob ich meine Geschichte kaufen würde 🙂
    Für diesen vortrefflichen Artikel bekommt Ihr von mir 4 Odeis*

    *Ein Odei entspricht 1,35 Amazon- Sternen

  6. Florian Tietgen

    Ich gebe zu, den ganzen Artikel über hatte ich die blöde Bemerkung im Kopf „Ich gucke mir auch immer nur eure Briefmarkensammlung an.“

    Zu Beginn von Qindie hatten wir mal eine Diskussion darüber, ob wir hier auf der Seite Sternchenvergabe für die Bücher implementieren wollten. Ich hätte schon damals gern darauf verzichtet.

    Andererseits kenne ich viele Leser, die diese Sterne oder was auch immer mögen und die mir sagen, sie würden gern auch ihre Einkäufe bewerten, wenn sie nur die Anzahl der Sterne auswählen müssten. Die fühlen sich durch den Zwang, die Sterne zu begründen, eher als Verbraucher gegängelt.

    Ihr habt das Problem witzig auf den Punkt gebracht.

  7. Aletheia

    Ich vergebe keine Sternchen, Katzen oder sonst irgend etwas, denn das finde ich ehrlich gesagt albern und wenig aussagekräftig.
    Außer auf Amazon, denn da muss man ja.
    Leider.
    Mir ist bei Rezensionen wichtig, wie das Buch beim Leser ankam.
    Wie hat ihm die Geschichte gefallen?
    Wie die Protagonisten?
    Ganz wichtig ist mir, dass nicht zu viel verraten wird.
    Was ich nervig finde, ist das jeder etwas anderes unter einer Rezension versteht.
    Manch einer mag meine vielleicht zu lang finden, aber mir reicht zum Beispiel keine „Rezension“ in der nur ein Satz steht ala „Das Buch war toll!“.
    Super und sehr aussagekräftig!
    Da frage ich mich dann, ob die Person das Buch überhaupt gelesen hat!

  8. Ann-Bettina

    Hallo,
    ihr sprecht mir aus der Seele. Deshalb gibt es auf meinem Blog auch keine Gummibärchen oder so. Wer sich für ein Buch interessiert, sollte ja wohl in der Lage sein, den Text einer Rezension zu lesen und zu verstehen. Wozu will er sonst ein Buch kaufen? Bei Amazon & Co. kommt man an den Glitzerdingern ja leider nicht vorbei.
    Viele Grüße
    Ann-Bettina

  9. David Pawn

    Unsere Zeit ist so schnelllebig. Viele Leute wollen sich nicht mehr durch drei Seiten Rezension lesen, sie wollen alles in einem kurzen Punktsystem zusammengefasst. Darin liegt die Krux. Ich habe es schon einmal angemerkt, als ihr hier über die ungeliebten „3 Sterne“ referiert habt: viele lesen den Text nicht. Sie schauen auf die Punkte oder deren Durchschnitt. 4,8 -> muss gut sein. 4,3 -> äh, geht so. 3,1415926535 -> erstens zu niedrig und zweitens verstehe ich die Zahl sowieso nicht. Als Autor sieht man das ganz anders. Wenn jemand einem schreibt, das war gut, das nicht so, kann man etwas mitnehmen für das nächste Projekt. Eigentlich wäre man nur zu gern bereit, die Sterne dahin zurückzubringen, wo sie hingehören, an den Nachthimmel, aber wir werden wohl alle damit leben müssen.