Liebe Verlage und Buchhändler,

lonesomeauthorich möchte Sie bitten, Ihr geschäftsschädigendes Verhalten (im Internet unter dem Hashtag #amazonbashing bekannt) sofort einzustellen, da mir dadurch direkte finanzielle Einbußen entstehen. Als ich in einem Gespräch mit einem an meinen Büchern interessierten Leser erwähnte, jenes besagte Buch sei nur über Amazon erhältlich, bekam ich die Antwort, dort sollte man im Augenblick nicht einkaufen. Neugierig geworden, marschierte ich sofort in die nächste Buchhandlung und forderte, meine Bücher nicht nur vorrätig zu haben, damit es zu keiner Verzögerung bei der Auslieferung kommt, sondern auch im Schaufenster zu platzieren. Ich war ehrlich gesagt sehr überrascht, als meine Werke nicht nur nicht vorhanden waren, sondern die Buchhandlung sich weigerte, sie zu bestellen.

Sicherlich ist das nur auf ein Versehen zurückzuführen, denn wie könnten Sie an Amazon Forderungen stellen, die Sie selbst nicht erfüllen. Darum bitte ich Sie, die Präsentation meiner Bücher nachzuholen. Ich denke zwei Wochen im Schaufenster und eine weitere Platzierung neben der Kasse wären ein Zeichen des guten Willens.

Anderenfalls ist dies wohl auch ein Fall des unlauteren Wettbewerbs, das Kartellamt müsste einschreiten.

Nagut, ich gebe zu, ich war unfair, schließlich ist es eine Verlagsforderung, die Bücher immer vorrätig zu haben und ohne Verzögerung auszuliefern und Sie als Buchhändler mussten sich oft genug dem Geschäftsgebaren großer Verlage unterwerfen.

Das bringt mich auf eine Idee … warum machen wir nicht gemeinsame Sache? Ich denke, ein Regal nur für Selfpublisher stünde jeder Buchhandlung gut zu Gesicht.

Zumindest sollte die existenz- und rufgefährdende Benachteiligung der verlagsunabhänigen Autoren mit einer unsachlichen Anti-Verlags-Diskussion und Buchhandelsboykott geahndet werden. Vielleicht könnte man ja auch eine Menschenkette bilden, die vom Verlagshaus zur Buchhandelskette reicht, in den Händen die brennenden Verträge, in denen die Verlage ihren Autoren nur einen geringen Anteil am Verkaufserlös der eBooks einräumen.

Selma J. Spieweg

 

8 Replies to “Liebe Verlage und Buchhändler,”

  1. W. Gogolin

    Menschenkette ist gut! Eine Lichterkette wäre sogar noch viel schöner – und wir sollten unbedingt Kekse backen! Mahnwachen! Petitionen!

  2. Renate Hupfeld

    Feiner Artikel und sehr schöner Satz: „Ich denke, ein Regal nur für Selfpublisher stünde jeder Buchhandlung gut zu Gesicht.“ Verlage und Buchhändler sollten nicht GEGEN eine Plattform, sondern FÜR ihre Zukunft arbeiten.

  3. Michael Brauner

    Ich finde Artikel wie diesen hier ziemlich kurzsichtig. Meines Erachtens wird hier nicht gegen Amazon als Plattform für verlagsunabhängige Autoren zu Felde gezogen. Der Protest richtet sich gegen den Missbrauch einer außergewöhnlich starken Marktposition zum Zwecke der Neuaushandlung von Konditionen mit diversen Verlagen und Medienunternehmen (Disney hat es in den Staaten ja auch erwischt). Warum also hier einen falschen Eindruck erwecken?

    Ich finde es legitim, wenn Indies ihre Stimme erheben um auch auf die positiven Dinge hinzuweisen, die von Amazon für Sie getan wurden und werden. Dazu allerdings durchaus berechtigte Kritik kleinzureden und Äpfel mit Birnen zu vergleichen wenn wir einen großen Versandhändler mit der Buchhandlung auf dem Dorfe gleichsetzen, schwächt die eigene Position. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass sich auch Indies irgendwann in einer Position wiederfinden, wo Amazon die Konditionen für das Publishing auf seiner Plattform nachhaltig ändert. Sollte dies gegebenenfalls einseitig und zum starken Nachteil der Autoren geschehen, so würde ich mir wünschen, dass Dritte diesen zur Seite springen und es nicht mit Häme betrachten.

    In einem Punkt jedoch gebe ich der Autorin Recht: Ein Buchhändler, der sich weigert ein Buch für seine Kunden zu beziehen, obgleich dieses – ISBN sei Dank – leicht für ihn zu finden wäre, der gehört in der Tat gemieden. Hoffe aber darauf, dass dieser nur eine die Regel bestätigende Ausnahme ist. 😉

    1. Florian Tietgen

      Ich war bis zu diesem offenen Brief, unterschrieben von deutschen Autoren gern dabei, wenn es gegen Amazon ging. Arbeitsbedingungen, Lohndumping, Monopolbildung, Preisdumping, die Liste dessen, was an Amazon zu kritisieren ist, ist lang.
      Der offene Brief aber hat den Ton dieses Briefs. Er jammert, stellt Forderungen und stilisiert von Verlagen begünstigte Autoren zu Opfern verlangt Solidarität von den Autoren, über die man in diesen Kreisen gemeinhin die Nase rümpft, die man selbst aus den Buchhandlungen aussperrt. Es geht nicht darum, einen Versandhändler mit Buchhandlungen gleichzusetzen, sondern darum, dass die Verlage dem Versandhandel vorwerfen, Autoren als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen, sich aber selbst nicht scheuen, sie als aktive Waffen einzusetzen.
      Amazon kritisieren gern. Aber dabei bitte nicht derartig heucheln 🙂

  4. BaraRabe

    Das Regal für E-Books im Buchladen wäre doch hübsch! Vor allem leicht abzustauben! Und nicht vergessen den Buchhändler exakt zu instruieren, dass er natürlich für Indies die Verkaufspreise ab sofort um 50 % drosseln muss. So geht es doch nicht. Es könnte ja jeder kommen und für sein Buch einfach verlangen, was es wert ist!

  5. Jürgen Schulze

    Ausgezeichnet.
    Wieder einmal der Mob, der greint und die virtuellen Mistgabeln schwingt. Schrecklich, dieses unwissende, unreflektierte Schreien: Amazon ist pöse, menschenverachtend (meine Hassvokabel No 1) und ungerecht (meine Hassvokabel No 2)
    Danke für das Schmunzeln

  6. jutta beer

    Ich kann mich Michael Brauner nur anschließen. Hier geht es um die Praktiken von Amazon, und die Monopolstellung, die Amazon gnadenlos ausnützt (man braucht nur einmal auf http://www.buechereule.de gehen, um zu ahnen, was Amazon vorhat). Und etwas mehr Objektivität würde dem Artikel gut tun. Ein Buchhändler, der sowieso am Limit agiert, soll sich Bücher unbekannter Autoren auf Halde legen, die zu 90% Schrott sind und von ihm irgendwann unter Einkaufspreis verramscht werden müssen? Eine Buchhändlerin sagte einmal zu mir, es ist gleich, was zwischen den Buchdeckeln steht, wichtig ist das Marketing des Verlags. Und wenn ich mir die diversen Bestseller so ansehe, dann bestätigt das diese Aussage. Also liebe Self-Publisher, wenn ihr ein starkes Marketing und die nötige Distribution für eure Werke auf die Beine stellt, dann werden sicher auch die so gescholtenen Buchhändler eure Bücher bestellen oder sogar vorrätig haben.