Von Sebastian Keller
Habt ihr schon mal euren Automechaniker gefragt, warum er Autos repariert? Oder euren Bäcker, warum er Kuchen bäckt? Nein? Warum ist dann die Frage, warum Schriftsteller schreiben, so wichtig?
Richtig. Weil kein Geld damit zu machen ist. Wir retten noch nicht mal Leben oder tragen zur Verbesserung des Lebensstandards bei. Alles was wir tun, ist eine weitere Zuckerschicht auf die Torte der Literatur aufzutragen.
Echt? So schlimm?
Lassen wir die Sachbuchautoren, die was halbwegs Nützliches machen (ungelogen, ihr seid meine Helden), mal bei Seite und schauen uns nur die Romanciers, Essayisten und Dichter an.
Sind sie nicht ein wenig suspekt und haben sowieso seltsame Ansichten? Einen großen Teil seines Lebens damit zu verbringen Buchstaben aneinanderzureihen, kann doch nicht gesund sein, oder?
Ist es auch nicht. Selbst unter Schriftstellern, die es geschafft haben, findet sich ein überdurchschnittlich hoher Anteil an depressiven Störungen. Von den Rücken- und Augenproblemen ganz zu schweigen.
Ist ja auch kein Wunder. Wir sind die Bodybuilder unter den Schreibern, stemmen täglich Phrasen und ruinieren damit unsere geistige Gesundheit. Vor allem der Bezug zur Realität kann dabei schon mal in Mitleidenschaft gezogen werden.
Und wofür? Wenn Bücher die Welt verändern könnten, hätten sie es schon getan, heißt es. Haben sie aber nicht. Schlimmer noch: Sie verändern diejenigen, die sie schreiben. Wer zu lange schreibt, wird irgendwann zur Fußnote in seinem eigenen Leben.
Regt sich bei euch schon Widerstand? Ich hoffe doch, denn was mache ich hier? Ich schreibe.
Ich schreibe, weil es mir ein Bedürfnis ist, mich auszudrücken. Spätestens seit Freud wissen wir, dass es keine besonders gute Idee ist, Bedürfnisse zu unterdrücken. Und es ist auch keine gute Idee im eigenen Saft zu kochen. Keiner würde auf die Idee kommen, dass es sinnvoll sein könnte einen Schriftsteller mit einem Bäcker zu vergleichen (außer ein Schriftsteller). Aber zu überlegen, wo man mit seiner Schreibkunst oder seinem Schreibhandwerk in einem größeren Zusammenhang steht, ist eine heilsame Übung, die man ab und zu mal machen sollte.
Vielleicht stellt sich dabei heraus, dass die eigenen Texte unter den Mitmenschen genauso viel Freude verbreiten wie die hübschen Geranien, die die Nachbarin auf den Balkon stellt, oder so viel Ärger wie die Graffiti in der Unterführung.
Und das ist völlig in Ordnung so.
Nicht jeder Bäcker erfindet den Blätterteig und nicht jeder Schriftsteller ist eine Offenbarung.
Aber es gibt immer wieder diese besonderen Momente. Die Momente, in denen man merkt, dass man durch das Schreiben etwas berührt, das größer ist als man selbst. Das kann eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten sein, das Reich der Ideen oder etwas völlig anderes. Diese Kreativität ist das Privileg der Künstler. So wenig wichtig wie man sich selbst und die eigenen Texte nehmen sollte, so ernst sollte man die Inspiration nehmen.
Denn diese Inspiration verändert zwar nicht die Welt aber vielleicht den einen oder anderen Leser. Durch sie ist das, was wir schreiben, nicht nur die Zuckerschicht auf der Torte sondern ein dringend benötigtes Vitamin.
Nur ein kurzes persönliches Beispiel, was ich damit meine: Nach einem Streit hatte ich jahrelang keinen Kontakt mehr zu einer Freundin und hatte mich schon damit abgefunden, dass wir nie wieder voneinander hören würden. Aber dann las ich „Der Club der toten Dichter“ und griff zum Telefonhörer, sobald ich die letzte Seite umgeblättert hatte. Dieses Buch hat definitiv meine Welt verändert.
Deshalb sind diese kostbaren Momente mein Ziel, für das ich schreibe. Und wenn dabei eine Weile nur Zuckerguss und Geranien herauskommen, ist das auch nicht schlimm.
Sebastian Keller
Zwischen diesen etwas ironischen Zeilen steckt viel Wahrheit.
Dieser Artikel von Sebastian Keller ist motivierend und wirkt wie ein Trostpflaster auf so manchen Autoren.