Sprechblasen

Kann das weg? – Fieses aus der Provinz

Kolumne von Susanne Gerdom

Netizens, Forenuser und Facebookianer, lasst mich über ein brisantes Thema zu euch sprechen.

Wie viele Blümchen benötigt eine schlichte Mitteilung?

Die Älteren unter uns erinnern sich noch an Asterix. Da gab es gelegentlich Figuren, die sich zu anderen Figuren hinbeugten und mit Blümchenranken und Vögelchen umsäumte Sprechblasen absonderten. Die Botschaft war klar: Dem Empfänger sollte eine Mitteilung mit zarter Stimme und dem deutlichen Subtext „ist doch gar nicht so gemeint, wie es möglicherweise klingen könnte“ und „ich will dir jetzt auf keinen Fall auf die Füße treten“ überbracht werden.

Kann das weg Kolumne SusanneSo ähnlich fühlt man sich häufig in Netzzusammenhängen. Foren, Mails, Facebookkommentare: Wehe, da wird irgendeine Botschaft nüchtern, sachlich, knapp und auf den Punkt formuliert. Ich meine: Zeit ist knapp, gelungene Kommunikation beinhaltet auch Klarheit im Ausdruck, die Kunst des Weglassens, Präzision, Vermeidung von Geschwafel. Oder?

Ja, probiert das mal aus. Garantierte Wirkung, hundertprozentig vorhersagbar: Ein Teil der Empfänger (sehr oft gar nicht die, an die sich das Wort richtete) sind heillos eingeschnappt. Was das denn zu bedeuten habe?! Wie denn jetzt dieser Ton zustände käme?! Ob man das verdient habe?!

Der Sender kratzt sich verblüfft am Kopf. Er hat doch nur Klartext geschrieben. Er überprüft seine Aussage auf möglicherweise verborgene Untertöne, die ihm in der Eile entgangen sein könnten. Aber da finden sich keine. Das steht nur, ausschließlich und in reiner Form, das, was er hat sagen wollen.

Ja. Genau. Die Blümchen und Vögelchen fehlen. Er hat kein Smilie und kein Herzchen gesetzt. Er hat sich nicht erklärt: Leute, ich liebe euch alle, wir sind eine große Familie, das Leben ist schön, ihr seid alle so toll und übrigens, was ich sagen wollte (aber nicht, dass ich jemandem damit womöglich auf die Zehen steige, das ist natürlich nur meine ganz private Meinung, die ich niemandem von euch aufs Auge drücken möchte und wenn jemand anderer Meinung sein sollte, möchte ich den damit auch in keiner Weise angreifen) … Die Sonne geht im Osten auf.

Wehe, ach wehe. Wir sind geradewegs in ein neues Barock gerutscht, sozusagen Barock 2.0. Ehe die Ansprache nicht viele hochdero unterwürfige Anreden und submissest erflehte geneigte Aufmerksamkeit enthält, wird übelgenommen. Missverstanden. Getrotzt und gebarmt.

Ich plädiere für eine neue Sachlichkeit. Nichts gegen Herzchen und Blümchen und kleine Kätzchen, wo es hinpasst, aber in einer erwachsenen Kommunikation unter erwachsenen Menschen – noch dazu Menschen des Wortes – sollte man auch hin und wieder ruhig mal drauf verzichten können.

Also, liebe Leser und Schreiber: Ein Aussagesatz wie „der Himmel ist blau“ sollte ohne imhos und Entschuldigungen auch mal einfach so hingenommen werden. Da steckt keine Bosheit hinter, sondern vielleicht einfach nur der Wunsch, eine Information kurz und präzise rüberzubringen. Zeitsparend für Sender und Empfänger. Das heißt noch lange nicht, dass der Schreiber euch nicht ganz doll lieb hat und auch jederzeit bereit wäre, über die Farbe des Himmels mit euch zu diskutieren.

Nur vielleicht nicht gerade jetzt.

Susanne Gerdom