Was hat eine Autorin dem Buchpiraten zu sagen? [Kolumne]

Ich hatte hier ursprünglich einen nettverpackten Aufmacher, habe den aber wieder gelöscht, weil mir klargeworden ist, dass ich Spiegelbest nichts zu sagen habe. Denn er ist es nicht, um den es geht. Es geht um ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

tapePiratenseiten existieren und auch die gute Hexe des Südens wird sie nicht wegzaubern. Das ist Fakt. Aber ich komme mehr und mehr zu dem Schluss, dass diese Seiten für uns Autoren zu vernachlässigen sind. Natürlich werden dort Unmengen an Büchern geladen, aber wie viele davon werden auch tatsächlich gelesen? Wer sich alles lädt, nur weil es kostenlos zu haben ist, wäre sowieso kein potentieller Käufer.

Die zweite Gruppe der Downloader sind sicher Vielleser, die es sich einfach nicht leisten können, die völlig überteuerten und utopischen Verlagspreise für eBooks zu bezahlen. (Wo, liebe Verlage, liegt denn die Relation bei einem Hardcoverpreis von 25 Euro und einem eBookpreis von 24 Euro? Hallo? Das Taschenbuch siedelt sich um die 10 Euro an und wäre wohl die eigentliche Basis, an der man den eBookpreis festmachen sollte.) Aber auch diese Downloader nehmen uns Autoren nichts weg. Gäbe es nicht die Möglichkeit, sich eBooks kostenlos zu laden, würden sie ihre Bücher auf Flohmärkten oder bei eBay kaufen, ganz einfach, weil sie sich verständlicherweise in den Mengen keine neuen Bücher leisten können.

Im Gegenzug bekommen wir Autoren dadurch Leser, die wir vielleicht nie gehabt hätten, und die unzweifelhaft potenzielle Käufer für das nächste unserer Bücher sind. Zumindest die Leser aus der zweiten Gruppe.

tesaAls Teenager saßen wir vor dem Radio, haben unsere Lieblingshits mitgeschnitten und Mixtapes zusammengestellt, die so tolle Namen wie Mix 1, Mix 2 und Disco-Mix trugen. War das legal? Nope. Hätten wir die Musikstücke gekauft, wenn wir sie nicht aufgenommen hätten? Nope. Hätten wir uns gar nicht leisten können. Waren wir deshalb Verbrecher? Rechtlich gesehen, ja, sicher. Aber mal ehrlich, wer hat das damals nicht gemacht und hat es irgendjemandem geschadet?

Die Zeiten ändern sich, die Lesegewohnheiten ändern sich, die Art, wie und wo gelesen wird und auch die Art, wie und wo Bücher und eBooks gekauft werden. Das wäre der Punkt, an dem wir ansetzen müssen. Und diese Veränderung wird kommen, auch wenn die Verlage das eBook durch unrealistische Preise uninteressant halten wollen. Fortschritt lässt sich nicht aufhalten.

Die Frage ist, in wie weit Buchpiraten an dieser Veränderung Anteil haben und haben werden. Sicher, sie haben es einfach gemacht, ein eBook zu finden und herunterzuladen, aber passiert wäre das eh. Und ich finde es nicht schlimm und schon gar nicht verbrecherisch, ein eBook im Feundes- und Familienkreis zu verleihen. Das haben wir mit Papierbüchern schon gemacht, mit DVDs usw. Und dabei ist es überhaupt kein Unterschied, ob man das entsprechende Buch, DVD etc. kopiert oder nach dem Lesen/Ansehen zurückbekommt. Gelesen ist gelesen und gesehen ist gesehen. Und wenn sie es nochmal lesen/sehen wollen, können sie es auch nochmal ausleihen.

bleistiftUnd ausleihen ist der Punkt. Da sich die Zeit und die Entwicklung nicht zurückdrehen lässt, wird es zu einem Ausleihprogramm kommen. Neudeutsch Flatratelesen genannt. Es gibt Flatrates für alle immateriellen Güter, so wird es sie auch irgendwann für eBooks geben. Aber werden die Buchpiraten daran einen Anteil haben? Ich glaube nicht. Dieses „Angebot“ ist der Ausdruck der Erkenntnis, dass man auf seinem sinkenden Piratenschiff sitzt und nun versucht, zu retten, was zu retten sein könnte.

Das riesige Kuchenstück wird sich die große Amazone sichern und die Verlage werden große Augen machen und sich wundern, dass sie – ach so plötzlich – in der Position sind, reagieren zu müssen, statt zu agieren. Aber wer in diesen Tagen immer noch Angst hat, sich den veränderten Lesegewohnheiten anzupassen und versucht zu verhindern, was längst schon passiert ist, der hat auch nichts besseres verdient. Oder doch?

Selfpublisher sind in der Position schnell reagieren zu können – ohne die in Zeitlupe mahlenden Verlagsmühlen im Rücken. Wir könnten da ansetzen, wo die Verlage versagen. Aber tun wir das? Nein, wir jammern über nicht zu ändernde Tatschen, weisen Schuld zu, zeigen mit dem Finger auf andere. Anstatt die Zukunft aktiv mitzubeeinflussen, schlagen wir panisch unsere Puschelschlappen zusammen. Ich will niemandem die Illusionen rauben, aber wir sind nicht mehr in Kansas.

Simone Keil