Interview mit Marita Sydow Hamann – Teil 2

Von Sandra Janke

literatur-diskussionNachdem die in Schweden lebende deutsche Autorin Marita Sydow Hamann im ersten Teil eines Interviews für www.literatur-diskussion.com über ihre schriftstellerische Arbeit, ihr Dasein als Indie-Autorin und ihren ersten ernsthaften Kontakt zu einem Verlag sprach, berichtet sie nun über die Vor- und Nachteile des Selfpublishings und erzählt von ihren privaten Erfahrungen im Verlagswesen.

 

literatur-diskussion: Wie weit wurdest du von dem Verlag eingeschränkt? Würdest du anderen Autoren noch immer zur Vorsicht raten oder kannst du eine Zusammenarbeit empfehlen?

Hamann: Für meinen Geschmack wurde zu viel herumgestrichen und anders formuliert. Das ist nicht immer besser, sondern oft einfach nur anders. Solche Dinge habe ich mit einem Seufzen übernommen. (Ich habe viel geseufzt) Man soll die richtigen Schlachten schlagen. Bei Dingen die mir wirklich wichtig waren, habe ich mich durchgesetzt.

Beim Cover hatte ich erst in der Endphase etwas zu sagen. Es gab einige Reibereien, doch letztendlich sind wir uns mit einer Lösung einig geworden, die allen zusagte. Soweit ich weiß, lassen sich die meisten Verlage nicht auf Diskussionen ein. Mag sein, dass ich da fehlinformiert bin. Ich bin mit der Zusammenarbeit mit Grassroots-Edition zufrieden. Ich wurde nicht von Entscheidungen ausgeschlossen. Wir haben einen guten Kontakt. Und wir hatten auch viel Spaß. Wenn man gemeinsam Lachen kann, ist das viel Wert!

Wie das bei einem anderen Verlag wäre, das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Ich kann niemanden empfehlen, den ich nicht kenne. Man sollte aber auf jeden Fall zusehen, dass man die (für einen persönlich) wichtigen Dinge im Vorfeld regelt. Vertraglich ist da meist nicht viel zu ändern, aber eine Zusage per email, dass man beispielsweise beim Cover mitreden möchte, ist ein Anfang.

literatur-diskussion: Was schätzt du an der Zusammenarbeit mit einem Verlag?

Hamann: Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Mein Buch kommt in die Buchhandlungen! Was für eine Chance für mich als unbekannte Autorin!

Und all die Dinge, die ich mir nicht leisten kann, sind natürlich nicht zu verachten. Dazu gehört in allererster Linie die Werbung. Eine Covergestaltung aus professioneller Hand ist ebenfalls etwas Wunderbares. Nur dass ich da nur bedingt (bei vielen Verlagen gar nicht) mitentscheiden kann, ist mir nicht genehm. Alles hat irgendwo seine Vor- und Nachteile. Egal wie man es dreht. Die Werbung allerdings nicht, die ist unbezahlbar!

literatur-diskussion: Deine Kinderbücher gibst du weiterhin selbst heraus, weshalb du dich treffend als „Hybrid-Autorin“ betitelt hast. Wie unterscheidet sich die Arbeit an den verschiedenen Projekten? Inwieweit kannst du beides „unter einen Hut bringen“?

Hamann: Ich arbeite parallel. In erster Linie kommt im Moment natürlich die Verlagsarbeit. Da gibt es nun einmal einen Vertrag, da habe ich Verpflichtungen. Und es ist mehr Arbeit als man sich als unwissender Hobbyautor so vorstellt. ;o)

Sobald eine Pause entsteht, widme ich mich meinen Indie-Projekten. Ich werde dabei immer wieder unterbrochen, um etwas für den Verlag zu tun, ich gewöhne mich langsam daran. Ohne Verlag hätte ich sicher schon ein, zwei Bücher mehr rausgebracht. Aber ich hoffe der Aufwand zahlt sich irgendwann aus. Wenn ich es nicht ausprobiere, werde ich es nie erfahren. Also schreibe ich weiter an meinen Indie-Projekten, wenn ich Leerlauf habe. Kleinvieh macht auch Mist, es geht langsamer voran, aber auch dabei wird man irgendwann fertig.

Zurzeit überarbeite ich ein neues Kinderbuch. Dafür muss ich noch das Cover entwerfen, Zeichnungen für den Inhalt anfertigen und einen Lektor braucht es auch noch. Es macht mir Spaß, alle Schritte im Buch selbst zu übernehmen. Ich gehöre zu der Sorte Mensch, die am liebsten alles allein hinbekommen. Dabei muss nicht jede Zeichnung perfekt sein. Es macht mich stolz zu wissen, dass ein ganzes Projekt als Ganzes von mir stammt. Nur zu schreiben würde mir wohl irgendwann langweilig werden. Ich brauche Abwechslungen und Herausforderungen. Aber ich muss mir beides selbst stellen, ich muss den Takt vorgeben.

Allerdings werde ich Abschnitte die ich nicht gut kann in Zukunft abgeben, dazu gehören das Lektorat und die Bearbeitung meiner Coverentwürfe in Photoshop. Bisher habe ich als Indie nur auf Amazon und XinXii (als pdf) veröffentlicht). Wie man ein E-Book vernünftig ins epub konvertiert muss ich entweder lernen, oder auch dafür jemanden beauftragen. Sowas übernimmt ein Verlag natürlich gänzlich für dich.

literatur-diskussion: Wie würdest du das derzeitige Wachsen der Indie-Autorenszene in Deutschland erklären? Welche Umstände treiben die Autoren in deinen Augen mehr und mehr zu der Idee des Selbstverlegens?

Hamann: Es ist schwer bis unmöglich, als Neuling einen Verlag zu finden. Das liegt oft nicht daran, dass ein eingereichtes Manuskript mittelmäßig oder gar schlecht ist. Verlage haben (zum Großteil verständlicherweise) keine Zeit oder Kapazitäten sich intensiv mit allen eingereichten Manuskripten zu befassen. Wenn ein Konzept nicht auf den ersten Blick überzeugt, ist es schnell beiseitegelegt.

Aber auch ein wirklich gutes Buch findet nicht immer Anklang. Ein Verlag ist in erster Linie ein Geschäft, die wollen Geld machen, das sollte man nicht beschönigen. Passt ein noch so gutes Buch nicht in deren Verkaufskonzept oder ist das Thema gerade nicht modern, lässt es sich schlechter verkaufen und ist somit uninteressant. Außerdem ist es immer leichter ein Produkt unters Volk zu bringen, wenn bereits ein Bekanntheitsgrad vorhanden ist. Gängige Autoren bringen diesen gratis mit. Ein neuer Autor ist ein viel größeres Risiko für den Verlag.

Wenn man einmal von den vielen „Ich schreibe mal ein Buch weil ich das bestimmt kann, und die Welt wartet nur darauf“ -Autoren absieht, bietet das Selfpublishing Autoren die Möglichkeit auch Nischenthemen oder auch besagte „nicht gut verkäufliche“ Genres zu bedienen. Oder ein weiteres gutes Buch in ein gängiges Genre zu schreiben, das von einem Verlag wegen „Überfüllung“ abgelehnt wurde. ;o)

Außerdem ist man als Indie nicht mehr gezwungen unendlich viele Manuskripte zu verschicken, nur um nach Monaten des Wartens mit dem Satz belohnt zu werden: „Es passt nicht in unser Verlagsprogramm“. (Ein Brief kam doch sage und schreibe erst nach 2 Jahren(!) mit der Absage)

Ein wichtiger Punkt ist sicher auch, dass einem keiner in seine Ideen hineinredet. Dadurch kann auch einmal etwas Neues entstehen – etwas das bei einem Verlag vielleicht gestrichen werden würde. Genau das kann nachher möglicherweise den Erfolg eines Indie-Buches ausmachen. Wer wagt gewinnt. Und wenn das Buch nicht bei den Lesern ankommt, hat der Indie-Autor die Freiheit seinen Text zu ändern. Man kann viel mehr ausprobieren.

literatur-diskussion: Du kennst aus eigener Erfahrung sowohl das Indie-Dasein als auch das Dasein als Verlagsautor. Zu welcher Seite tendierst du eher?

Hamann: Die Frage ist nicht ganz einfach. Im Großen und Ganzen tendiere ich immer noch zum Selfpublising. Ich habe jetzt einige Erfahrungen gesammelt und würde ein Buch beispielsweise nicht noch einmal ohne professionelles Lektorat herausgeben. Doch dafür brauche ich nicht unbedingt einen Verlag. Da gibt es auch genügend unabhängige Lektoren. Als ich „Das Amulett“ bei Amazon hoch lud, war es ein Test. Und für einen Test war ich nicht gewillt viel Geld auszugeben. Ein Fehler. Ich hätte mir da nie träumen lassen, dass das Buch solch ein Erfolg haben würde. Mit einem Lektorat wären mir einige Rügen in den Rezensionen erspart geblieben.

Als Indie kann ich alles selbst entscheiden: Covergestaltung, Buchblockgestaltung, Inhalt, habe ich etwas vergessen? Ich lasse mir nicht gern reinreden. Kritik ist gut. Wenn sie angebracht ist, setzte ich sie auch sofort um. Aber oft ist eine Änderung nicht besser, sondern einfach nur anders. Und genau da habe ich dann meine Schwierigkeiten. Ein Verlag hat die Entscheidungsgewalt. Ich habe mit Grassroots-Edition Glück gehabt. Meist sind wir einer Meinung. Ich kann mich einbringen und sie hören zu. Ich bin wirklich kein Mensch, der über sich bestimmen lässt. Ich bin da vielleicht etwas extrem, wenn ich beispielsweise gute Arbeitsstellen kündige, weil ich machen will was ich für richtig halte, aber das ist nun einmal meine Natur. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann ändere ich es. Das Leben ist zu kurz, um sich mit Ärgernissen aufzuhalten. Hast du erst einen Vertrag unterschrieben, kannst du aber nicht mehr zurück, egal ob du mit betreffendem Verlag klarkommst oder nicht. Das sollte man sich vorher wahrlich bewusst sein!

Allerdings ist es wirklich sehr praktisch und vorteilhaft, wenn jemand anders – also der Verlag – für dich die Werbetrommel rührt. Das ist für uns Normalsterbliche doch unerschwinglich. Außerdem hat man bisher als Indie keine Möglichkeiten in die Buchhandlungen zu kommen. Und es ist wohl der Traum jedes Autors, seine Bücher im Regal zu finden. (Es mag immer Ausnahmen geben.) Hat man sich einen Namen gemacht, könnte es trotzdem funktionieren. Da fehlt mir allerdings das Wissen, irgendwann beschäftige ich mich vielleicht auch damit. Im Moment habe ich genug um die Ohren: Firma eröffnen, mein neues Buch gestalten, Teil 2 der Trilogie überarbeiten, Interviews geben.

literatur-diskussion: Welche Tipps würdest du Lesern geben, um zwischen hervorragender Indie-Literatur und „mal eben auf den Markt geworfener Möchtegern-Literatur“ zu unterscheiden?

Hamann: Der Leser sollte sich immer eine ausreichend lange Leseprobe anschauen. Meist kann man bereits nach wenigen Seiten feststellen, ob es sich um Qualität handelt. Wenn sich dort schon Fehler aller Art einschleichen und der Schreibstil holprig ist, lasse ich gleich die Finger davon. Auch ich lese Indie-Bücher. Manchmal finde ich etwas (für mich) Interessantes. Auf Amazon kann man beispielsweise sehr gut in Bücher/E-Books reinlesen. Da weiß man was man kauft. Meistens zumindest. Ein gutes Buch lebt ja nicht nur vom Stil der Autoren. Die Geschichte muss auch stimmen. Es ist nicht einfach einen Spannungsbogen aufrecht zu halten und den Leser immer bis zur letzten Seite zu fesseln.

literatur-diskussion: Vielen lieben Dank!

Hamann: Ich danke euch, dass ich hier sein durfte!