Von Tatjana Flade
In einem Gastbeitrag für das Börsenblatt stellt der Salzburger Verleger Jochen Jung (Jung und Jung Verlag, spezialisiert auf deutschsprachige Gegenwartsliteratur) die These auf, dass hochwertige Literatur nach wie vor einen Verlag braucht.
Den guten alten Selbstverlag, als mancher hoffnungsvoller Autor vielleicht noch seine Werke im Copyshop vervielfältigte, tut Jung als „eine Mischung aus Verzweiflung und Lächerlichkeit“ ab. Heutzutage nutzen die von Jung so genannten „Self-Publisher“ natürlich andere Möglichkeiten. „Man fragt gar nicht erst lang und setzt seinen Text gleich wie eine Spinne ins Netz und wartet auf Kundschaft. Hat man ihn richtig platziert, sind die Chancen vermutlich ähnlich hoch, wie sie sind, wenn man einem gestandenen Literaturverlag ein Manuskript anbietet, und die liegen bekanntlich bei ein bis zwei Promille“, schreibt der Verleger.
Jungs Meinung nach braucht qualitativ hochwertige Literatur nach wie vor „einen Verlag der klassischen Art mit Lektorat, Betreuung, Vertrauen und etwas Geld und mit Verbindungen zu den beruflichen Literaturwahrnehmern“. Stimmt schon, aber ich wage es, den „Verlag der klassischen Art“ aus dem Satz zu streichen. Herr Jung übersieht, dass viele Indie-Autoren sehr professionell arbeiten. Sie arbeiten mit Lektoren und Korrektoren zusammen, tauschen sich mit anderen Autoren aus und stehen in Kontakt mit Bloggern und Rezensenten. Der Haken ist, dass sie, natürlich vor allem für Lektorat und Korrektorat, gewisse Summen investieren müssen. Der Vorteil ist, dass sie von den Einnahmen aus dem Verkauf alleine profitieren. Werden sie damit reich und berühmt? Wohl kaum. Aber das gilt auch für fast alle Verlagsautoren. Wirklich vom Schreiben leben kann nur eine Minderheit von Schriftstellern.
Nicht alles, was geschrieben wird, muss veröffentlicht werden. Verlage hatten eine gewisse Filterfunktion. Dank der günstigen Veröffentlichungsmöglichkeiten wird der Markt tatsächlich von Texten, die die Welt nicht braucht, überschwemmt. Die Entstehung von Qindie ist eine Reaktion darauf. Aber man kann der Indie-Literatur nicht von vornherein pauschal Qualität absprechen. Verlage müssen wirtschaftlich handeln. Es existieren exquisite Texte und Themen, die sich an ein Nischenpublikum richten, das einfach zu klein für den traditionellen Verlag ist. Oder diese Themen gelten momentan nicht als marktfähig. Hier bietet der moderne Selbstverlag exzellente Chancen.
Es gibt zunehmend Autoren, die zweigleisig fahren oder sich bewusst für die Veröffentlichung als Indie entscheiden. Der Verlagsautor schließt den Indie nicht aus. Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile.
Die Spinne knüpft ein Netz und wartet dann bequem auf Beute. Ein Spinnennetz ist tatsächlich ein Meisterwerk der Natur, bestehend aus extrem belastbarer Spinnenseide. Aber vor dem Jagderfolg steht auch für die Spinne die Arbeit, sie muss ihr Netz geduldig, sorgfältig und am richtigen Ort weben. Jungs Vergleich ist genau genommen ein Kompliment, auch wenn er nicht so gemeint war.
Tatjana Flade