Von Brunhilde Witthaut/Laurent Bach
Inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern – ein neuer Trend hat Deutschland erfasst: Gay Romance nennt er sich und bedient vor allem weibliche Leser.
Schwule Liebesgeschichten für Frauen – wenn das mal nichts mit Exotik zu tun hat. Der Reiz des Außergewöhnlichen ist immer ein gutes Zugpferd für ein neues Genre, das sich bereits in diverse Subgenres wie Fantasy oder Suspense splittert. Viele Autorinnen – ich nenne hier nur die weibliche Form – erfreuen ihre Leserinnen mit romantischen, homoerotischen Geschichten, mit tragischen Ereignissen rund um das schwule Leben und mit Happy Ends. Die Erotik kommt nicht gerade verschämt daher, man/frau will schließlich wissen, worum es geht und vor allem, wie es geht. Mädels, hier darf durchs Schlüsselloch geschaut werden. Sex sells – nun auch mal anders herum.
Während ich vor einem Jahr noch ein männliches Pseudonym angenommen habe, um männliche Leser zu verleiten, meinen Gay-Krimi in die Hand zu nehmen, schreiben Autorinnen wie Inka Loreen Minden, Chris P. Rolls, Pat McCraw, Sandra Busch und viele andere selbstbewusst für ihre zunehmende, weibliche Leserschaft. Verlage beginnen aufzurüsten, um der noch sanften, aber stetigen Welle, die von – wie soll es anders sein – Amerika zu uns herüberrollt, mit deutschen Autoren standzuhalten.
Die Frage, ob Gay Romance zur schwulen Literatur gehört – wer will sie beantworten? Ich nicht. Es ist Unterhaltungsliteratur für eine bestimmte Zielgruppe, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ebenso wäre es interessant zu erfahren, wie schwule Leser und Verlage für schwule Literatur wie z.B. „mein“ Bruno Gmünder Verlag eigentlich zu Gay Romance-Werken stehen. Es bleibt also spannend. Auch die Frage, ob Frauen überhaupt schwule Geschichten schreiben können, bietet trefflich Diskussionsstoff. Meine Meinung: Ja, sie können, denn sie bleiben in Grundlagen den Themen des schwulen Alltags treu, auch wenn die namensgebende Romantik, halt der ganze Beziehungskram, den viele Frauen so lieben, männliche Leser eher nicht interessiert, ja, sogar abschreckt. Männer lesen eben keine Liebesromane. Schade eigentlich.
Brunhilde Witthaut/Laurent Bach
Das, was hier als GR verkauft wird, existiert auf dem Manga-Markt als Shonen-Ai bzw. Boys-Love schon länger. Vorteil dieser vorwiegenden von Frauen getippten Geschichten: Sie haben schöne Helden und sind romantisch. Dennoch glaube ich nicht wirklich, dass sie schwule Leser anziehen, denn nicht alle Schwulen mögen Kitsch. Auch Schwulen-Filme, die in den Kinos gezeigt werden, werben eher für die Besonderheit als für die Normalität.
Es ist ein weiter Schritt von ‚Gay Romance‘ lesen bis zu ‚tolerant sein‘.
Ein weiter Schritt, nein, das glaube ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass gay romance Leser kein Verständnis für die immer noch existierenden Probleme von Schwulen haben. Sie setzen sich in den Bücher schließlich damit auseinander, jedenfalls, wenn in diesen Geschichten Probleme dieser Art behandelt werden und nicht nur explizite Erotik beschrieben wird. Ich versuche in meinen Krimis und Kurzgeschichten jedenfalls immer, alltägliche Umstände und Schwierigkeiten in den Vordergrund zu rücken und die Romantik sowie den Sex lediglich darin zu integrieren.
Ob es ein Trend ist oder wird, kann ich nicht sagen, es würde mich aber freuen, denn ich schreibe schon seit 1993 schwule Bücher, vor allem historische, wobei die meisten von ihnen einfach in gewohnter Form unterhalten wollen und die Hauptpersonen einfach schwul sind, ohne dass ich das als Gay Romance empfinden würde. Also die Liebesgeschichte steht nicht im Mittelpunkt. Wie du auch, versuche ich anderes in den Vordergrund zu rücken. Was sich seit 1993 geändert hat, ist, dass solche Themen nun durch die ebooks von jedem verfasst und veröffentlicht werden können, der dieses Thema mag. Das halte ich für einen großen Fortschritt. Ich habe zwar meinen ersten Roman bei Piper unterbringen können, doch dann war Schluss. Ich musste auch zu Gmünder gehen, wollte aber nicht ausschließlich den Schwulenmarkt bedienen. Durch die ebooks bin ich frei geworden. Offensichtlich gab es auch bei vielen anderen Autorinnen (?) schon lange diesen Wunsch, über schwule Männer zu schreiben, so wie man ja auch weiß, dass Heteromänner gern was Lesbisches sehen oder lesen. Und nun konnte sich dieser Wunsch Bahn brechen. Inwieweit die Verlage sich jetzt diesem Trend anschließen werden, sei dahingestellt. Damals lehnten sie meinen Folgeroman noch ab mit den Worten: Schade, sehr schade, aber leider zu schwul. Übrigens, dass die Manga-Liebhaber in die Richtung gehen, habe ich bei den Rezensionen zu meinem ersten Buch 1993 gemerkt, von denen bekam ich die besten Kritiken. Damals wusste ich aber nicht, was Manga überhaupt ist.
Liebe Jutta, dann ist es bei deinem Vorgehen anders herum als bei mir. Ich musste Absagen kassieren und habe mich dann bei Gmünder gut betreut gefühlt. Nach dem Motto: wenn andere Verlage nicht wollen, dann schreibe ich für Schwule. Ist doch ok. Aber das war nicht so ganz einfach, ich musste mich da erst reinfinden und ich habe immer noch das Gefühl, es ist ein Experiment. Ich bin nun eine Autorin mit zwei Gesichtern: Laurent Bach versucht, schwule Leser anzusprechen, während Brunhilde Witthaut für einen Verlag Gay Romance (für alle :-)) schreibt. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg!
Wenn du dich bei Gmünder gut aufgehoben fühlst, ist das toll. Mein Roman war ihnen viel zu dick, es wäre wohl zu teuer für den kleinen Verlag gewesen, ich musste ihn drastisch kürzen und dann noch einige Sexszenen hinzuschreiben. Einmal habe ich das gemacht, aber nie wieder. So wollte ich mich nicht vergewaltigen lassen. Aber das ist ja nun lange her, und heute kann ich schreiben, was ich will und auch verkaufen.
Wie Evy treffend sagte, ist „Gay Romance“ auf dem Manga-Markt längst etabliert und erfreut sich großer Beliebtheit. Aber es gibt auch zahlreiche Romane zum Thema, auch viele deutsche – das ist wirklich nicht neu und von einem Trend kann man meiner Meinung nach nicht sprechen. Aber okay, wer einen neuen Trend ausruft, bekommt immerhin kurzfristig Aufmerksamkeit.
Ich hoffe, dass die Aufmerksamkeit längerfristig sein wird 🙂 Erst, wenn mehr als nur die ersten kleinen und mittleren Verlage GR ins Programm aufnehmen, hat sich dieses Genre etabliert. Solange ist es für mich ein Trend und es gibt noch viele LeserInnen, die noch nie davon gehört haben. Mal sehen, ob und wie lange er anhält. Ich bin sehr gespannt.
Dann haben wir wohl unterschiedliche Definitionen von „Trend“ … im Trend lagen mal Vampire, im Trend liegen aktuell Dystopien.
Gay Romance gibt es schon eine ganze Weile, aber bisher ist für mich noch kein wirklicher Trend draus geworden. GR gibt es jedenfalls schon eine Weile und hat auch einige Anhänger, die schon länger darum wissen. Aber bis es das in die breite Öffentlichkeit schafft, wird wohl noch ein wenig Zeit vergehen …
Das ist so lustig, weil mir gerade vor zwei Tagen einer meiner Verlage sagte: „Dystopien? Die gehen GAR nicht. Unsere Vertreter kriegen Pickel, die Buchhändler wollen es nicht haben, Regalgift!“
Hier im Netz sieht das imho ganz anders aus – die Mädels scheinen Dystopien zu fressen. Schon seltsam.
Ja, seltsam … bei uns werden Dystopien auch richtig viel geklickt. Allerdings stellt sich da langsam das gleiche Problem wie bei den Vampiren ein: Der Markt wurde überschwemmt und ist allmählich gesättigt, die Leute können es nicht mehr sehen.
Noch dazu liegen die meisten neuen Dystopien in der Jugendbuchabteilung, sogar die, die eigentlich nicht wirklich jugendgerecht sind. Die gehen da natürlich unter …
Und wo ich gerade geunkt habe, dass die Gay Romance es wohl nicht so bald in den Mainstream schaffen wird: Egmont Lyx gibt jetzt ein Male-Male-Romance eBook heraus. Aber eben leider nur als eBook … schade, dass sie ein Print nicht riskieren wollen, aber vielleicht kommt es ja noch, wenns gut läuft.
Mir ist da noch etwas eingefallen, weil du nicht weißt, ob schwule Leser überhaupt eine Zielgruppe seien könnten. Ich weiß von mehreren Schwulen, dass sie vielleicht nicht gerade auf Beziehungskitsch stehen, aber dass sie auf Romane warten, die in etwa so sind wie die von Rebecca Gable oder Kenn Follet, aber eben mit schwulen Hauptpersonen. Wo sie also die ganz normale Buchwelt vorfinden, aber eben ohne die übliche Heterogeschichte, die ja stets eingeflochten wird.
Da gebe ich dir Recht. Bezüglich „Beziehungskram“ ist es ja auch nicht schön, wenn Schwule ständig überblenden und gedanklich umswitchen müssen, weil meist Hetero-Paare die Szene beherrschen.