[Rezension] Sylvia M. Dölger: Zum Teufel mit Barbie!

Jugendbücher gibt es viele. Manche unterscheiden sich nicht groß von Erwachsenenliteratur. Sylvia Dölgers Roman hebt sich davon wohltuend ab. Die Autorin steht auf der Seite der Jugend und schreibt gewissermaßen aus ihrer Perspektive. Mich hat das schwer beeindruckt.

Inhalt:
Sue ist 17, Halbthailänderin und geht noch zur Schule. Mit ihren deutschen Adoptiveltern versteht sie sich ganz gut, trotzdem nerven sie. Sue ist viel lieber mit Gleichaltrigen unterwegs, mal im Chat, mal im realen Leben. Irgendwann wechselt der Chatpartner in die Realität: Jimmy will sich mit ihr treffen. Sue ist begeistert, denn Jimmy ist mega cool und so süß! Das wird bestimmt ein toller Abend …

Meinung:
Die Geschichte hat ein unglaubliches Tempo drauf. In schnellem Wechsel reihen sich Tiefschläge auf Abenteuer bis hin zu Action und Romantik, erst in Würzburg, wo die Geschichte im ersten Drittel lokalisiert ist, dann in Bangkok. Selbst wenn ich gewollt hätte, wäre es mir unmöglich gewesen, mich dem Sog der Story zu entziehen.
Hinzukommt, dass die Autorin wirklich auf Augenhöhe ihrer jungen Leser und Leserinnen steht. Es ist deutlich zu spüren, dass sie weiß, wie Sechzehn-, Siebzehnjährige ticken. Sie kennt ihr Denken, ihr Fühlen und ihre Sprache. Das macht die besondere Qualität der Geschichte aus. Was Sue widerfährt, ist ein heißes Thema: sexuelle Übergriffe im Chat wie auch im realen Leben. Gut, dass Sylvia Dölger das auf den Tisch bringt, und dann auch noch so spannend, so berührend und so verstörend authentisch.

Das ist der Grund, weswegen ich das Buch erst ab einem Alter von 14 Jahren empfehlen möchte, auch wenn schon jüngere Kinder allein in Chats unterwegs sind und mitunter sexuell belästigt werden. Doch um aushalten zu können, was Sue widerfährt und wie sie damit umgeht, braucht es bei den Lesern und Leserinnen eine gewisse emotionale Reife und Stabilität, die ich bei Zwölf-, Dreizehnjährigen so noch nicht sehe.

Interessant war für mich zu verfolgen, wie sich Sue zuerst gegen ihre Herkunft sperrt und ihre thailändischen Wurzeln ignoriert, sich dann – durch die Umstände gezwungen – mit ihnen auseinandersetzt, sie integriert, um schließlich ganz bewusst in ihre deutsche Familie zurückzukehren. Das ist psychologisch gut beobachtet und dargestellt.
Ein weiterer Pluspunkt des Buches ist die genaue Ortskenntnis Sylvia Dölgers von Bangkok. Ihr gelingt es, Land und Leute so plastisch werden zu lassen, dass ich sofort die entsprechenden Bilder vor meinem inneren Auge hatte.

Mein Fazit:
Ein aufwühlendes Jugendbuch ab 14 Jahren, das Jugendliche ernst nimmt und anspricht

5Stern

Rezensiert von Ira Krissel