Der Autor als Klempner? [Kolumne]

Von Gundel Limberg

Handwerk hat goldenen Boden: so will es das Sprichwort. Wenn man bedenkt, wie wenige Autoren vom Schreiben leben können, muss man folgern, dass es in diesem Berufszweig mit dem Handwerklichen nicht allzu weit her sein kann.

Und so weisen einige Autoren den Begriff auch zurück. Schreiben ist schließlich Ergebnis des Musenkusses und kein Beruf, den man mit Schweiß auf der Stirn und den Knien am Boden ausübt.

Ist Schreiben ein Handwerk? Wie nähern wir uns dem Gegenstand unserer Frage?

By Anonymous artist (https://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00000286) [Public domain], via Wikimedia Commons

Nun, einmal ist festzustellen: Autoren sind nicht bei der Handwerkskammer registriert. Man darf den Beruf ausüben, ohne eine Lehre absolviert zu haben und einen Meisterbrief gibt es nicht. Doch längst sind einst klassische Handwerksberufe dem dualen System entschlüpft, beispielsweise Popcake-Bäcker. Sie dürfen backen, ohne gelernt zu haben, ohne Gesellenzeit und ohne Meisterprüfung. Bemühen wir also den Vergleich mit einem klassischen Handwerksberuf, um zu prüfen, inwieweit Schreiben Handwerk ist und wie man die Fertigkeiten des jeweiligen Autors dann qualitativ bewerten könnte:

Ein Klempner beispielsweise verlegt Rohre, drillt sich durch Verstopfungen in Abflüssen und pumpt übelriechende Flüssigkeiten wieder dahin zurück, wo sie herkamen, nur um sie in eine Porzellanschüssel ablaufen zu lassen … Er verwendet mit mehr oder weniger Erfolg Zollstock, Wasserwaage und Augenmaß, schraubt, tauscht aus oder schmiert dichtende Massen, oder vielmehr Dichtungsmasse, rund um Stellen, an denen es tropfen könnte.

Ich fürchte, hier ist wahrlich wenig vergleichbar. Was ist der Zollstock des Autors?

Der Zollstock des Autors, so könnten wir sagen, ist der Duden. Rechtschreibung und Grammatik sollten vom Autor so gut beherrscht werden wie der Klempner das Ausmessen beherrscht.

Den Plot zu konstruieren ähnelt der Aufgabe, die sanitären Anlagen eines Hauses so anzulegen, dass sie dem Hausbesitzer Freude bereiten, statt aus- oder überzulaufen. Sofern im Sichtbereich, haben sie gefällig auszusehen und man sollte sich das Knie nicht daran stoßen. So ist es auch mit dem Text: er darf nicht ausufern und vor allem sollte man sich an nichts stoßen – nicht an merkwürdigen Sprachbildern, nicht an einem Stil, der sich gegenüber der Handlung in den Vordergrund schiebt. Nicht an Schachtelsätzen, die Rohrleitungen ähneln, in denen sich selbst eine Ratte verirren würde.

Der Autor sollte wissen, welcher Zubehörteile er sich zu bedienen hat, was nicht mehr der gängigen DIN entspricht und daher nicht anschlussfähig ist, und vor allem sollte er dem Kunden keinen Saustall hinterlassen. Selbst bei prinzipiell gut verlegter Leitung werden Kunden einfach böse, wenn übel riechendes Wasser zurückbleibt, Reste der Schmierpaste überall kleben oder gar der Siphon nicht an Ort und Stelle sitzt, sondern zum Eigeneinbau einfach neben der Spüle abgelegt wurde.

Kaum anders ergeht es dem Leser, wenn er feststellen muss, dass der Autor ihm eine Version anbietet, die nicht, oder nicht hinreichend, korrigiert wurde. Er wird misstrauisch, wenn das Cover zu sehr nach Bastelware aussieht, denn dem Klemper im rosa Strickanzug würde er auch misstrauen.

Das bringt uns zum eigentlich Begriff: Professionalität.

Der Leser muss vom Moment an, in dem er die Tür aufmacht, den Eindruck haben, einen Profi vor sich zu haben. Der mag sich Handwerker nennen oder nicht: er muss zeigen, dass er kann, was von ihm erwartet wird: Sachen zum Laufen bringen und am Laufen halten. Plots beispielsweise. Das Ergebnis seiner Bemühungen sollte er einsatzfähig und gut poliert präsentieren.

Ob er das getan hat, kann der Kunde beurteilen. Andere Klempner auch. Insofern ist Schreiben ganz sicher Handwerk.

Nur kommt der Klempner auf Dauer wesentlich öfter mit Pfusch durch. Dem Autor ist der seine einfach leichter nachzuweisen.

Gundel Limberg

 

2 Replies to “Der Autor als Klempner? [Kolumne]”

  1. Alexandra

    Ich vergleiche das Schreiben gern mit der Malerei. Es gibt viele „Maler“, die ihr Handwerk verstehen und gut und sauber arbeiten. Es gibt aber nur wenige Maler, die auch Künstler sind und mit ihrem Handwerk Kunstwerke schaffen, die nachhaltig und eindringlich wirken.
    So ähnlich ist es doch auch bei Autoren – es gibt viele, die das Handwerk beherrschen, das macht sie aber noch nicht zu Künstlern. Jeder Journalist z.B. beherrscht wohl das „Handwerk“, aber sind seine Artikel deswegen Kunst?
    Dagegen kenne ich wahre Schreibkünstler, die das Handwerk nie gelernt haben und es auch nicht wirklich beherrschen, aber trotzdem großartige Werke schaffen, die irritieren, nachdenklich machen, weise und unterhaltsam sind … erst wenn beides zusammenkommt, ist es perfekt.