Und jetzt Ring frei für den ungeschlagenen Champion im Fantasy-Schwergewicht, den Meister gewaltiger Worte, den Kämpfer für Unabhängigkeit, Qualität und den Einsatz von Qs in q-losen Verben. Hier kommt Hooooooooorus W. Odenthaaaaaaaaal!
Ein Schwefelschein kroch über den Grat ferner Berge herauf, und eine Dunkelheit rollte wie eine Flut über die Ebene, die ihn rasch einholte und seinen Blick verhüllte. Die ihn zurückholte in den Pulsschlag ihres mächtigen Tidengangs, dessen Rhythmus ein älterer Mond vorgab. Dieser Mond atmete wie eine offene Wunde in fernsten Himmeln kurz vor dem Rande des Wirklichen Abgrunds, weit hinter der Bahn der bleichen Knochen der Schuld, die den Nächten der Menschen ihr Licht gaben. Er konnte jetzt dieses bleiche Licht über sich sehen, voll und rund und ungemindert, denn eine Gegenströmung hatte ihn erfasst, ihn mit sich gezogen und unverhofft nach oben steigen lassen, wo durch das sachte Schwanken der Unterseite einer nahen Dünung sein Schimmer fiel, gebrochen zu milchig splittrigen Mondschabseln.
Sein Arm – er sah ihn nicht, er fühlte ihn nur, und das war nach der langen Zeit des Nichtfühlens etwas Gutes –, er langte automatisch hoch und griff aus. Sein zweiter schloss sich dem Rhythmus an, der ihn schließlich nach oben trieb, wo er jetzt unter sich die ganze enorme Weite und Macht der ozeanschweren Dunkelheit spürte, die ihn endlich hielt und trug. So stieg er nach oben und spürte die gebrochenen Facetten des Mondlichts ihn umspülen wie ein Pfuhl bleich treibender Entengrütze.
Ein weiterer Zug noch, weiter empor. Fast da, fast oben.
Er schlug die Augen auf, und Licht strömte auf ihn ein wie gemächlich auslaufende Wellen an einem sanft ansteigenden Sandstrand.
Wo war er? Dunkel konnte er sich erinnern, das schon einmal gefragt zu haben. „In Himmelsriff.“ Diese Antwort jedoch hallte noch immer deutlich in ihm nach.
Eine Umgebung schälte sich langsam aus dem Nebel des Aufdämmerns. Er erkannte Begrenzungen, Wände, die das weich flutende Licht einfassten. Der Raum war weit, die Decken waren hoch. Er sah senkrecht fallende Linien. Er sah Klarheit, durch die hindurch elegante Arabesken aufebbten. Er sah hohe schlanke Fenster und dahinter wiederum Weite, noch mehr davon, Weite in verschwenderischem Maß.
Er lag nicht in der Wildnis irgendwo, er lag nicht zusammengebrochen auf hartem Boden, zwischen Dornen und Gestrüpp und Erbrochenem, im eigenen Blut.
Das Gesicht, das zu ihm herabsah, war das gleiche, das aus dem Dunkel seiner Bewusstlosigkeit aufgetaucht war und mit ihm gesprochen hatte. Das bleiche Gesicht, das mit den Augen wie Seen von Pech.
Ein Elf. So hätten ihn seine Kameraden genannt. Wenn sie es wohlwollend ausgedrückt hätten. Wahrscheinlich hätten die meisten ihn aber einfach nur „Spitzohr“ genannt. Oder „dreckiges Spitzohr“. Auch er hatte das häufig getan.
„Wie geht es Ihnen, Auric Torarea Morante?“ Ein Nichtmensch, der ihn auf Idirisch ansprach.
Horus W. Odenthal: Ninragon 1: Die standhafte Feste
Challenge-Time bei Qindie! Q-Autoren senden auf Zuruf zu einem Stichwort eine Textstelle ein.
Eine Woche lang. 1 Stichwort – 7 Texte.
Das Stichwort: Aufwach-Szene
Am nächsten Sonntag verschenken wir 3 Buchpakete (wahlweise als Mobi oder ePub), in denen alle Bücher enthalten sind, aus denen die Texte stammen, an diejenigen, die bis dahin die lustigsten/schrägsten/originellsten Kommentare zu den Texten hinterlassen.
Ah, ich war schon gespannt, ob was aus Ninragon oder Hyperdrive kommt. Auch in Hyperdrive wäre mir spontan eine, sagen wir ungewöhnliche Aufwachszene eingefallen (Walser), aber das wäre auch mehr Traum- als Aufwachszene.
Ich denke zu dieser Szene erübrigt sich jeder Kommentar, oder?
Sie ist wahrlich in der Lage für sich zu sprechen.
By the way: Wer Ninragon noch nicht kennt und mit Fantasy mit vielen expliziten Gewaltszenen zurechtkommt: Unbedingte Empfehlung.
Und wem das zu opulent oder brutal ist: Das einfacher geschriebene, aber ebenfalls grossartige Hyperdrive probieren. Noch könnte man sich wahrscheinlich zu Hyperdrive auch in die Leserunde bei Lovelybooks einschmuggeln.
Na, ein Kommentar fällt mir dann doch noch ein: Gibt es Schreibratgeber-Schreiber, die in der Lage wären, eine Szene so zu schreiben? Oder fundamentieren Schreibratgeber-Schreiber ihre eigenen Grenzen als Regeln?
Das ist eine wortgewaltige Aufwachszene, die einem das Lesen leicht macht. Auch die Erklärung, wie das Aufwachen hätte sein können (verletzt, im dreck liegend) ist interessant und findet ja so nicht statt. Der Wachwerdende wird respektvoll von einem Elf begrüßt. Eine sehr faszinierende Art die Traumwelt zu verlassen!
Eine imposante Aufwachszene, beinahe eher eine Art Auferstehung, wenn man bedenkt, was von dem Vorher angedeutet wird.
Obwohl mir der Einstieg mit dem Rollen, Wogen und Strömen zugegebener Weise nicht ganz leicht fiel.
Dieses Aufwachen klingt bedrohlich, obwohl es mir wie eine Rettung vorkommt. Ein Emportauchen aus den Tiefen der Bewusstlosigkeit.
Er ist ein Elf? Ist er Gefangener oder ist er bei seinesgleichen, die ihn gerettet haben?
Da wird man schon neugierig.