Von Edelfedern und anderen Schreibern [Kolumne]

Von Ruprecht Frieling

Auf einer Lesung, die ich jüngst in einem barocken Theatersaal zelebrierte, wurde ich vom Veranstalter als »Edelfeder« angekündigt. Whow! »Edelfeder«! Das klang nach der Würde eines Winnetou, dem Einkommen eines Rockefeller und der Brillanz eines Johann Wolfgang von Weißichwovon. Mir schwoll der Kamm!

Arfs

Foto cc by-sa kelly taylor

Bislang betrachtete ich mich eher als mittelprächtigen Schreiber, der im Steinbruch der Worte mühsam Satz für Satz meißelt statt im reißenden Fluss der Worte zu schwimmen. Dabei musste ich mich zu Beginn meiner Karriere als Journalist noch »Tintenpisser«, »Wortverdreher« und »Schreibtischtäter« schimpfen lassen. Erst im Laufe langer Jahre wurde aus dem Tintenpisser ein Redakteur, aus dem Redakteur ein Feuilletonist, aus dem Feuilletonist ein Chefredakteur, aus dem Chefredakteur ein Herausgeber, aus dem Herausgeber ein Verleger, aus dem Verleger ein »Bücherprinz« und inzwischen gar (laut einer Hamburger Wochenzeitung) ein »E-Book-Pate«.

Als »Edelfeder« hatte ich mich indes nie betrachtet und finde auch, dass der Begriff einen Beigeschmack hat. Sollen sich diejenigen, die es nötig haben, derartige Federn an den Schopf stecken lassen. Ich jedenfalls zähle nicht dazu und empfinde es sogar als diskriminierend gegenüber einer Zunft, die sich den Wohllaut der Sprache auf die Fahnen geschrieben hat.

Früher wäre ich großzügiger gewesen und hätte mich über die Formulierung nicht weiter aufgeregt. Doch inzwischen leben wir in einer Zeit, in der nahezu jeder Begriff auf die Goldwaage gelegt wird. Warum sollen deshalb nicht auch die Menschen des Wortes Ansprüche auf ein ausgewogenes sprachliches Verhältnis ihrer Mitmenschen einfordern? Schließlich sind auch die Mitglieder der schreibenden Zunft eine Minderheit!

In der FAZ steht: »Jede Minderheit ist heute, Gott sei Dank, geschützt vor beleidigender Sprache und Geringschätzung«. Nun, wenn dieses neunmalkluge Blatt das schreibt, dann melde auch ich Ansprüche an, zumal wir derzeit einen neuen Reglementierungswahn in Sachen sprachlicher »correctness« erleben.

Deshalb: Wo bleiben diejenigen, die auch für die Rotte der kleinen Schreiber eine verbindliche Sprachregelung einführt, damit wir endlich wissen, wie wir angemessen zu bezeichnen sind?

Oder sollte ich unter diesen Bedingungen gar froh sein, »Edelfeder« genannt zu werden?

Ruprecht Frieling

 

3 Replies to “Von Edelfedern und anderen Schreibern [Kolumne]”

  1. Bruno Moebius

    Zitat: „… gegenüber einer Zunft, die sich den Wohllaut der Sprache auf die Fahnen geschrieben hat.“
    Möglicherweise hat sich ein Bruchteil der Zunft so etwas auf die Fahnen geschrieben, aber der Rest weiß leider nicht, was das ist.
    Davon abgesehen gefällt mir Ihre Kolumne.
    Liebe Grüße.
    Bruno Moebius

  2. Angela Charlotte Reichel

    … nicht sicher, ob der Verfasser sich mittels dieser Kolumne die, offensichtlich in guter Absicht, beiläufig überreichten Federn öffentlich aus seinem Kleide reißen, oder sie mit viel Tamtam herzeigen will, damit endlich öffentlich werde, was vorher nur den Anwesenden bekannt gewesen ist.

    Einen Begriff derart missverstehen zu wollen trägt die Farbe von Strategie.

    Ob die Qindie als Autorenkorrektiv verständlicher macht, bleibt abzuwarten.

    ACR

  3. Westermann

    Also dafür, dass die so genannte Edelfeder mehr Bescheidenheit predigt, nimmt sie sich aber ganz schön wichtig.