[Rezension] Simone Keil: Corvidæ

Cat und ihre Schwester Lizzie treffen sich in dem Haus ihrer Großmutter, welches sie vor 20 Jahren geerbt und seitdem nicht betreten haben. Der Tod von Rose entzweite die Schwestern, denn Lizzie zog sich danach völlig in sich selbst zurück. Nun will sie ihr Erbe verkaufen und da Cat sie nicht auszahlen kann, versucht sie ihre Schwester an die schönen Zeiten zu erinnern, die sie dort verbracht haben. Während eines Ausflugs in die Umgebung, zu dem sie Lizzie überredet hatte, geraten sie in ein Unwetter und finden in einem mysteriösen Dorf Unterschlupf. Die Bewohner sind sonderbar und verbergen etwas. Und sie wissen um die Risse in der Realität, durch die sich alles ändern kann – selbst die Vergangenheit. Cat erkennt, dass sie sich dort verliert und begibt sich auf eine gefährliche Reise, die sie in sich verändernde und auflösende Welten sowie tief in ihr eigenes selbst führt.

Diese Geschichte hat bereits auf der ersten Seite einen starken Eindruck bei mir hinterlassen. Da war eine unglaublich dichte Atmosphäre, mit der ich mich wohl gefühlt habe und die mir das Gefühl vermittelte, Cat schon lange zu kennen. Die schöne Sprache, die wunderbar Bilder und Emotionen vermitteln kann. Die poetischen Stellen, die ich mir einfach mehrfach durchlesen musste, um sie so richtig genießen zu können. Die Wärme und der Humor, die zwischen den Zeilen durchblitzen. Einfach nur wunderschön und traurig zugleich!

Ich war dem Buch hilflos ausgeliefert und weit, weit weg. Die Figuren wirkten sehr nah und präsent auf mich, jede hatte ihren ganz eigenen faszinierenden Charakter. Da bleiben Lieblingsfiguren natürlich nicht aus, mir haben es ja vier ganz besonders angetan. Einige davon waren auch recht geheimnisvoll und nicht so leicht zu durchschauen. Das macht ja auch einen Teil ihres Reizes aus, allerdings besteht dabei natürlich die Gefahr, dass einen die falschen Figuren “erwischen”. Aber diesmal habe ich Glück gehabt, auch wenn mir bei einer Szene fast das Herz stehen geblieben ist.

Die Geschichte bietet verschiedene Entwicklungsphasen, in denen sich der Blickwinkel erweitert und für eine veränderte Sicht auf die Ereignisse sorgt. Die Handlung entwickelt sich überraschend und ganz anders, als man zu Beginn erwartet hat. Der Hintergrund wird zu einem immer zentraleren Thema, mit dem die vielen verwirrenden Dinge verbunden sind. Da musste ich mich beim Lesen doch manchmal bremsen, um kurz innezuhalten und einiges zu sortieren. Um Dinge zu verknüpfen und auf mehreren Ebenen zu denken. Daher hat mich das Buch oft abseits der Lesezeit beschäftigt und mir auch intensive Träume beschert.

Als ich die Geschichte ausgelesen hatte, war ich erstmal etwas verwirrt und habe ein wenig an dem Vorhandensein meiner grauen Zellen gezweifelt. Aber das lag einfach daran, dass auf wenigen Seiten noch einiges verwirrendes passierte. Und nicht im Detail erklärt wurde. Aber wozu habe ich schließlich meinen Kopf? Ich mag es, wenn mich ein Buch fordert und zum Nachdenken bringt. Fast so sehr, wie ich tiefe Geschichten, leise Zwischentöne, detailliert ausgearbeitete Charaktere und poetische Stellen mag. All das verbindet sich in “Corvidæ” und machte dieses Buch für mich zu einer abwechslungsreichen und intensiven Lektüre. Und zu einer Geschichte, der ich noch viele Leser wünsche…

5Stern

Rezensiert von Fantastische Bücherwelt