Wir bitten zum Qinterview: Susanne Gerdom

QinterviewEigentlich hattet ihr euch in eurer Auswahl für Andreas Dresen – von Engeln, Sagen und Mythologie – entschieden. Leider stand Andreas für ein Interview nicht zur Verfügung, da er aktuell tief in seinen Projekten steckt und keine Zeit aufbringen konnte.

Stattdessen stellen wir euch heute die Zweitplatzierte aus der Umfrage vor. Susanne Gerdom- Von Katzen, Napfschnecken und Buchhändlerinnen.
Susanne GerdomSie selbst beschreibt sich auf ihrer Autorenseite bei Qindie folgendermaßen:

Susanne Gerdom lebt, wohnt und arbeitet im Familienverband mit vier Katzen und zwei Menschen in einer kleinen Stadt am Niederrhein, bezeichnet sich selbst als “Napfschnecke”, die ungern ihr Haus verlässt, und ist während ihrer wachen Stunden im Internet zu finden. Wenn sie nicht gerade schreibt. Manchmal auch, während sie schreibt.
Sie schreibt Fantasy für Jugendliche und Erwachsene für die Verlage Piper, ArsEdition und Ueberreuter. Man findet sie dort auch unter den Pseudonymen Frances G. Hill und Julian Frost.

Liebe Susanne,
nun ist es soweit, dein erstes Qinterview steht dir bevor. Wir freuen uns auf deine kreativen und spannenden Antworten. Lass’ dir ruhig etwas einfallen, um die Leser zu unterhalten. Vielleicht magst du z.B. die Fragen im Stile deiner Geschichten, Romane oder Gedichte beantworten? Und hier sind die Fragen:

Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?  

Susanne Gerdom, inzwischen ziemlich grau gewordene Ex-Buchhändlerin, Ex-Kostümfundusverwalterin, Ex-Schauspielerin und Regisseurin, Ex-Düsseldorferin, Katzenmama, Bücherfresserin, Schreibwütige, Nerd, Veganerin, Kampfkaninchen, aufbrausend, sarkastisch, ein absolutes Weichei mit Stacheln, seit einigen Monaten stolze Qindie-Mama.

Was mache ich? Ich schreibe seit vierzehn oder fünfzehn Jahren, vor allem Fantasy und Jugendbuch, habe in der Zeit einige Erfahrung im Verlagsgeschäft sammeln dürfen und finde die relativ neue Spielwiese Self-Publishing so spannend wie einen guten Krimi. Ich habe meine gesamte Backlist inzwischen als Eigenbau-Neuauflage herausgebracht und darüber hinaus einige Titel, die nie bei einem Verlag erschienen sind. Ich gehöre also zu der neuen Klasse der Hybrid-Autoren.


Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?

Ich bin Verlagsautorin seit 2000. Die Rechte an den ersten Titeln sind mittlerweile an mich zurückgefallen und ich habe die Gelegenheit genutzt, sie auf diese Weise wieder zugänglich zu machen (natürlich mit neuem Cover …)
Das war die Initialzündung, der Schritt zu den ersten „echten“ selbstpublizierten Büchern war dann nur noch ein kleiner.


Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?

Es macht unerwartet viel Spaß und die Leser sind erstaunlich vorurteilsfrei, was die Unterscheidung Verlagsbuch – Self-Publishing-Buch angeht. Man kann damit wirklich Geld verdienen, und das Gefühl der Freiheit, was Titelwahl, Klappentext und Covergestaltung angeht, ganz abgesehen von der Wahl des Sujets ist wirklich grenzenlos.
Der Nachteil: Man muss wirklich ALLES selbst machen – oder jemanden dafür bezahlen, dass er es übernimmt. Die Zeit, die fürs „Buchmanagement“ draufgeht, geht vom Schreiben ab.


Was findest du beim Self-Publishing problematisch?

Siehe oben. Die Herstellung eines Buches ist zeitaufwendig und gehört eigentlich nicht zu den Kernkompetenzen einer Autorin. Darüber hinaus muss man sich ums Marketing selbst kümmern (okay, das muss man auch, wenn man Verlagsautorin ist – aber da liegt zumindest der Vertrieb/Verkauf in der Hand anderer …)
Self-Publishing ist ein Zeitfresser. Wer sich da nicht gut organisiert, der kommt nicht mehr viel zum Schreiben.
Darüber hinaus ist es sehr schwer, „sichtbar“ zu sein. SP-Bücher werden noch immer weitgehend ignoriert oder, wenn sie wahrgenommen werden, als zweitklassig oder amateurhaft abgetan. Was ja leider in der Mehrzahl der veröffentlichten Eigenproduktionen stimmt.


Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?

Netzwerken. Indie-Autoren brauchen Unterstützer – Leser, Rezensenten, Multiplikatoren. Das kann jeder als Einzelkämpfer versuchen zu erreichen – oder man schließt sich zusammen (wie wir das mit Qindie getan haben). So ein Netzwerk bietet viele Vorteile – Synergie ist einer davon.


Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)

Weil es eine Option mit Zukunft und mit vielen noch nicht ausgeloteten Möglichkeiten ist. Die Verlage sind langsam, sie kommen erst nach und nach dahinter, welche Möglichkeiten im ePublishing stecken. Wir Indies haben da die Nase vorn.
Ich als Hybrid-Autorin habe mit dem SP die Möglichkeit, meine Backlist (meine nicht mehr beim Verlag erhältlichen alten Titel) wieder zugänglich zu machen und ich kann mich mit meinem eigenen Kram austoben, ohne Rücksicht auf Verlagsprogramme und -vorgaben nehmen zu müssen. Das ist reizvoll.


Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?

Meine Immer-Zuerst-Leserin ist meine Freundin und Mitbewohnerin. Sie liest meine Sachen seit vierzehn Jahren – und zwar *während* ich schreibe.
Dann gibt es einen kleinen Pool von Kolleginnen, die das fertige Manuskript bekommen – nicht immer dieselben, das ist ja auch eine Zeitfrage.
Ich habe auch schon „Vorableserunden“ gemacht – bei Leserunden.de. Das ist toll, da habe ich das direkte Feedback von einer Gruppe von LeserInnen, sozusagen in Echtzeit. Das bringt sehr viel.
Und genießen … je nun. Die armen Beta-Leser bekommen das unredigierte, grob durchkorrigierte Manuskript … ob das so ein Vergnügen ist …?


Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)

Nein. Ich treffe Fans in der Regel auf einer der Buchmessen, das ist immer eine sehr laute und hektische Umgebung, in der man nicht besonders gut miteinander plauschen kann – und in der ich in der Regel im Zeitdruck bin (Messen sind immer vollgestopft mit Terminen.) Das ist nicht der Ort, an dem einen Inspirationen anfallen … Die müssten schon SEHR laut klopfen.


Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)

Ständig. Es ist eher die Regel als die Ausnahme. Wenn ich nicht aufpasse, machen die aus einem geplanten Buch ein ganz anderes (das ist mir mit Elbenzorn so gegangen, als der Zwerg Trurre anfing, das Ganze zu einem Zwergenbuch umzubauen. War schwer, ihn wieder einzufangen …)
Ich möchte es so formulieren: wenn die Figuren eines Buches kein Eigenleben entwickeln, dann stimmt was nicht.


Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?

Diese Frage ist so schwer zu beantworten, weil das Schreiben jetzt seit relativ langer Zeit meinen Alltag bestimmt. Es ist mein Job. Ich mache ihn meistens gerne, aber es gibt auch Zeiten, da würde ich lieber lesen oder ganz was anderes machen. Aber ohne Disziplin geht dieser Job nicht und das erfordert auch Opfer. Viel freie Zeit habe ich nicht mehr und in der sehe ich zu, dass ich mich fit halte, weil ich ja sonst den ganzen Tag am Computer sitze. Das heißt: ich gehe ins Fitnessstudio, laufe oder schwimme und gehe einmal in der Woche zum Boxkurs. Das ist im Wesentlichen meine Freizeit.


Was machst du, wenn du nicht schreibst?

Mails beantworten, mich um Qindie kümmern, für meine Coachies arbeiten, schlafen und lesen. Familie, meine Katzen. Sport. Ab und zu ein Film im Fernsehen oder ein Stück Serie – im Moment ist das Warehouse13 – eine geniale Fantasy-Serie aus den USA.


Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?

Durch eine Freundin, die einen Fantasyroman geschrieben und mir zum Lesen gegeben hat. Ich habe mir immer schon Geschichten ausgedacht, bin aber nie auf den Gedanken gekommen, sie aufzuschreiben. Das war die Initialzündung.


Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?

Ich liebe es, meine Einfälle laufen zu lassen, Personen zu erfinden, sie durch einen Teil ihres Lebens zu begleiten. Ich liebe das Recherchieren und die Konstruktion von Welten, Gesellschaften, Magiesystemen. Ich hasse die Tipparbeit, die Durststrecken zwischen den Szenen, auf die man sich freut, das tägliche An-den-Computer-Prügeln, den Anlauf, den man jeden Tag neu nehmen muss, um ein weißes Blatt mit Worten zu füllen.


Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem “Schreibwahn” um?

Geduldig. AutorInnen sind keine angenehmen Mitbewohner. Wir sind geistesabwesend, maulfaul und gelegentlich gereizt.


Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)

Ich lese schon immer gerne Phantastik – die fängt für mich bei Griechischen Sagen, Shakespeare und den Romantikern an und hört dann noch lange nicht auf. Ich mag Krimis. Ich habe eine Zuneigung zu Kinderbüchern, die immer noch nicht erloschen ist. Ich lese gerne Sachbücher zu allen möglichen Themen. Autoren: Viele, viele. Terry Pratchett und Stephen King, Dorothy Sayers und Ben Aaronovitch, Michael Ende und Dianna Wynne Jonses … nee, die zähl ich jetzt wirklich nicht alle auf!


Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)

Es kommt sehr darauf an, wie stark ein Buch mich einfängt. Wenn es richtig gut ist, lese ich ohne die „Innere Autorin“. Aber in der Regel lese ich mit Autorinnenaugen. (Das hätte ich anders geschrieben, da hat er/sie einen Logikfehler gemacht, dieser Dialog klingt hölzern, kann an der Übersetzung liegen, ah, das ist ein schönes Bild …)


Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?

Alles von Pratchett, „American Gods“ von Gaiman, aktuell gerade die ersten beiden Bände der „All Souls“-Trilogie von Deborah Harkness. So toll!


Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?

Ich freu mich immer, wenn jemand sich die Zeit nimmt, eins meiner Bücher zu besprechen. Manchmal heule ich ein bisschen, wenn es eine wirklich schöne Rezension ist (das hab ich gerade mit „Æthermagie“ erlebt, da hat eine meiner Rezensentinnen eine total emotionale Vlog-Rezension aufgenommen, die mich richtig mitgenommen hat …
Geärgert hab ich mich auch schon, aber ja. In der Regel, wenn mir jemand irgendwas Sprachliches vorwirft, da bin ich empfindlich. *g*
Einmal hab ich mich halb geärgert, halb hab ich mich totgelacht, weil mir eine Rezensentin die Verwendung des Wortes „Toilette“ ankreidete. Problem dabei: SIE hat ans Klo gedacht – ich ans Ankleiden. *g*


Was wird dein nächstes Projekt?

Im Moment stecke ich fest in Verlagsprojekten. Ich arbeite an Ætherfluch – der Folgeband zu „Æthermagie“ (Ueberreuter), mein cbj-Projekt „Dracyr“ liegt gerade im Lektorat und als nächstes kommt mein neues Projekt für Bloomoon. SP muss warten – und dann muss ich mich entscheiden: Der zweite Teil von Projekt Armageddon? Oder doch eine Fortsetzung von „Last Days on Earth“? Oder ganz etwas anderes? Ich lasse mich überraschen.


Wo findet man dich im Internet?

https://www.susannegerdom.de
https://www.qindie.de
https://www.facebook.com/susanne.gerdom

Wir danken dir, liebe Susanne, herzlich für die Beantwortung unserer Fragen.