Von Martina Bauer
Neulich beim Kaffeetrinken mit einer lieben Bekannten.
„Ich möchte dich etwas fragen“, sagte sie, „aber bitte, lach nicht …“
Wer muss in dieser Situation nicht lachen? Ich jedenfalls nicht. Mir blieb das Lachen im Hals stecken, gemeinsam mit dem Erdbeertörtchen. Meine gute Bekannte fragte mich allen Ernstes, ob ich gemeinsam mit ihr ein Buch schreiben möchte.
Fieberhaft suchte ich nach einer passenden Ausrede, einem Fluchtweg, wünschte mir eine akute Magen-Darm-Grippe, um mich so schnell wie möglich vom Acker machen zu können. Und nahm mir vor, so bald wie möglich einen Volkshochschulkurs zu belegen: „Rhetorik, Teil drei – Wie rede ich mich aus einer Zwickmühle heraus?“
„Hast du denn schon einmal irgendwas geschrieben?“, fragte ich unsinnigerweise. Denn bei lieben Bekannten weiß man das für gewöhnlich. In besagtem Fall war mir klar, dass der Einkaufszettel für den örtlichen Penny-Markt die einzige literarische Arena ist, in der sich meine Bekannte regelmäßig bewegt.
„Nein, aber ich wollte schon immer. Ich habe keine Ahnung, wie das geht. Aber wenn wir es zusammen machen …“ Dann folgten ihre Vorstellungen: irgendwas über frustrierte Hausfrauen und gestresste Mütter wolle sie schreiben, die Chick-Lit-Richtung. Sex and the Kuhdorf.
Gottseidank, denn so konnte ich sagen: „Bedauerlicherweise ist das überhaupt nicht mein Genre, aber schreib einfach mal drauflos, dann schaue ich mir das Manuskript gerne mal an …“ Schwitz.
Im weiteren Gesprächs- bzw. Tratschverlauf ließ ich einige Negativpunkte fallen, die die Schreiblust meiner lieben Bekannten etwas dämpften. Gemein von mir? Vielleicht, aber es sind schlichtweg Wahrheiten, die ein Neuling wissen darf, wenn nicht sollte. Ich erwähnte den Wecker, der nicht selten um vier Uhr morgens klingelt, weil ich später am Tag keine Zeit zum Schreiben finde. Die möglichen Ein-Sterne-Rezensionen bei Amazon oder anderen Plattformen, wenn man denn wirklich etwas veröffentlicht hat. Auch Qindie brachte ich zur Sprache. Ich erzählte, wie ich eine Leseprobe zur Prüfung einreichte, die von einer Jury auf Herz und Nieren geprüft wurde. Weil, das Q für Qualität bei meinen Veröffentlichungen sei mir sehr wichtig, erklärte ich. Das konnte meine Bekannte gar nicht verstehen.
„Ich will doch einfach nur ein Buch mit dir schreiben, ohne das Drumherum, von dem du jetzt erzählst!“, sagte sie. Gelesen werden wolle sie aber schon, und Geld verdienen auch. „Naja, vielleicht ist das ja doch nichts für mich …“
Glücklicherweise habe ich seitdem nie wieder Derartiges von meiner lieben Bekannten gehört.
Ich lebe in einem 1400 Einwohner zählenden Dorf in der süddeutschen Provinz, wo die Winzer ihre Kinder morgens mit dem Traktor in den Kindergarten bringen. Wo ich schon mal gefragt werde, ob ich heute nicht kochen müsse, wenn ich zwischen elf und zwölf Uhr vormittags auf der Straße herumschlendere. In einer solch bodenständigen Gegend sind Autoren Exoten, fast schon eine Art C-Prominenz. Während einige mich belächeln, zollen mir andere eine gewisse Bewunderung.
Aber meine liebe Bekannte war nicht die erste, die dieses heikle Thema zur Sprache brachte. Manch einer scheint zu denken, wenn eine Hausfrau und Mutter, berufstätig-und-der-übliche-Kram, irgendwie Zeit zum Schreiben findet, dann kann’s ja nicht so schwer sein. Sie sehen mich, wie ich in Hausschlappen über die Straße zum Briefkasten laufe. Und denken: Wenn diese Frau mit den Puschen an den Füßen schreiben kann, dann kann ich das auch. Und weil sie nicht recht wissen, wie anstellen, fragen sie einfach …
… mich, ob wir nicht mal zusammen …
Das soll nicht heißen, dass ich einen zaghaft beginnenden Schreiberling, einen hoffnungsvollen Jungautor, der mich um Unterstützung oder meine Meinung zu seinem Text bittet, vor den Kopf stoßen würde. Ich helfe sehr gerne, wenn es jemandem ernst ist mit dem Schreiben. Aber es muss ihm auch wirklich ernst damit sein. Meinen kleinen Namen im Selfpublishing-Geschäft musste ich mir hart erarbeiten. Mit Schreiben früh um vier, mit Augenringen und allem Drum und Dran. Mit harter Kritik von ehrlichen Rezensenten. Ständig die Monologe irgendwelcher Klugscheißer, die mich mit allen Mitteln entmutigen wollten, in der Hörmuschel, unangenehm wie ein Ohrwurm. Autoren kennen das. Möchtegern-Autoren nicht.
Nein, auf diesen Zug, den ich mit so viel Mühe und Herzblut ins Rollen gebracht habe, will ich nicht jedermann aufspringen lassen. Hilfestellung leisten beim Schreiben? Ja. Jemandem Mut machen, es selbst einmal zu probieren? Natürlich! Aber Erdbeertörtchen als Co-Autor? Ihr Name neben meinem auf einem Buchcover? Nein. So lieb sie mir als Mensch auch ist.
Es gibt noch eine weitere gute Ausrede, um sich vor Erdbeertörtchen-Co-Autoren zu schützen. Man suche sich einen richtigen Co-Autor. Einen, der etwas vom Schreiben versteht. Dann kann man freundlich lächelnd darauf hinweisen, dass man in Sachen „Wir schreiben den Bestseller von morgen“ schon besetzt ist. Und sich mit gutem Gewissen das Erdbeertörtchen schmecken lassen. Denn prüfe, wer sich bindet. Es muss ja nicht gleich für ewig sein.
Herrlich!
Danke für diese herzerfrischende Kolumne!
Zum Glück hat mich schon sehr lange niemand mehr gefragt, ob er mit mir schreiben darf.
Ich hatte das schon mal – und könnte einen Roman darüber schreiben. Einen Thriller, würde ich sagen.
Ich kann deine Gründe sehr gut verstehen und auch unter Kollegen sollte man sich sehr gut abklopfen, um zu sehen, ob man tatsächlich gemeinsam schreiben kann.
Liebe Patricia,
dankeschön!
Ja, es ist ein schwieriges Thema. Ich wurde schon mehrmals gefragt, ob wir nicht zusammen schreiben wollen, auch von erfahrenen Autoren. Ich weiß auch nicht, was die alle von mir wollen 😀
Ich bin nur froh, dass meine Freundin die Sache so gelassen hingenommen hat. Sie hat eingesehen, dass es bei ihr eher ein Geistesblitz gewesen ist, als wirkliches Engagement bzw. Leidenschaft …
Lg
Hm, also, ich wurde noch nie danach gefragt, ob „man nicht ein Buch gemeinsam schreiben“ könne … dadurch, dass ich Partys immer als erste verlasse (oder erst gar nicht auftauche), weil „ich habe keine Zeit – ich habe eine Deadline!“ und meist nicht vor vier Uhr, trotz Brötchenjob, (scheint eine magische Uhrzeit zu sein ;)) ins Bett komme, scheint das abschreckend genug zu sein. 😉
Und sollte mich doch jemand je fragen sollen, würde ich einfach die Wahrheit sagen … ich kann nur alleine schreiben … Schreiben ist für mich keine Teamarbeit, sondern ein Eremitendasein.
Doch, es gibt eine einzige Autorin, mit der ich mir eine Kooperation vorstellen könnte … wir sind uns sehr ähnlich im Stil und von den Themen her … und … sie schreibt selbst schon jahrelang! :o)
Liebe Maria (Lacroix??),
ich dachte auch immer, dass ich nur alleine schreiben könnte. Aber man soll bekanntlich niemals „nie“ sagen. Probiere es doch mal aus mit dieser Autorin. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg.
Lg, Martina
Wie sag ich’s meinem Kinde … oder in diesem Fall der Freundin?
Schon interessant, auf was für Ideen manche Menschen kommen, bloß weil sie wissen, dass man schreibt.
Mein Mann hatte auch schon mal die Idee, einen Roman zu schreiben. Ich hab dazu nur gelächelt, gesagt: „Fang schon mal an“, und abgewartet. Wie ich erwartet habe, hat ihn schon nach kurzer Zeit die Lust verlassen. Das Thema hat sich also von selbst erledigt *lach*
Bisher habe ich lediglich mit einem einzigen Autor zusammen ein Buch geschrieben, und durch diese Erfahrung weiß ich, wie anstrengend das sein kann – und der hatte schon vorher etwas geschrieben, ich wusste also, wie er schreibt. Es ist gar nicht so schlecht, auf so eine Erfahrung zurückgreifen zu können, denn so habe ich immer gute Argumente, so ein Ansinnen von vornherein abzulehnen, egal von wem es kommt 🙂
Liebe Divina,
au weia, eine solche Anfrage vom eigenen Ehemann … das ist heikel. Ich schreibe zwar hin und wieder mit meinem Mann zusammen, aber eher Zeitungsberichte u.ä. über seine Tätigkeit als Vereinsvorsitzender – das geht gerade noch. Aber ein Buch? Um Himmels Willen!
Das ist aber auch eine gute Ausrede: „Schon mal probiert – hat nicht geklappt!“ Muss ich mir merken! Danke dafür!
LG, Martina
Mich fragen häufiger Menschen, ob ich nicht mal über ihr Leben schreiben könnte, was sie erlebt hätten, wäre doch ein spannendes Thema. Und auch, wenn ich ja schon für die biografischen schweren und traurigen Themen stehe, fallen sie dann aus allen Wolken, wenn ich Fragen stelle, um den Erlebnissen einen dramaturgischen Bogen zu geben, dem auch Leser folgen können. Oder wenn ich ihr Leben nach den Konflikten, den emotionalen Momenten im Glück und in der Trauer abklopfe, um einen Ansatz zu finden, über ein sicherlich spannendes Leben zu berichten. Und meist kommen dann Rückzieher. 🙂
Lieber Florian,
in Deinem Genre ist das sicherlich besonders schwierig. Eigentlich könnten sich die Leute denken, dass es hierbei ans Eingemachte ginge, wenn sie ihr Inneres nach außen kehren müssten – aber die Vorstellung, sich als Protagonist in einem Buch von Florian Tietgen wiederzufinden, verklärt wohl den Blick 🙂
Lg, Martina
Mir ist es vor einiger Zeit auch passiert, dass ich das gefragt wurde, die Sache ist aber so oder so rasch im Sand verlaufen und damit war sie auch von selbst erledigt 😉
Da wir (also die beiden Autorinnen von Clue Writing) seit zwei Jahren beide Stories veröffentlichen und dabei auch ab und an eine zu zweit schreiben, kann ich bestätigen, dass es auch mit anderen Schreiberlingen, auch wenn sie ähnlich planen, denken und vorgehen und die man seit Jahren gut kennt einiges länger dauert, auf die gleiche Anzahl an Zeichen zu kommen als alleine. Und ja, ich gebe unumwunden zu, dass ich, falls ich in Zukunft je wieder gefragt werden sollte, ob ich ein Buch zu zweit veröffentlichen möchte, genau das sagen werde: Ich habe schon ein Projekt, an dem wir zu zweit arbeiten und daneben noch anderthalb, an denen ich alleine schreibe 😉
PS: Ich sage jetzt nichts dazu, dass dieser Beitrag um vier Uhr geschrieben wurde, ausser dass es ein Fall von „noch wach“ und nicht ein Fall von „schon wach“ ist, obwohl es auch Fälle von „nicht wach“ geben kann 😉
Ich kenne so etwas auch. Mitunter wollen die Leute dann auch nur Ideenlieferant sein und schreiben soll wer anderer. Dabei ist ja ehrlich gesagt das „an Ideen rumspinnen“ doch das Interessanteste an der ganzen Schreiberei! – Und ich glaube, es kennt auch wohl jeder, diese angefangenen Texte, weil die Story einfach nicht so recht funktioniert. Da braucht man nicht noch fremde Ideen, die meistens dazu nur „hingeworfen“ sind und auch sehr auch in Richtung „Autobiographie eines Durchschnittsmenschens“ gehen. So a la: „Warum schreibst du eigentlich nicht mal einen Roman über die Zustände in unserer Firma?“ – Aber dennoch, ich versuche da natürlich auch freundlich zu bleiben und ich halte mich auch zurück, ein harsches Urteil zu fällen, was das erwartete Leserinteresse ist. Denn wenn man es sich recht bedenkt, gibt es ja genug Bücher oder speziell auch Seifenopern im Fernsehen, die durchaus an nicht allzu exotischen Arbeitsplätzen spielen und offenbar auch erfolgreich sind. (Beispielsweise gibt es diverse Serien, die in einem Hotel spielen.) Aber dennoch: Ich persönlich fange da nicht gerade Feuer. Und das kann ich auch so vertreten. – Und es ist auch ein Unterschied, ob man bei einem Bier eine peinliche Situation erzählt, die einen Kollegen oder Kunden betrifft (gut, das finden die meisten ganz witzig) oder ob man mindestens 200 Seiten mit ähnlichen Vorfällen aneinander reiht. Und ich erzähle auch, dass ich schon Dutzende angefangene Geschichten habe, die ich auch für eine gute Idee gehalten habe und ich auch gar nicht wüsste, wie ich das angehen sollte. Er soll halt schon mal anfangen zu schreiben … Na ja, und dann ist Ruhe.
noch sensibler als Flirten … Wer zu erkennen gibt, dass er auf der Suche ist, kriegt Anträge, die Unannehmlichkeiten bereiten – und selbst auf gut Glück aktiv werden, da kann man sich ja wehtun, und was, falls alles klappt und man dann feststellt, dass man mit dem Falschen ins Buch gestiegen ist … wahrscheinlich finden deswegen viel zu selten die richtigen Paare zueinander … (Ich habe auch schon darüber nachgedacht, aber …)
*lach* „Ich steige doch nicht mit jedem ins Buch!“ Das ist ein guter Spruch, den ich beim nächsten Mal loslassen werde, herzlichen Dank dafür!
Valentin, you made my day!lg