Von Tatjana Flade
So, ich habe einen Text geschrieben. Ich bin recht zufrieden damit, aber ich brauche Feedback. Ich gebe meine Geschichte an Testleser, ich bespreche meinen Text in einer Autorengruppe oder ich diskutiere mit einer Lektorin darüber. Das hat sicher fast jeder von uns schon gemacht. Dabei aber stelle ich eine verwirrende Vielstimmigkeit fest. Der eine sagt hü, der andere sagt hott.
Zum Beispiel sagte mir eine Lektorin, die Gedanken einer Person in der Geschichte werden nicht in Anführungszeichen gesetzt. Von anderer Seite höre ich wieder, dass Anführungszeichen verwendet werden. Oder: Was ist mit dem „Mädchen“ und dem dazugehörigen Personalpronomen. Heißt es, „das Mädchen zog sein Kleid an“ oder „das Mädchen zog ihr Kleid an“? Mir sagte ein Lektor, das Personalpronomen bleibe innerhalb eines Satzes sächlich, und im nächsten Satz schreibt man dann „sie“ weiter. Aber ich habe es eben auch schon anders gesehen (mein Sprachgefühl plädiert eindeutig für die erste Variante). Haarspalterei? Vielleicht. Aber es gibt auch grundsätzlichere Meinungsunterschiede. Im Exposé, so habe ich es in dem einen oder anderen Seminar gelernt, lege ich die Karten auf den Tisch. Ich sage klipp und klar, was passiert und wie. Neulich aber sprach ich mit einer befreundeten Autorin über ihr Exposé, das ich etwas verwirrend fand und in dem meiner Meinung nach eben nicht alles erklärt wurde, was für mich zum Verständnis des Romans wichtig gewesen wäre. Aber sie sagte, sie habe es mit einer Expertin so ausgearbeitet, es komme vor allem darauf an, dass die Intention des Autors deutlich werde. Wieder eine Aussage, die mich ratlos zurücklässt. Ist mein Exposé nun falsch?
Aber vielleicht kann ich mich wenigstens an Interpunktion und Orthographie festhalten. Weit gefehlt, das Chaos der Rechtschreibreform hat hier ebenfalls zu Mehrdeutigkeiten geführt. Da gibt es „Kann“ und „Muss“-Regeln, alte und neue Rechtschreibung, und einer will es so, der andere wieder anders. Nehmen wir mal das Komma, das zwei vollständige, mit „und“ verbundene Sätze trennt. Früher war es Pflicht, jetzt kann man es auch weglassen. Ich habe es drin gelassen, da ich sowieso eine Anhängerin der alten Rechtschreibung bin. Mir wurde geraten, es rauszunehmen, weil es den Lesefluss störe.
Ich will gar nicht von stilistischen Fragen sprechen. Hier ist der Spielraum, was gefällt und was nicht gefällt, ungleich größer. Der eine findet die Geschichte toll geschrieben, die nächste findet sie nur furchtbar. Für den ersten Leser ist sie spannend, die zweite Leserin gähnt nach der zweiten Seite. Über Geschmack lässt sich schlecht streiten, auch wenn es gewisse objektive Kriterien gibt, um die Güte eines Textes zu beurteilen. Verschachtelte Sätze, ständige Wiederholungen, falsch verwendete Bilder gefallen sicher so gut wie keinem Leser.
Ich glaube, das Wichtigste ist, dass ihr euch nicht verunsichern lasst. Ich lege Wert auf den Rat und die Meinung von Lektoren, anderen Autoren, Testlesern, Experten aller Art. Ich muss dazu bereit sein, andere Meinungen anzunehmen, wenn ich weiterkommen will. Aber ich darf nicht jedem Kommentar hinterherhecheln. Dann wäre ich nämlich nur noch dabei, meinen Text der Vorstelllung meines jeweiligen Gesprächspartners anzupassen. Eines ist mir klar geworden: Es gibt nicht den goldenen, alles umfassenden Weg. Es gibt viele Wege, ich muss nur den richtigen für mich finden.
Was meint ihr?
Tatjana Flade