Schreiben ist doch ein Klacks!

Kolumne_allg_02Von Elsa Rieger

Ich habe vor mehr als 20 Jahren zu schreiben begonnen. Warum? Keine Ahnung. Ich wusste nur, ich möchte etwas Kreatives machen. Es hätte genausogut die Malerei sein können. Da ich aber nicht malen kann, aber des Wortes mächtig bin, traf es diese Zunft. Zudem las ich immer wie eine Geisteskranke, sog wie ein Schwamm jede Geschichte in mein Hirn ein. Das heißt aber bei Weitem nicht, dass ich durch diese Steilvorlage des Lesens großer Schriftsteller selbst Texte aus dem Ärmel schütteln konnte. Ich glaubte es zwar, aber leider, so leicht und fluffy klappte es nicht damit, Autorin zu werden.

Zunächst versuchte ich mich an der Lyrik. Was soll da schon schwierig dran sein? Ein bisschen Reimerei, damit sich ein Rhythmus einstellt, das ist doch ein Klacks. Dachte ich. Das Ergebnis war scheußlich. Ich würgte die Wörter geradezu, damit sie sich reimten, was natürlich die Inhalte verstümmelte; es war zum Lachen. Bis ich darauf kam, dass Lyrik nicht unbedingt gereimt sein muss. Nach vielem Papierkorbmaterial und noch mehr Üben in Schreibgruppen bekam ich den Bogen halbwegs raus, was Lyrik überhaupt ist: Konnotation, Hermetik, Weglassen, Worten Raum geben.

Die nächste Stufe war das Schreiben von Kurzgeschichten. Schlau, wie ich nach meinen Experimenten in der Lyrik war, las ich zunächst Raymond Carvers exzellente Kurzgeschichten.

„So kurz wie möglich, so lang wie nötig.“ Das trifft eindeutig auf Carvers Texte zu.

Tja, schön und gut, nur wie setzt man das um?

Meine ersten Kurzgeschichten zeichnete ein Dschungel von Adjektiva aus, durch den sich der arme Leser erst mal einen Pfad mit der Machete schlagen musste. Ich erging mich in minutiösen Beschreibungen, jeder Handgriff, jeder Schritt, detailliertes Mienenspiel kamen dazu, langatmige Passagen übers Wetter etc. pp. Kurzum, diese Texte rollten wie Michelin-Männchen über meine Papierblätter, die sich vor Entsetzenzusammenkrümmten.

„Eine Kurzgeschichte ist eine Geschichte, an der man sehr lange arbeiten muss, um sie so kurz und so gut wie möglich zu machen.“ Das hatte ich verstanden. Aber es war nicht so, dass der heilige Geist über mich kam. Es bedurfte langer Übungseinheiten, um meine eigenen Texte „lesen“ zu können, denn Autoren sind bekannterweise betriebsblind, weil sie in ihre Produkte verliebt sind. Mir ging es lange Zeit nicht anders. Es brauchte Helfer. Meine erste und immer noch wichtigste Ansprechperson ist meine Lektorin. Zuerst verschlug es mir den Atem! Sie predigte mir:

„Jedes Wort zu viel ist zu viel – also werden alle Füllwörter und Füllsätze gestrichen.

In der Kurzgeschichte, aber auch in Romanen, wird der Stil durch das Weglassen von Unwesentlichem geprägt.“

Geschichten, die ursprünglich 10 Seiten hatten, strich sie mir auf 3 Seiten zusammen! Erst mit Abstand wagte ich mich dran, sie erneut zu lesen, als sie fremdelten. Und was ich dann sah, verschlug mir wieder den Atem, aber aus Freude und Glück! Das waren ja richtig schöne Geschichten geworden! All der Schmerz über die Rigorosität meiner Lektorin war verflogen; ich begann, selbst sehr genau hinzusehen, lernte Wichtiges von unnützem Gelaber zu unterscheiden.

Es fällt einem nicht in den Schoß, ganz und gar nicht. Gute Texte lassen sich nicht aus dem Zylinder zaubern wie weiße Tauben. Gute Texte bedeuten intensive Arbeit.

Nach dem „Lehrgang“ Kurzgeschichten wagte ich mich an die Königsdisziplin des Schreibens, den Roman. Dazu brauchte es noch mehr Kenntnisse, die ich mir in einigen Seminaren und durch viele Bücher übers Schreiben aneignete. Erst wenn man das Handwerk beherrscht, kann man Regeln durchbrechen. Aber die Grundlagen sollte jeder angehende Autor erlernen.

Schon der Anfang einer Erzählung muss fesseln, die Spannung sollte möglichst mit dem ersten Satz beginnen, einen Anker setzen, der den Leser zum Weiterlesen verführt.

Ich denke in dem Zusammenhang gern an Tania Blixen, die ihren berühmten Roman „Jenseits von Afrika“ mit dem Satz eröffnet: Ich hatte eine Farm in Afrika.

Ist das nicht wundervoll? Sofort will man wissen, wie es weitergeht.

Weitergehen soll es so, dass Überflüssiges knallhart gestrichen wird. Alles, was die Handlung nicht vorwärts treibt, alles, was keine Würze der Geschichte darstellt, wird gestrichen – gnadenlos – und das nicht nur bei Kurzgeschichten, auch bei Erzählungen und Romanen, wo Autoren gern schwafeln, damit der Roman eine ordentliche Dicke erhält.

„Autoren schreiben nicht nur, sondern lesen, lesen, lesen – Werke bekannter und unbekannter Autoren.  Sie informieren sich übers Handwerk. Und sie üben, üben, üben. Fleiß zeichnet gute Autoren aus, nicht vergessen!“

Elsa Rieger

 

4 Replies to “Schreiben ist doch ein Klacks!”

  1. Amuljar

    Ich kann Ihnen nur Recht geben, Frau Rieger!
    Wenn man als Laie versucht, die wundervollen Geschichten, die in der eigenen Phantasie ruhen, aufzuschreiben, kommt man sehr schnell an seine Grenzen.
    Deshalb lasse ich meine Geschichten in meinem Kopf und lasse mich in die Geschichten der Autoren fallen.

    Die beherrschen(in der Regel) ihr Handwerk!

    Schöne Grüße einer Lesenden!
    Amuljar

  2. noz!

    Oh vielen Dank für diesen Beitrag, der mich ein weiteres Mal an meine Fähigkeit erinnert hat, mit Füllwörtern um mich zu werfen. Es wäre zu schön, wenn ich mich eines Tages lerne zu beherrschen.

    Und danke auch für die Erinnerung an diesen wunderbaren Satz von Tania Blixen. Der ging ins Herz!

    Liebste Grüße
    Katja

  3. Edith Hornauer

    Liebe Elsie,

    auch als Freundin darf ich mich hier zu Wort melden.
    Du hast es auf den Nenner gebracht!
    Und es wird Zeit, dir DANKE zu sagen. Dein Fleiß zahlt sich aus,
    denn ich bin begeisterte Leserin deiner Werke und – mir stets Vorbild gewesen! Ich habe nur einen Wunsch, schreib weiter, damit wir alle noch ganz viel von dir lesen können.

    LG, Edith

  4. Christina Bauer

    Sehr schöner Artikel.
    Vermutlich stimmte das meiste davon auch einmal. Nur dann kam Stephenie Meyer.