Das Drei-Akt-Modell

Von Elsa Rieger

Kolumne_allg_02aIch habe vor einiger Zeit ein Seminar besucht und mir etwas recht Plausibles von dort mitgenommen, etwas, das auf Aristoteles‘ Dramatik-Theorie fußt.

Vielleicht mag es der eine oder die andere für sich in Geschichten und Romanen ausprobieren, daher teile ich meine Erkenntnisse mit euch.

Nach der Aristoteles-Dramatik-Theorie haben Texte meist am Anfang einen Auslöser, der die Geschichte in Gang setzt. Dazu viele kleinere Wendepunkte, die die Fallhöhe bestimmen, sonst müssten wir ja nicht schreiben. Die Fallhöhe bedeutet, dass sich etwas im Laufe des Textes verändert haben muss, eine Wandlung, ein Ergebnis, eine Antwort eingetreten ist, alles ist anders als vorher.

Das Bauprinzip einer Geschichte, die etwas erzählen möchte – es sei denn, es handelt sich um Experimentelles, Tagebuch, Essay – geht so:

Sie hat im Idealfall 3 Akte, auch eine Kurzgeschichte (dann sind die Akte eben nur ein paar Zeilen lang). Die Verteilung der Aktlänge soll am besten so sein: 1. und 3. Akt sind halb so lang wie der 2. Akt, in Seiten: 1-2-1.

Der Beginn zeigt die Einführung des Protagonisten, der ziemlich schnell den Auslöser gezeigt bekommt. Der Auslöser bringt die Geschichte in Gang. Das kann die Begegnung mit Personen sein, ein Unfall, Liebe, Scheidung usw. Der Auslöser wird auch „Call“ (Ruf) genannt. Etwas passiert, was Veränderung erfordert. Nachdem Menschen sich nur ungern freiwillig verändern, wird der Ruf zwar gehört, aber weggeschoben, die Weigerung ist größer, als man denkt, was sicher den meisten hinlänglich bekannt ist.

Der 1. Akt befasst sich nun damit, wie der Protag Lösungen findet, diesem Ruf nicht folgen zu müssen. Er verstärkt seine „Abwehr“, das, was sich bislang bewährte, um Änderungen zu vermeiden.

Am Ende des 1. und zu Beginn des 2. Aktes wird der Protagonist zu einer Entscheidung „gezwungen“, er muss dem Ruf folgen. Was macht er? Er folgt ihm halbherzig, das ist der 1. große Wendepunkt in einer Geschichte. Der Protagonist macht einen Kompromiss, der ein Schuss in den Ofen ist. Mein Lehrer Peter Renz nennt dies eine „Kassel-Entscheidung“. Was ist das nun? Ganz einfach (ich nutze eine andere Stadtkonstellation, die mir vertrauter ist): Das Ehepaar lebt z.B. in Wien. Die Schwiegermutter hat ein Haus in München. Der Ehemann bekommt einen tollen Job in Salzburg. Die Entfernung zu Wien ist da viel zu groß, um den Hausstand in Wien aufrechtzuerhalten. Was tun? Obwohl die Schwiegermutter ihm verhasst ist, und er im Grunde weiß, das kann nur schiefgehen, zieht das Paar nach München. Das ist eine halbherzige Entscheidung, die nur zur Katastrophe führen kann, aber der Protagonist kämpft während des 2. Aktes dafür, dass es doch funktioniert, bis er den innerlichen Offenbarungseid leisten muss und eine echte Lösung seines Problems ansteht. Dieser 2. Akt ist der längste Teil des Romans, da können auch Nebenschauplätze eingebaut werden, verschiedene Widrigkeiten, die dem Protagonisten das Leben noch schwerer machen, denn schließlich sollen wir unsere Helden nicht schonen, damit richtig was los ist auf seiner Reise.

Schließlich kommt es also zum großen Wendepunkt 2 am Anfang des 3. Aktes. Eine echte Entscheidung zu treffen, wirft Menschen ihr bisheriges Weltbild um, kein Stein bleibt auf dem anderen, und daher folgt rasch nach Wendepunkt 2 die Krise des Protagonisten, die ihn in einen Zustand der Stille versetzt. Krise = Heilung. Und so gelingt es dem Protagonisten, seine wahre Entscheidung zu treffen. ENDE.

Also:

1. Akt:

Beginn
Auslöser
sich dagegen wehren
wehren
wehren
Ende 1. Akt: Wendepunkt 1

2. Akt

Kompromisse festhalten wollen, nicht die Strategie des bisherigen Lebens aufgeben wollen. Das funktioniert nicht, daher:
Ende 2. Akt
Wendepunkt 2: eine echte Entscheidung MUSS her!

3. Akt

Kein Stein bleibt auf dem anderen
Wendepunkt 3: Krise!
Stille.
Damit beginnt die Wandlung und der Protagonist löst ein, was der Auslöser ihm zugerufen hat.
Es kommt zum Showdown, in dem sich alles klärt. Ob die Klärung nun zu einem positiven oder negativen Finale führt, ist einzig Sache des Autors.

Wenn man will, kann man in einem kurzen letzten Kapitel ein Kiss off schreiben, in dem der Leser erfährt, wie sich alles zum Guten gewendet hat (oder zum Schlechten) und in welcher Situation (kann auch Jahre später sein) die Protagonisten nun leben.

ENDE

Wer jetzt denkt, wenn alle guten Geschichten nach diesem Design gebaut werden, müssen doch auch alle gleich werden und damit langweilig, der irrt. Denn den Aufbau bemerkt der Leser nicht, wenn er von der Geschichte mitgerissen wird.

Dieses Story-Design hat sich bewährt, in richtig guten Büchern und Filmen wird es angewendet.

Wer mehr darüber wissen möchte, dem empfehle ich das Buch:

McKee, Story. Alexander Verlag.

Genial, wenn man das Thema für sich vertiefen möchte. Dort geht es zwar ums Drehbuchschreiben, aber das tut dem Inhalt für Autoren keinen Abbruch.

Elsa Rieger