Seine Sudelbücher sind in den Qindieregalen einzigartig, sind sie doch gesammelte Glossen, die politischen Alltagswahnsinn auf die Feder nehmen.
Aber er schreibt nicht nur, sondern engagiert sich, ist im Wahlkampf aktiv und hat als einer der ersten verlagsunabhängigen Autoren Bücher in eigener Regie veröffentlicht.
Zum Jubiläum sind gerade die gesammelten Sudeleien in zwei Bänden erschienen. Und uns hat er nicht nur die Fragen beantwortet, sondern auch Ideen und Visionen genannt, wohin es mit Qindie in einer selbstbewussten Szene unabhängiger Autoren gehen kann.
1. Wer bist du und was machst du in puncto Self-Publishing?
Wer bist du? Bei solchen Fragen wähne ich gleich jemanden hinter mir, der meine PIN mitzulesen versucht. Nun gut! Angaben zur Person fallen nicht unter das Zeugnisverweigerungsrecht, deshalb hier das Nötigste: Jan Ulrich Hasecke, geboren 1963 in Velbert, verheiratet, zwei Kinder.
Ich publiziere ganz unterschiedliche Bücher. Bisher sind ein Roman, eine filmwissenschaftliche Untersuchung, Sach- und Fachbücher, Essays und die Sudelbücher zusammengekommen.
2. Was hat dich dazu bewogen, deine Bücher selbst zu veröffentlichen?
Ende der Neunziger Jahre konnte ich einen Literaturagenten für meinen ersten Roman „Die Reise nach Jerusalem“ begeistern. Leider suchte er über ein Jahr lang erfolglos nach einem passenden Verlag. Ich war dann vermutlich einer der ersten in Deutschland, der mit Print on Demand ein selbst verlegtes Buch auf den Markt brachte.
Das war für mich eigentlich ein sehr naheliegender und konsequenter Schritt, denn ich war damals sehr aktiv in der Netzliteratur-Szene, die sich die Unabhängigkeit von überkommenen Strukturen auf die Fahne geschrieben hatte. Wir waren jung und experimentierfreudig. Mein Generationenprojekt (www.generationenprojekt) hatte gerade einen Literaturpreis gewonnen und das Sudelbuch (www.sudelbuch.de) lief auch hervorragend.
3. Wie sind deine bisherigen Erfahrungen mit Self-Publishing?
Ich glaube, wir stehen beim Self-Publishing noch ganz am Anfang und werden diesen Begriff bereits in einigen Jahren nicht mehr verwenden. Independent Publishing gefällt mir viel besser, denn im Moment macht mir diese Unabhängigkeit sehr viel Spaß. Ich habe mir eine sehr effektive und effiziente technische Prozesskette aufgebaut, um Bücher und E-Books technisch zu produzieren. Darüber werde ich übrigens in Kürze ein IT-Fachbuch veröffentlichen. Dieser Drang nach Unabhängigkeit hat mich bisher auch davon abgehalten, einen Distributor mit der Verteilung meiner E-Books zu beauftragen. Ich warte da lieber, bis die Shops ihre Pforten für Autoren öffnen. Ich bin da sehr vorsichtig geworden und habe mir angewöhnt, lieber einen Gang zurückzuschalten, als die Kontrolle zu verlieren. Ich weiß aber, dass andere Autoren da viel offensiver sind und in jeden Shop hineindrängen, den es gibt. Das Thema habe ich mir deshalb für dieses Jahr auf Wiedervorlage gelegt.
Für Marketing bleibt mir leider fast gar keine Zeit, jedenfalls habe ich immer das Gefühl, dass ich in diesem Punkt mehr machen könnte. Ich bin halt Self-Publisher und kein Self-Marketeer.
4. Was findest du beim Self-Publishing problematisch?
Wir haben keine wirklichen Self-Publishing-Strukturen. Wir sind alle angewiesen auf große Unternehmen und zentrale kommerzielle Plattformen. Das wird zwar immer wieder kritisiert – Stichwort: Amazon-Bashing – aber niemand tut etwas dagegen. Im Literaturcafé habe ich dargelegt, welche Antwort auf Amazon ich mir vorstelle (https://www.literaturcafe.de/sattelt-nicht-die-pferde-gegen-amazon/). Aber im Grunde müssten wir noch einen Schritt weitergehen. Wir brauchen dezentrale Strukturen, die auf wenige, vielleicht öffentlich-rechtlich verwaltete, zentrale Dienste zurückgreifen. Hier versagt nicht nur die Kulturpolitik komplett, falls es sowas wie Kulturpolitik überhaupt noch gibt. Auch die meisten Kulturschaffenden können sich kaum noch eine Alternative zur aktuellen Situation vorstellen. Und die Verlagsbranche will natürlich keine verlagsunabhängigen Strukturen.
5. Was erscheint dir nützlich, um das Problem zu beheben?
Die Geeks und Hacker müssen es fixen. Seit den Enthüllungen von Edward Snowden arbeiten viele kluge Menschen an dezentralen Lösungen für die digitale Kommunikation. Interessante Dinge entstehen. In der Software-Industrie sind leistungsfähige Tools und innovative Arbeitsmethoden entstanden, mit denen sich auch die Literaturbranche revolutionieren ließe. Man muss sie nur anwenden.
Autorenvereinigungen wie Qindie sind ein wichtiger Schritt bei der Veränderung. Aber wir müssen weiterdenken. Nur wer die Distribution kontrolliert, hat die Macht. Um unabhängig zu bleiben, brauchen wir offene und neutrale Plattformen.
Die Technik dafür steht bereit. Aber niemand ergreift die Initiative, denn eine unabhängige, öffentliche, nicht kommerzielle Plattform zur Produktion und Distribution von Büchern und E-Books liegt nur im Interesse von Lesern und Autoren. Und die haben kein Geld und keine Aufsichtsratsposten zu vergeben.
6. Wieso tust du dir die Härten des Selbstverlegers freiwillig an? (Leserfrage)
Ich will unabhängig bleiben. Unabhängig von Verlegern, aber auch unabhängig von Genre-Moden. Das heißt aber nicht, dass ich auf Verbündete verzichten würde.
7. Wer sind deine ersten Testleser? Und warum dürfen gerade diese Leser deine Worte zuerst genießen?
Meinen Roman hat damals ein Freund lektoriert. Das war sehr hilfreich. Ich würde niemals einen unlektorierten Roman veröffentlichen. Für meine IT-Bücher suche ich Testleser in der jeweiligen Software-Community.
8. Hat dich schon einmal ein Treffen mit einem Fan zu einer Idee inspiriert? (Leserfrage)
Ich habe keine Fans. Ich führe oft lebhafte Gespräche und Diskussionen mit Lesern und Nichtlesern, die mich zu neuen Sudeleien inspiriert haben. Als Blogger nimmt man ohnehin oft Gedanken anderer Blogger auf und spinnt sie weiter.
9. Kommt es vor, dass Figuren etwas anderes tun oder sagen, als du geplant hast? (Leserfrage)
Die machen eigentlich immer, was sie wollen.
10. Wie hat sich dein Alltag durch das Schreiben verändert?
Ich schreibe, solange ich denken kann, deshalb habe ich keinen Vergleich.
11. Was machst du, wenn du nicht schreibst?
Tango tanzen.
12. Wie bist du zum Schreiben gekommen? Durch wen oder was?
Mein Vater hatte einen kleinen sozialpolitischen Verlag und besaß eine Adler Schreibmaschine. Vermutlich habe ich bereits darauf herum getippt, bevor ich lesen und schreiben konnte. Mit zehn habe ich angefangen, kleine Geschichten zu erfinden. Und mit sechzehn schrieb ich meine erste Sudelei. Die landeten damals jedoch in der Schülerzeitung oder in der Schublade. Aber im Grunde habe damals schon angefangen, zu allen möglichen Themen kleine Essays zu verfassen.
13. Was liebst du am Schreiben? Was magst du nicht so sehr?
Was liebt man an der Luft, die man atmet? – Ich mag es nicht, mich zu wiederholen. Ich mag meine Rückenschmerzen nicht. Es ist ein ständiger Kampf gegen die Routine. Man weiß nie, ob ein Wort ein Freund oder ein Feind ist. Die Sprache ist wie Wasser, in dem wir schwimmen. Wir müssen irgendwelche Schwimmbewegungen machen, aber in Wirklichkeit trägt uns das Wasser. Wir können untergehen, aber wir können nicht aus dem Wasser steigen, ohne aufzuhören zu schwimmen.
14. Wie geht deine bessere Hälfte/Familie mit deinem „Schreibwahn“ um?
Mein Frau liest Korrektur und freut sich diebisch über jeden Fehler, den ich übersehen habe.
15. Was liest du gern? Welches Genre? Gibt es einen speziellen Autor? (Leserfrage)
Ich lese gerne einzigartige Bücher, Bücher, die es nicht von der Stange gibt. Deshalb lese ich auch kaum typische Genre-Literatur.
16. Wenn du als Autor ein Buch liest, machst du es hundertprozentig als Privatperson oder liest der Autor in dir? (Leserfrage)
Der Autor liest immer mit. Gute Bücher sind immer eine Inspiration. Wir stehen auf den Schultern von Riesen. Essays und wissenschaftliche Fachbücher lese ich ohnehin zumeist mit dem Bleistift in der Hand, da ich vielleicht irgendwann zu dem Thema ebenfalls etwas veröffentlichen möchte.
17. Welches Buch hättest du gerne selber geschrieben?
Im Moment ›Die Insel des zweiten Gesichts‹ von Albert Vigoleis Thelen.
18. Welche Kritik hat dich am meisten gefreut oder geärgert?
Intelligente Kritik freut, dumme ärgert mich.
19. Was wird dein nächstes Projekt?
Das nächste Buch, das ich veröffentlichen werde, ist ein IT-Fachbuch sein, in dem es um die Produktion von Büchern und E-Books geht. Es ist so gut wie fertig.
Außerdem möchte ich im Netz eine neue Distributionsform ausprobieren. Das wird ein verrücktes Experiment wie in den guten alten Zeiten der Netzliteratur. Ich will Texte über BitTorrent an den Leser bringen. Wer sich dafür interessiert, sollte ab und an einmal auf www.sudelbuch.de vorbeischauen.
20. Wo findet man dich im Internet?
Informationen zu meinen Büchern gibt es unter literatur.hasecke.com
Wir bedanken uns herzlich und wünschen dir viel Erfolg mit den Sudelbüchern und natürlich auch bei allen anderen Projekten.