#5 Rezensenten-Leben
Von Jack & Tilly
Es war einmal, vor gar nicht so langer Zeit, eine gute 3, die trotz einem ansehnlichen, ausführlichen & ehrlichen Aussehen keiner haben wollte. Sie fühlte sich missverstanden, ungeliebt und ignoriert. Dabei wollte sie niemandem wehtun und niemanden kränken und legte sich genauso sehr ins Zeug wie ihre beiden „älteren“ Geschwister. Man könnte sogar der Meinung sein, dass gerade die 3 sich mehr anstrengte, weil sie eben beweisen wollte, wie gut sie eigentlich war. Dass sie kein schlechtes Zeichen war, keine schlechte Zahl. Aber da sie nun mal keine 4 oder 5 wurde, begann man sie zu hassen, regelrecht als schlechte Zahl anzusehen und sie zu bedrohen.
Die 3 fing an, an sich zu zweifeln, verschanzte sich, versuchte zu verstehen, sich zu verbessern. Ihr Inneres wurde noch erklärender, noch ausführlicher, noch zeitauftreibender. Im Vergleich zu ihren älteren Geschwistern steckte die 3 sogar das Doppelte an Zeit und Arbeit hinein, nur um am Ende wieder komplett missverstanden zu werden. Dabei zählte doch viel mehr, dass sie den anderen mit ihren inneren Worten zeigte, was in ihr steckte, anstatt sich „nur“ mit ihren älteren, angeblich besseren Geschwistern zu vergleichen. Aber sie war nun mal eine gute 3 – was war daran also verkehrt? Sie selbst sah sich nämlich als etwas Befriedigendes, Respektables an, und im Zusammenhang mit ihrem stets unterschiedlichen Äußeren sogar recht besonders. Daher sah die 3 es nicht mehr ein, den Mund zu halten und entschied sich, endlich ihre Meinung kundzutun.
Sie will verstanden werden, die gute 3, mehr nicht. Deswegen verweist sie nun immer auf die ganzen Informationen, die in ihr stecken. Die konstruktive Kritik, die kleinen Anmerkungen und auch durchaus das Lob, an dem die 3 wirklich hängt und das nicht ungerechtfertigt vergeben wird.
Nur weil die 3 sich einem Text anhängt, muss das nicht heißen, dass der Text nichts Besseres verdient hätte. Ganz im Gegenteil: Der Text sollte stolz auf eine 3 sein, denn eine 3 ist in keiner Weise ein Zeichen dafür, dass er schlecht ist. Die 3 bringt eine Flut an Informationen mit sich, sie sorgt sich um euch, eure Gedanken und euer Tun, und das vielleicht sogar mehr als die 4 & 5 zusammen. Die 3 sieht, wie viel Lob 4 & 5 mit sich herumtragen, und blickt stolz auf ihre hilfreichen Anmerkungen. Sie will euch zeigen, dass sie genauso gut ist wie eine 5, denn sie verrät viel mehr über den Text.
Auch wenn man denken könnte, dass eine 4 oder 5 mehr Begeisterung bei dem Leser hervorruft, so beschäftigt eine 3 doch viel länger mit dem Text. Man setzt sich mit dem Inhalt viel mehr auseinander, weil die 3 gefüllt werden möchte. Alles muss erzählt werden, denn die 3 speist sich von Gefühlen während des Lesens, vom Stirnrunzeln zwischen den Zeilen und von dem seltenen, aber vorhandenen „Moment mal“-Effekt. Die 3 ist stolz auf ihren Inhalt, denn die 5 hat das nicht. Sie tropft vor Schleim und Ruhm, während die gute 3 mit erhobenem Haupt an ihr vorbeigeht. Sie präsentiert sich und ihren Inhalt und dafür möchte sie nur die gebührende Anerkennung.
Die 3 ist klasse! Eine 3 bekommt auch nicht jeder, und eine 3 heißt einfach nur, dass der Text dem Leser hier und da noch nicht rund genug ist. Im besten Fall findet man das „Warum“ hinter der 3. Andernfalls fragt man einfach die 3, und sie erklärt es. Das macht sie gern, sie ist schließlich eine gute 3!
Ihre Geschwister 4 & 5 mögen bei euch noch so toll und heiß begehrt sein, aber am Ende sind sie nur Zahlen, deren INNERE Werte mehr zählen als das Äußere. Die bloße Zahl alleine macht aus etwas nicht gleich etwas Besseres. Es sind die Gedanken und vor allem die Worte, die daraus entstehen, die euch zeigen, wie euer Tun und eure Arbeit beurteilt wurde und wie darüber gedacht wird. Also bitte, bitte schenkt der 3 mehr Beachtung. Sie hat es wahrlich NICHT verdient, nur auf ihre einzelne Zahl abgestuft zu werden! Sie ist mehr!