Simone Keil über das Buch:
Rattenauge zu lesen ist, als würde man einen Maler dabei beobachten, wie er ein neues Kunstwerk schafft. Ein tiefes Schwarz, ein blutiges Rot, Sonnengelb. Mit jeder Farbe, die dazukommt, verdichtet sich das Bild etwas mehr. Die Farben mischen sich zu neuen, bringen neue Perspektiven hervor, lassen aus vielen Details ein Ganzes entstehen – doch auch in dem Ganzen entdeckt man immer wieder Neues.
Jacqueline Spieweg lässt uns das Geschehen aus der Perspektive der Figuren erleben, und das tut sie auf eine so selbstverständliche Weise, dass es einem ganz normal vorkommt, eine Bohnenranke zu erklimmen, um in ein altes Fabrikgebäude zu gelangen. Und genau das ist eine der Besonderheiten, die das Buch ausmachen. Normalität ist immer nur eine Frage des Blickwinkels. Jeder erlebt ein Geschehen, die ganze Welt, so, wie er sie mit seinen Augen sieht, wie er sie hört, schmeckt und riecht.
Und trotzdem – oder gerade deswegen? – fügen sich die Handlungsstränge zu einer Geschichte zusammen, die die Gegenwart spiegelt, auch wenn man sie vielleicht erst auf den zweiten Blick erkennt. Aber bei diesem Buch ist es wie bei vielen Dingen, die einen zweiten oder dritten Blick lohnen: Wenn man sich darauf einlässt, bekommt man etwas zurück.
Ein großartiges Buch, eine ungewöhnliche Geschichte, auf eine ganz eigene Weise erzählt. Etwas Besonderes.
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