Hering zum Frühstück

Von Nikola Hahn

Kolumne_allg_02aEs gibt einen Traum, den jeder träumt, der irgendwann beschlossen hat, Geschichten, Gedichte oder sogar einen Roman zu schreiben: Einen richtigen Verlag zu finden, einen, dessen Bücher man im Buchladen um die Ecke kaufen kann, also da, wo man sich selbst mit Lektüre eindeckt. Auch ich habe diesen Traum geträumt, habe tapfer jahrelang Absagebriefe ignoriert, und schließlich war es soweit: Der erste Verlagsvertrag! Die gute Nachricht kam per Telefon, aber ich wartete auf die schriftliche Bestätigung, bevor ich den Sekt kalt stellte. Und tatsächlich! Keine Fata Morgana, sondern ein richtiger Vertrag von einem richtigen Verlag, Econ damals noch, heute im Konzern mit Ullstein. Ich bekam eine Lektorin, eine richtig gute noch dazu, mit der es eine Freude war, zusammenzuarbeiten.

Stress gab es trotzdem jede Menge, Termine waren einzuhalten, Korrekturen mussten gemacht werden, ich arbeitete nachts durch, damit ich alles schaffte; dass Terminvorgaben im Buchgeschäft zumeist Schall und Rauch sind, bekam ich erst nach und nach mit. Irgendwann hielt ich es schließlich in der Hand: Mein Buch, mehr als vierhundert Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. Ich konnte gar nicht aufhören, es zu berühren, aufzuschlagen, anzusehen. Jetzt war ich eine richtige Schriftstellerin! Musste nicht alles Weitere von selbst laufen? Anzeigen, Rezensionen, Verkauf, Lesungen? Es dauerte nicht lange, bis ich vom heiligen Berg hinunterfiel, auf dem ich mich wähnte. Die Vorbestellungen im Buchhandel, so sagte man mir, seien nicht rosig, großartige Werbung bei Debütanten nicht drin, und nun ja, eine zweite Auflage werde es wohl nicht geben. Abends Sekt und morgens Hering! Ich dachte: Warum passiert das ausgerechnet mir? Heute weiß ich, dass die Halbwertzeit von Büchern kaum mehr ein paar Monate beträgt. Was nicht sofort läuft, fliegt raus. Gnadenlos, bedenkenlos. Das wollte, konnte ich nicht akzeptieren! Schließlich hatte ich zwei Jahre an dem Roman gearbeitet, jede freie Minute fürs Schreiben und Recherchieren geopfert. Hinzu kam, dass die Reaktionen von Lesern und erste Rezensionen durchgängig positiv waren.

Als der Hering verdaut war, überlegte ich, wie das Blatt zu wenden sei. Mein Hauptberuf bei der Kripo half mir, das Medienecho anzufachen, eine waschechte Kriminalbeamtin, die historische Krimis fabriziert, war dann doch was Berichtenswertes. Ich knüpfte Kontakte, brachte mich in Erinnerung, schrieb eMails und Briefe statt einen neuen Roman. Nach und nach verkaufte sich die erste Auflage, es folgten zwei weitere, dann erschien die Taschenbuchausgabe, Sonderausgaben folgten. Geschafft? Mitnichten. Selbst als schon mehr als hunderttausend Taschenbücher verkauft waren, machte ich einen Gutteil der Werbung noch immer selbst. Sollten Sie also demnächst das Glück haben, einen Verlagsvertrag zu unterschreiben, köpfen Sie ruhig eine Flasche Sekt! Und am Tag darauf krempeln Sie die Ärmel hoch und überlegen, wie Sie Ihr eigener Marketingexperte werden können. Damit Sie den Hering nicht mit Selters runterspülen müssen.

Nikola Hahn