Mut zum Schwachsinn?

Oder

Wie Anna ihren Paul buchstäblich aus den Schuhen haut, ihm danach sprichwörtlich einen Sessel hinschiebt, um ihm gleich darauf förmlich einen Kropf an die Backe zu labern.

Von Regina Mengel

Kleine Wette gefällig?

Ich würde ohne große Sorge meinen dezent dicken Hintern darauf verwetten, dass ein Großteil der Menschheit die Fehler im obigen Satz gar nicht bemerkt. Oder sich nicht die Bohne dafür interessiert. Oder es für nicht wert befindet, sich überhaupt damit zu beschäftigen.

policeIch hingegen krieg’ jedes Mal die Pimpernellen, wenn ich so einen Unfug lese. Vorsorglich habe ich jetzt allerdings mal nachgesehen, ob die Redewendung ‚die Pimpernellen kriegen’ eigentlich richtig ist. Ist sie! Falsch verwendete Redewendungen sind nämlich auch so ein Thema, bei dem ich sprichwörtlich aus der Haut fahren könnte. Da werden munter Geschenke eingesargt oder die Leute reden sich um Knopf und Kragen.

Ich höre (hörte?) zum Beispiel gerne auch mal hin und wieder die eine oder andere Sendung im Radioprogramm. In letzter Zeit muss ich allerdings vorher meinen Gute-Laune-Pegel überprüfen. Wenn ich auch nur eine Spur genervt bin oder mich gerade im Lektorats-Modus befinde, sollte ich meine Entscheidung überdenken. (Der Lektorats-Modus ist übrigens der Modus, in den Autoren insbesondere im Rahmen einer Überarbeitung geraten. Wer Autoren im Lektorats-Modus begegnet, sollte möglichst schnell das Weite suchen. Sie lassen an keinem Satz ein gutes Haar und reagieren aggressiv auf Sprechverben-Overkill, Adjektivitis, grammatikalische Unsauberkeiten oder sonstiges sprachliches Pfui, das normalen Menschen nicht im Ansatz auffällt. Auch gestalten sie in diesem Zustand permanent wilde Formulierungen, sprechen kaum noch Klartext, sondern ausschließlich in blumigen Metaphern, durchdenken im Anschluss jeden ihrer Sätze, pflücken sie vor aller Ohren auseinander und ersticken damit jedes vernünftige Gespräch im Keim. Nein! Autoren im Lektorats-Modus sind keine genießbaren Zeitgenossen.)

Radiomoderatoren allerdings auch nicht. Aber was erwarte ich denn auch von einem Journalisten? Ausgebildetem Sprecher? Oder wenigstens geübtem Moderator? Oder sitzen da ausschließlich Leute, die vom Umgang mit Sprache nicht den geringsten Schimmer haben? Mach isch Radio, oder was? Da moderieren sich manche einen Mumpitz zusammen, dass meine Zehennägel nicht nur ans Aufrollen denken, sondern gleich einen dreifachen Rittberger mit doppelter Schraube hinlegen. Kreischende Kreide auf einer Tafel ist ein Fliegenschiss dagegen.

Immerhin wird es in aber auch manchmal ziemlich lustig, egal ob im Radio oder im Buch. Besonders Sprachpatzer der anatomischen Art entwickeln nicht selten einen besonderen Reiz. Ein schöner Busen kann da auch schon mal Brustwarzen haben. Ein Opfer ist teils schwer verletzt. Eine Frau läuft, während sie gleichzeitig auf einem Bein hüpfend die Straße entlang stolpert. Oftmals agieren auch Körperteile völlig losgelöst vom Rest des Körpers. Arme fliegen nach vorn, Augen wandern durch den Raum, Füße gehen zügig voran. Und wo bleibt der Rest des Körpers? Und wer hat da überhaupt das Sagen? Das kann doch böse enden, wenn die Arme nach rechts wollen und die Beine nach links. Am Ende zerreißt es den liebevoll gestalteten Protagonisten glatt in der Mitte. Und hin ist er und dann fängt die ganze Arbeit von vorne an. Wie soll er aussehen? Augenfarbe, Haarfarbe, Schuhgröße, Kartoffelsack oder Maßanzug? Und wie ist er so? Nett, gebildet, pfiffig oder berechnend, böse, charismatisch? Ach was, wofür die ganze Arbeit. Schon im nächsten Textabschnitt handelt ja eh nicht mehr der Protagonist, sondern nur noch irgendeines seiner Körperteile. Hm? Wäre es möglicherweise hilfreich, auch die Gliedmaßen mit einer genauen Beschreibung zu erarbeiten? Statt einer Figurendatenbank böte sich dann eine Gliedmaßendatenbank an.

Obwohl das ja auch mit unbelebten Gegenständen passiert. Bisher bin ich noch nicht auf die Idee gekommen Gegenstände mit Eigenschaften zu versehen – allerdings … Wenn eine Tür sich sanft öffnet, spricht das vielleicht für ein sehr freundliches Gemüt? Möglicherweise spürt sie Liebe für den Raum, in den sie hinein schwingt. Wenn eine Schublade knarzend aus ihrer Führung kriecht, hat sie dann möglicherweise schlechte Laune? Oder ist sie am Morgen mit der falschen Dehnungsfuge aufgestanden?

Irgendwann habe ich mal was von geschlachteten Würstchen gelesen. Da wundert mich das Gerücht nicht, das hartnäckig besagt, es gebe Menschen, die nicht wissen, dass für eine Wurst ein Tier sterben musste. So ein Würstchen hat ja mit einem Schwein nicht mehr so richtig viel zu tun – optisch meine ich. Übrigens eine coole Sache: Flott eine Wurst geschlachtet und schon habe ich ein paar neue Würstchen erschaffen. Das Perpetuum Mobile der Fleischindustrie. Ob das mit Rinderbraten auch funktioniert?

Um es mal klar zu sagen: Wenn ich so etwas auf der Straße höre, schmunzele ich. Höre ich es von einem Radiomoderator, muss ich gegen ein Ziehen in der Magengegend ankämpfen. Lese ich es jedoch in einem Buch, das anders als das gesprochene Wort einer gewissen Reifezeit unterliegt, dann könnte ich buchstäblich kotzen.

Sprache ist eines der wichtigsten Instrumente eines Buchschaffenden, die Grundlage eines jeden Textes. In den Zeiten von Internet und Suchmaschinen ist es noch einfacher geworden, sich selbst zu überprüfen. Habe ich ein Fremdwort korrekt angewendet? Stimmt diese oder jene Redewendung?

Leute, das kann doch nicht zu viel verlangt sein. Und wenn ihr euch nicht sicher seid, dann lasst den Schwachsinn einfach weg – ist meistens sowieso nur unnötiges Füllwerk. Obendrein gibt es Bücher, die wären besser in der Schublade geblieben. Wie viele? Diese Entscheidung überlasse ich jedem selbst.

Was soll’s? Keine Ahnung!

Darauf ein gebackenes Ei oder den Mumpitz-Preis erster Klasse. Mir egal. Verdammt! Mach doch mal einer das Radio aus!

Regina Mengel