Von Valentin Zahrnt
Es gibt eindeutige Anleitungen, wie man Fahrräder repariert und Ikea-Regale zusammenbaut. Auch wenn man das nicht immer so eindeutig erlebt und die ein oder andere Schraube übrig bleibt, gilt doch im Grunde eine optimale Prozedur für alle. Romanschreiben hingegen? So individuell, dass ich nur von mir berichten kann. Das „Ich“ ist also nicht Narzissmus, sondern Einsicht.
Wenigstens meine ganz persönliche ‚optimale Prozedur‘ wollte ich entwickeln. Mittlerweile ist daraus eine lose Sammlung von Erfahrungen geworden. Das führt mich zum ersten Rat, den ich dann doch zu geben wage: Es lohnt sich, in seine „Überarbeitungstechnik“ zu investieren, ohne eine Technik zu erwarten. Sprich: produktives Zen.
Und damit von der Philosophie zur Praxis! Das Wichtigste zuerst: bremsen. Bevor ich einen Text überarbeite, bremse ich mich ab, legte Papier und Rotstift wieder zur Seite und frage mich: „Was will ich eigentlich?“ – und dann stelle ich mir eine Aufgabe für die Überarbeitung. Erstens hilft mir das, systematischer vorzugehen: vom Großen zum Kleinen, so dass ich weniger Zeit damit verliere, einen Text sprachlich zu glätten, den ich danach wieder aufbreche. Zweitens würde es mich überfordern, auf alles gleichzeitig zu achten. Mit einem klaren Fokus finde ich mehr Schwachstellen, und es kommen mir mehr Ideen, wie ich es besser machen könnte. Drittens beschäftige ich mich sonst vorrangig mit den Aspekten, die ohnehin gut laufen, die mir Freude machen, die mich bestätigen. Bei mir heißt das: Ich drifte an die Oberfläche und poliere Sprache, Textfluss, Bildlichkeit/Erlebbarkeit – und vernachlässige Konstruktionsfragen.
Ein weiterer Grundsatz: Als Kritiker bin ich nicht für Lösungen verantwortlich! Es ist schwer genug, sich einzugestehen, dass man mit dem Geleisteten unzufrieden ist. Aus dem „Das ist nicht ideal“ wird schnell ein „Ich kann nicht schreiben“. Deswegen will ich mir als Kritiker nicht auch noch die Pflicht aufbürden, gleich eine Lösung parat zu haben. Wenn mir sogleich eine Idee kommt, umso besser – wenn nicht, notiere ich mein Unbehagen und lese weiter.
Was mir noch hilft, ist ehrlich (kritisch) zu sein: meinen Text ausdrucken (gelegentlich in einem anderen Format, als ich es vom Bildschirm gewohnt bin), den Text laut lesen oder sogar vorlesen (Stehe ich dazu? Würde ich ihn so veröffentlichen?), den Text mit den Augen eines konkreten Kritikers lesen (Was würde Domina ankreiden?), den Text nebenbei lesen (in einer Kneipe bei einem Bier – das wirkt meiner Erwartung entgegen, dass mich der Text berauschen muss), den Text überdenken, ohne ins Manuskript zu schauen, und natürlich der Klassiker: den Text eine Weile liegen lassen, um Abstand zu gewinnen.
Außerdem gibt es da noch „die Liste“. Die enthält so etwas wie Qualitätskriterien und typische Fehler. Zum Beispiel, dass ich Motive unbemerkt wiederhole. Kaum schaut einer aus dem Autofenster, werden in der nächsten Szene die schmutzigen Fenster erwähnt und in der übernächsten denkt jemand „Religionen sind wie Fenster auf Gott.“ Das ist nicht meine Lieblingstätigkeit, aber ab und an bringe ich mich dazu, die Liste durchzugehen.
Trotzdem ist mir Texte-Überarbeiten viel lieber als Fahrräder reparieren und Schränke zusammenbauen. Auch als Wäsche waschen, Einkaufen gehen und Müll runterbringen. Alles eine Frage der Perspektive. Und richtig: Es ist nicht ganz so fantastisch wie die ersten Tage, an denen ich mir eine neue Geschichte ausdenke und die Eingangsseiten schreibe. Aber für Indies ohne professionellen Lektor, die das Q großschreiben wollen, gehört es einfach dazu.
Was sind eure Überarbeitungs-Tricks, liebe Indies? Und wo hakt es bei Indies am meisten, liebe Leser?