Als Autorin komme ich nicht drum herum – die Sex-Szenen. Kein historischer Roman, in dem nicht pralle Schenkel und wogende Busen durch schwielige Männerhände massiert werden, kein Liebesroman, in dem die Protagonisten sich nicht nach einem Prosecco im Bett tummeln. Überall Gestöhne und Lustschreie, auch in Krimis können sie zu hören sein. Und selbst in Thrillern wird genüsslich geliebt, abnorm vergewaltigt und zerstückelt.
Uaahh, ich will nicht mehr!
Und das von mir, einer Gay Romance Autorin.
Selbst beim Schreiben meiner Kurzgeschichten fürchte ich mich inzwischen vor jeder Sex-Szene. Ich gehe tagelang schwanger mit Gedanken über eindeutige Darstellungen, die nichts mehr verschleiern oder umschreiben, über neue Stellungen in der Liebes-Gymnastik und Trends, die seit „Feuchtgebiete“ im Schwange sein sollen.
Aber mal ehrlich – es ist im Grunde doch immer das Gleiche, oder?
Ich habe kein Problem damit, lustvolle Spannung aufzubauen, doch gern hätten meine Figuren dabei noch ihre Klamotten an.
Die Entwicklung einer Liebesbeziehung darzustellen, macht ja nun jedem Autor Spaß – aber ist es dann, wenn Hans und Liese sich gefunden haben, nicht genug? Ich habe nichts gegen leidenschaftliche Küsse und heißes Gegrapsche, aber beim Öffnen des dritten Knopfes könnte doch auch mal Schluss sein.
Warum dürfen sich die Türen zu den Schlafzimmern nicht mal schließen? Warum dürfen die Helden sich nicht mal den Blicken der Leser entziehen? Das kann doch ebenso lustvoll sein, dieser weiterführende Gedanke, den der Leser ohne Unterstützung durch den Autor spinnen kann.
Jeder Autor lernt, Bilder für den Leser zu entwerfen. Man lernt, sparsam mit Beschreibungen umzugehen und viel dem Subtext zu überlassen, Adjektivitis zu vermeiden, um damit das Kopfkino des Lesers so richtig anzuheizen. Warum ist es bei Sex-Szenen andersherum? Hier wird nicht gespart mit Beschreibungen, man führt explizit ins Kleinste jede Akrobatik auf. Jeder der – natürlich multiplen – Orgasmen wird mit so manchen Adjektiven „gepimpt“, passende und unpassende Metapher füllen das Papier.
Wo bleibt denn da das Vergnügen für den Leser? Nichts mehr mit Kopfkino, der Leser mutiert unfreiwillig zum Voyeur.
Ich plädiere für ein Dasein ohne Sex, äh, ich meine, zumindest für den Protagonisten. Damit ich endlich wieder befreit und ohne hemmende Gedankenblockaden zum eigentlichen Kern meiner Geschichten voranschreiten kann. Fort mit Verlagsvorgaben, hinweg mit Leserwünschen. Ich will das schreiben, was wichtig ist.
Oder – bin ich etwa prüde?